Hannes Jagerhofer:
"Ohne Angst kein Erfolg“

Seinen Aufstieg führt er auf Vater zurück, mit dem er jahrelang nicht sprach

Hannes Jagerhofer machte das Klagenfurter Beachvolleyball-Turnier zum größten Society-Event des Sommers. Seinen persönlichen Aufstieg führt er auf die Hartherzigkeit seines Vaters zurück, mit dem er zehn Jahre kein Wort wechselte.

von Menschen - Hannes Jagerhofer:
"Ohne Angst kein Erfolg“ © Bild: News Zach - Kiesling Roman

Herr Jagerhofer, hier am Wörthersee wirken Sie jovial und lässig, sind mit allen per Du. Gehört das zum Job, oder sind Sie wirklich so?
Ich lebe in zwei Welten, ich lebe für zwei Welten, und ich weiß nicht, ob das schon Schizophrenie ist. Die eine Welt ist mein Job, wo ich die Leute gerne bediene und durch Service und Entertainment glücklich mache. Dann gibt es aber auch den Hannes Jagerhofer, der Veranstaltungen hasst und lieber naturverbunden auf der Alm lebt. Es gibt nichts Schlimmeres für mich, als zu wissen, ich muss auf eine Veranstaltung, da kribbelt’s mich schon am Vortag.

Wirklich? Für einen Eventveranstalter ist das ja ein Lebensdilemma.
Aber nein, ich bin ja auch Pilot und habe Höhenangst, wenn ich auf eine Leiter steige - aber nicht beim Fliegen.

Naturverbundenes Leben auf der Alm - wie viel Koketterie steckt da dahinter?
Das ist keine gespielte Geschichte, weil es mir unheimlich viel gibt. Erst vor Kurzem hatte ich nach einem Sturm gewaltigen Baumbruch, da habe ich einen massiven Stamm samt Geäst mit meinem alten Steyr-Traktor und einer Seilwinde aus der Schlucht rausgezogen, zerteilt und auch gespalten. Das ist einer der coolsten Momente gewesen, als plötzlich so ein riesiger Haufen Holz vor mir lag, damit heize ich jetzt zwei Winter. Ich pflanze auch Kartoffeln, Salat, Rote Rüben und Pfefferoni. Da ich zur Ernte aber so gut wie nie da bin, habe ich eine Webcam installiert, damit ich mein Gemüse am Smartphone von überall auf der Welt beim Wachsen beobachten kann. Das ist schon ein bisserl pervers, aber wenn ich in Los Angeles am Flughafen sitze und mir alles auf die Nerven geht, schaue ich aufs Handy und denke mir: Boah, meine Kartoffeln haben super angeschlagen.

Zurück zum Business: Wie viele Prominente rufen nur im Juli vor dem Beachvolleyball-Wochenende bei ihrem alten Haberer Jagerhofer an und wie viele sind echte Freunde?
Da habe ich einen, der ist ein echter Spezialist, der ruft mich immer so Mitte Juli an. Dann sage ich: "Weißt, es wäre schon eine Gaudi, wenn du mich einfach einmal im Oktober anrufen würdest oder im Winter. Fritz, wenn’s einmal so richtig kalt ist, rufst den Jagerhofer an.“ Vielleicht schaffen wir es ja heuer. Aber der Fritz, aus Funk und Fernsehen bekannt, ist eigentlich einer der wirklich Netten. Ich habe nicht viele echte Freunde, wer behauptet, er hätte mehr als fünf, der flunkert.

Sie sind beruflich auf der ganzen Welt unterwegs. Wie erklären Sie einem Nicht- Kärntner Ihr Bundesland?
Vor 30 Jahren waren wir noch der Mittelpunkt des heimischen Sommertourismus, alle haben uns mögen, und mit einem Kärntner Kennzeichen warst du sogar in Wien willkommen. Heute ist Kärnten noch in vielen Bereichen von der Ära Haider geprägt, in der sich dieser seltsame Reflex entwickelte: Sobald es kritische Stimmen gegen Kärnten gibt, blockt man sie im Kollektiv ab und sieht die Kritiker als Nestbeschmutzer. Dabei hat Kärnten aufgrund seiner geografischen Lage und auch seiner Bewohner ein Riesenpotenzial, doch diese ganze Finanzgeschichte macht uns zu Junior-Griechen. Jetzt müssen wir zeigen, dass wir noch leben und nicht einfach nur dahinsiechen.

Haider war ja sehr Society-affin. Das muss Ihnen als Veranstalter entgegengekommen sein.
Klar kommt das einem Veranstalter zugute, und klar habe ich hier die besten Voraussetzungen der Welt gefunden, um so etwas wie das Beachvolleyball-Turnier wachsen zu lassen. Allerdings hat die Veranstaltung in der Ära Zernatto begonnen. Dass sich eine Regierung darin sonnt, ist auch klar - und das soll sie auch, schon alleine, um Kontakte zu knüpfen: Leute wie ein Albert von Monaco würden ja nie aus freien Stücken auf ein Wochenende hierher kommen, da brauchst du schon einen perfekten Anlass.

Sind Sie eitel?
Wahrscheinlich, aber ist das nicht jeder? Ich schaue schon, dass meine Haare gewaschen sind, ich will ja meine Umwelt nicht belasten.

Und färben?
Jeden Montag um Punkt zwölf Uhr (lacht).

Blicken wir kurz zurück: Der in Wien lebende Medizinstudent Jagerhofer will auf der Bank seine monatlichen 5.000 Schilling vom Vater beheben, doch der hat mangels Studienerfolgs die Zahlungen gestoppt. Stimmt die Anekdote?
Sie stimmt - und sie hat mich damals getroffen, weil ich merkte, dass mein Vater so richtig enttäuscht von mir war, weil im Medizinstudium nichts weitergegangen ist.

Haben Sie ihn belogen?
Na klar habe ich getrickst. Ich durfte als Demonstrator auf der Anatomie schon an einer groß angelegten Studie mitarbeiten, selbst frische Köpfe aus der Pathologie holen und in meinem Kammerl sezieren, zudem durfte ich kleinere Kurse leiten und im weißen Mantel Kolloquien abhalten. In diesem Status bin ich selbstzufrieden versumpert und tat mir schwer, weiter zu lernen. Heute finde ich, dass die Entscheidung meines Vaters richtig war, weil sie mich zwang, mich irgendwie anderweitig über Wasser zu halten. Mein Vater hätte sicher die Chance gehabt, mir viel mehr zu geben. Aber wenn du nie gelernt hast, davor zu zittern, wie du die nächste finanzielle oder berufliche Hürde schaffst, fehlt dir was ganz Wichtiges.

Um langfristig erfolgreich zu werden, muss man also die Angst kennenlernen?
Genau. Und wenn du ewig ein Back-up hast, wirst du dieses Gefühl nie haben, dann fehlt dir etwas. Man muss seine Kinder unterstützen, aber nicht mit Mitteln überhäufen. Ich weiß nicht, wie es mit mir weitergegangen wäre, wenn ich von zu Hause weiter mein Geld bekommen hätte.

Sie wollten ursprünglich Pilot werden, steckten mitten im Aua-Aufnahmeverfahren …
… da sagte mein Vater: "Willst du jetzt wirklich Buschauffeur werden?“ Ein drastischer Vergleich. Aber heute habe ich sämtliche Flugscheine und finde: Es wäre genau darauf hinausgelaufen.

Viele Ihrer Lebensentscheidungen sind also darauf zurückzuführen, dass Ihr Vater ein harter Hund war?
Mein Vater hat mein Leben sehr beeinflusst. Er und ich, wir hatten ein sehr persönliches Schicksal: Wir hatten mehr als ein Jahrzehnt lang keinen Kontakt, worunter ich sehr gelitten habe. Es hatte sich eine Situation entwickelt, die von Dritten betrieben wurde und von mir nicht mehr kontrollierbar war und auch von meinem Vater nicht. Er hatte völlig falsche Vorstellungen und Informationen über das, was ich machte. Gesellschaftsspalten, Medienpräsenz, das war für ihn alles nicht nachvollziehbar. Er war ein Mediziner, wie man ihn sich nur vorstellen kann: Der Job war sein Leben, er war lange der Hausarzt von Karim Aga Khan. Ich erinnere mich noch, wie die Hubschrauber bei uns in Feldkirchen gelandet sind, um ihn abzuholen. Aber für ihn wäre es eine Katastrophe gewesen, wenn man darüber geschrieben hätte. Für einen Menschen, der so konservativ denkt und nur für seinen Job da ist, waren die Dinge, dich ich damals so machte - Clubbings organisieren oder als DJ auflegen - absolut nicht nachvollziehbar. Wahrscheinlich hat er sich für mich geniert, ganz sicher war er enttäuscht. Er dachte sich, der Bua absolviert sein Studium in Wien, kommt zurück und übernimmt die Ordination. Die Bilder, die er von mir sah, waren aber dann nicht die eines jungen Doktors, dem sein Degree übergeben wird. Das hat mir viel Leid verursacht.

Und für eine Aussöhnung war es irgendwann zu spät?
Kurz vor seinem Ableben haben wir uns wieder gefunden, das war für mich sehr, sehr wichtig. Aber dafür habe ich jahrelang gekämpft, als Sohn kämpfst du schon sehr um die Anerkennung deines Vaters.

Sind Sie auf ihn zugegangen?
Ja, ich habe ihn zu mir nach Wien geholt, als er schon sehr krank war. Dann hat ihn ein Professor aus dem AKH, der für ihn eine Kultfigur war, gefragt: "Sind Sie mit dem Hannes Jagerhofer verwandt?“ Da war mein Vater wie vor den Kopf gestoßen, dass der von ihm anerkannte und verehrte Professor mich kennt. Dadurch konnten wir viel aufarbeiten und auflösen. Er hatte dann ein extrem schlechtes Gewissen, was ich ihm zu nehmen versucht habe. Wir hatten dann noch eine gute Zeit miteinander, ich habe ihn sogar zum Hubschrauberfliegen mitgenommen, das war wahnsinnig wichtig.


War Ihr Freund Udo Jürgens zuvor eine Art Ersatzvater?
Total. Der Udo und meine damalige Freundin haben versucht, das noch irgendwie zu richten. Der Udo hat sogar meinen Vater in der Praxis angerufen und hat ihm ans Herz zu legen versucht, dass er doch mit mir reden soll. Bei einem Konzert in Villach, das mein Vater und ich getrennt voneinander besuchten, sang er sein Lied "Der gekaufte Drachen“: "Was Sie seh’n, gehört mal meinem Kleinen, dieses Haus, die Fabrik, nur für ihn tu’ ich das, Dafür leb’ ich, ich hab nur den einen“, heißt es da. Und der Sohn antwortet: "Papa, ich weiß nicht, ob ich das will, ich will mit dir einen Drachen bau’n, für so was hast du niemals Zeit.“ - Und der Udo hat vor dem Lied gesagt: "Hier im Publikum sitzen zwei Leute, für die dieses Lied sehr wichtig wäre.“ Das ist schon verdammt tief reingegangen.

Was war das für eine Freundschaft mit 30 Jahren Altersunterschied?
Ich habe seine Tochter Jenny im Drop In in Seefeld kennengelernt, wir waren dann zusammen. Plötzlich kam der Udo rein, ging zielstrebig auf sie zu und sagte: "Hallo, mein Schatz!“ Ich dachte mir: Jessas, was ist da los, der hat was mit ihr? Sie war damals 17! Mit der Jenny und mir war es dann bald aus, wir sind bis heute gute Freunde. Irgendwann hat der Udo dann bei mir zu Hause angerufen und gesagt: "Ich weiß, dass es zwischen dir und Jenny aus ist, aber ich würde mich freuen, wenn wir weiterhin Freunde bleiben.“

Sie waren noch ein Burli, er war der große Udo …

Es ist schwer zu erklären, wir haben uns einfach gut verstanden. Der Udo hat mir, wenn er mich nicht erreichte, auf den Anrufbeantworter gesprochen - so lange, als wäre es ein normales Telefongespräch. Viele seiner Botschaften habe ich aufgehoben. Als vor knapp zwei Jahren meine Tochter Lea zur Welt kam, hat er mir auch so eine Botschaft hinterlassen: "Neben dieser Sonnenseite gibt es auch die Verantwortung“, sagte er mir. Zwei Wochen vor seinem Tod hat er mir auch eine ganz lange Botschaft aufs Band gesprochen: Da ging es darum, dass er auf der Bühne im hohen Alter womöglich nicht mehr bestehen könne, wenn er vielleicht einmal krank wäre, davor hatte er eine irrsinnige Angst. So gesehen war seine Art zu sterben für ihn wohl das Beste. Das Ende seiner Nachricht war: "Hannes, eigentlich wollte ich nur wissen, wie du über meine Situation denkst.“

Sie selbst sind erst mit 50 Vater geworden, haben zwei kleine Kinder. Was haben Sie durch Ihre Erfahrungen für die eigene Vaterrolle gelernt?
Ich habe dadurch wahnsinnig viel für meine Kinder gelernt: Mein Vater hat viele Dinge gemacht, die mir als kleines Kind sehr wichtig waren, etwa, dass er mich ins Elternbett getragen hat, wenn ich nicht schlafen konnte. Er ist später mit mir Wasserski fahren gegangen, hat mir dann bei einem Kaffee vom Ufer aus zugeschaut. Er hat mir beigebracht, was Anstand ist. Andererseits hatte er wenig Verständnis für Dinge, die nicht seinem Lebensentwurf entsprachen. Ich will meine beiden eigenen Kinder in allem unterstützen, was sie interessiert und was sie spannend finden. Mein Gott, ich erinnere mich, wie mir der Udo erzählte, wie enttäuscht seine Eltern darüber waren, dass er Musiker wurde. Ich glaube, man muss ein riesiges Verständnis für seine Kinder aufbringen: Beobachte sie, schau, was ihnen Spaß macht, versuche, sie mit Leistungssport über die Pubertät zu bringen, ohne sie zu etwas zu zwingen. Ich selbst wurde als Jugendlicher gehänselt, weil ich nie Alkohol getrunken habe, ich bin nämlich bis 21 Skirennen gefahren.

Waren Sie damals ein Weiberer?
Weiberer ist wohl das falsche Wort, aber wenn du damals mit einem weißen Käfer-Cabrio mit Kärntner Kennzeichen in Wien herumgefahren bist, warst du für Wiener schon etwas Spezielles. Und auch für die Wienerinnen.

Heute sind Sie 53, Ihre Partnerin ist 34, zwischen Ihnen liegt eine Generation. Haben Sie manchmal das Gefühl, für so eine Konstellation zu alt zu sein?
Für meine Kinder wäre ich gerne um zehn Jahre jünger, für meine Partnerin ist das aber kein Thema. Ich bin froh, dass ich so lange gewartet habe und den richtigen Menschen gefunden habe. Nämlich einen, der meinen beruflichen Zeitaufwand versteht. Viele Menschen streben nach möglichst vielen Höhepunkten - ich habe schon so viel erlebt, dass ich umzudenken begonnen habe. Erst gestern war ich wieder vier, fünf Stunden zu Hause, meine Kleine ist ins Wasser gesprungen, der Bub hat geschlafen, meiner Partnerin geht’s gut, meiner Mutter geht’s gut, ein aufgeweckter Golden Retriever rennt herum. Hey, was willst du mehr? Da kann ich nur danke sagen.

Wem? Dem lieben Gott?
Nein, den Genen, die ich mitbekommen habe. Wie viele Menschen sind besessen von Dingen, über die sie keine Kontrolle haben? Ich muss für den Zufall dankbar sein, der mich zu dem gemacht hat, der ich letztendlich bin.

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