Herbstdepression bzw. Winterdepression: Wie gefährlich ist sie und was hilft?

Der Herbst kommt, die gute Laune geht. Rund 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung leiden an einer saisonal abhängigen Depression. Die Folgen: Wir sind antriebslos, fühlen uns niedergeschlagen und könnten ununterbrochen schlafen. Wie gefährlich ist die Herbst-/Winterdepression und was können wir gegen sie tun?

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Junge Frau mit gesenktem Kopf unter einem Baum mit gelben Blättern © Bild: Shutterstock.com

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Herbst-/Winterdepression?

"Die saisonal abhängige Depression ist seit langer Zeit bekannt und manifestiert sich in den Herbst- und Wintermonaten durch Lichtmangel", erklärt Prof. DDr. Siegfried Kasper, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Uni Wien. Ihm zufolge handelt es sich hier um eine "Dimension, die jeder ein bisschen spürt". Als Krankheit wird sie erst dann bezeichnet, wenn der Alltag zur Last wird und man den täglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. "Jene, die stark betroffen sind, haben wenig inneren Schwung, wenig Antrieb. Sie wollen sich nicht mehr mit anderen Menschen treffen, schleppen sich zur Arbeit und wollen möglichst in Ruhe gelassen werden. Sie gehen sozialen Kontakten aus dem Weg, sie vereinsamen."

Wie entsteht die saisonal abhängige Depression?

Bemerkbar macht sich die Herbst-/Winterdepression, sobald die Tage kürzer werden. In der Regel setzt sie Mitte/Ende September ein und dauert bis März. "Wenn das Tageslicht zur Mangelware wird, werden gewisse Botenstoffe, die auch für die Stimmung zuständig sind, nicht mehr ausreichend produziert", sagt Dr. Alexander Bernhaut, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Konkret geht es hier um Serotonin und Noradrenalin, die das Wohlbefinden, die Aufmerksamkeit, die Konzentrationsleistung und den Schlaf beeinflussen. Ein Mangel an den Botenstoffen ruft jene Symptome hervor, die wir unter dem Begriff "Herbstdepression" kennen.

»Frauen sind insgesamt häufiger betroffen als Männer«

Gleichzeitig produziert der Körper während der Wintermonate mehr Melatonin. Das körpereigene Schlafhormon sorgt nachts dafür, dass wir gut schlafen. Mit Einsetzen des Tageslichts wird die Herstellung heruntergefahren. Ist es morgens allerdings dunkel, wird die Produktion fortgesetzt. Tagsüber ausgeschüttet hindert uns Melatonin uns daran, dass wir in die Gänge kommen. Das Aufstehen fällt uns morgens schwerer, eine permanente Tagesmüdigkeit macht sich breit, schildert die Psychologin Dr. Sabine Schneider die Problematik.

Wie äußert sich die Herbst-/Winterdepression?

"Die typischen Phänomene der saisonal abhängigen Depression sind der Verlust an Motivation und Interesse sowie eine sentimentale bis traurige Stimmung", erläutert Bernhaut. Der Betroffene ist antriebslos, schläft und isst zu viel - vor allem Süßigkeiten und Nudelgerichte, sprich kohlenhydratreiche Kost, die wiederum müde macht. "Damit schließt sich der Teufelskreis", warnt Kasper.

Die Anzeichen im Überblick

  • permanente Müdigkeit
  • Energiemangel
  • Antriebslosigkeit
  • Freudlosigkeit
  • Verlust an Interessen
  • Gereiztheit
  • Ungeduld
  • gesteigerter Appetit, v.a. auf Süßes
  • Probleme bei der Organisation des Alltags

Wer ist betroffen?

"Erste Symptome zeigen sich meist schon während der Pubertät. Frauen sind insgesamt häufiger betroffen als Männer. Allerdings nur bis zur Menopause. Danach gleicht sich der Anteil von Frauen und Männern, die an der Herbst-/Winterdepression leiden, wieder aneinander an", weiß Kasper. Auffällig oft tritt diese Form der Depression im Alter von 25 bis 30 Jahren zutage, "wenn man fix in den Arbeits- und Familienalltag eingebunden ist", seinen Alltag also nicht mehr den Stimmungsschwankungen anpassen kann.

Kann es auch Kinder treffen?

Auch Kinder können Schneider zufolge an der Herbst-/Winterdepression leiden. Ähnlich wie bei Erwachsenen zeigt sie sich in Form von gesteigertem Appetit, übermäßigem Schlafbedürfnis und gereiztem, ungeduldigem Verhalten. Oftmals schlägt sich das Leiden auch in den Schulleistungen nieder. Mitunter lassen sich die beobachteten Veränderungen auch entwicklungspsychologisch begründen. Eine eindeutige Diagnose fällt daher nicht immer leicht. Den Eltern ist angeraten, die Stimmungslage und das Verhalten ihres Kindes genau zu beobachten und im Zweifelsfall die Meinung eines Fachmanns einzuholen.

Herbstdepression oder Depression?

Woher aber weiß man, ob die Depression tatsächlich nur an die Jahreszeit gebunden ist? Während von der Herbst-/Winterdepression Betroffene kaum noch aus dem Bett kommen, schlafen Personen, die an einer saisonunabhängigen Depression leiden, zu wenig. Sie finden nachts keine Ruhe, wachen früh auf, werden von Ängsten geplagt und sind unter Umständen sogar suizidgefährdet. Dagegen ist die Herbst-/Winterdepression nur in den seltensten Fällen lebensbedrohlich.

Wie gefährlich ist die Herbst-/Winterdepression?

"Gefährlich wird's allerdings im Frühjahr, wenn die Batterie richtig leer ist. Während die meisten Menschen den Frühling begrüßen, kann sich das Gehirn der Herbst-/Winterdepressiven nicht oder nur schwer auf die neue Situation einstellen", gibt Kasper zu bedenken. "Hat man durch die jahresbedingte Erkrankung dann möglicherweise noch den Job, soziale Kontakte oder den Partner verloren, kann das im Frühjahr durchaus zu einem Problem werden."

»Gefährlich wird's im Frühjahr, wenn die Batterie richtig leer ist«

Was tun gegen die Winterdepression?

"Nützen Sie jede Möglichkeit, Licht zu tanken. Gehen Sie an der frischen Luft spazieren", empfiehlt Bernhaut. Ist das nicht möglich, beispielsweise weil man von früh bis spät im Büro sitzt, kann man sich mit einer Lichttherapie über die Runden helfen. Die kann man, während man zu Hause vor dem Fernseher sitzt oder ein Buch liest, konsumieren. "Damit die Lichttherapie auch wirklich hilft, sollte die Stärke des Lichts mindestens 10.000 Lux betragen", sagt Schneider. Sie empfiehlt eine Anwendungsdauer von 30 Minuten pro Tag.

Auch Johanniskrautpräparate schaffen Abhilfe. Allerdings sollte man während der Einnahme direkte Sonneneinstrahlung meiden, da das Kraut die Haut sehr lichtempfindlich macht. Hilft nichts dergleichen, sollte man eine medikamentöse Behandlung in Betracht ziehen. "Bei einer schweren Winterdepression kann der Arzt oder die Ärztin Antidepressiva verordnen/und oder eine begleitende Psychotherapie empfehlen", sagt Schneider. "Wenn Sie den Eindruck haben, in einer Art Sackgasse zu stecken, Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Gereiztheit Ihren Alltag bestimmen und Sie merken, dass die Organisation des Alltags Sie zusehends überfordert", sei es an der Zeit, einen Fachmann aufzusuchen. "Besser zu früh als zu spät", betont die Psychologin.

Sie wollen wissen, ob Sie an einer Herbst-/Winterdepression leiden? Auf der Verhaltenstherapeutischen Ambulanz des AKH Wien können Sie sich testen lassen. Weitere Infos und Terminvergabe unter +43 (0)1 40400-35470

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sich um jemanden sorgen oder jemanden durch Suizid verloren haben, finden Sie Hilfsangebote aus ganz Österreich unter:
www.suizid-praevention.gv.at
www.bittelebe.at
Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/31330 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall. Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen.