GROSSE KOALITION IST FIX: SPÖ muss für Regierungs-Vereinbarung mit der ÖVP bluten!

ÖVP bekommt Schlüsselämter, SPÖ erbt Jet-Problem<br>Partei-Basis "fassungslos". Cap von Kritik "betroffen" <b>PLUS:</b> Frust über Uni-Gebühr: SPÖ-Zentrale belagert<br>Alle Infos zur Regierung und erste Pressestimmen!

GROSSE KOALITION IST FIX: SPÖ muss für Regierungs-Vereinbarung mit der ÖVP bluten!

Dafür müssen sich die Sozialdemokraten künftig mit den Eurofightern herumschlagen, fällt ihnen doch erstmals seit vielen Jahren wieder das Verteidigungsministerium zu. Der zukünftige Ressortchef - für diese Rolle wird der ehemalige Zivildiener Norbert Darabos gehandelt - hat von Gusenbauer den Auftrag erhalten, mit dem Eurofighter-Hersteller EADS in Verhandlungen zu treten, um eine Verbilligung des Deals zu erreichen. Im Koalitionsabkommen wird nur allgemein ein Bekenntnis zur Luftraumüberwachung verankert. Beide Parteichefs bezeichneten die Eurofighter-Frage weiter als "strittig".

Sozialdienste statt Studiengebühren
Den zweiten heiklen Punkt am Ende der Verhandlungen, die Studiengebühren, haben Rot und Schwarz mit einem Kompromiss gelöst. Die Beiträge bleiben bestehen, allerdings kann man sich durch Sozialdienste von 60 Stunden pro Semester von ihnen befreien. Zudem sollen die Stipendien und das Kreditmodell für eine spätere Zahlung der Gebühren ausgeweitet werden.

Wählen ab 16 kommt
Beim Wahlrecht kann die SPÖ als Erfolg verzeichnen, dass Wählen mit 16 Jahren kommt. Die ÖVP hat sich mit ihrem Wunsch nach der Briefwahl durchgesetzt. Völlig überraschend vereinbart wurde, dass die Legislaturperiode ab dem nächsten Urnengang statt wie bisher vier fünf Jahre beträgt. Keine Verständigung gab es auf eine Eingetragene Partnerschaft für homosexuelle Paare, die von der ÖVP abgelehnt wurde.

Mineralölsteuer wird erhöht
Belastungen für die Autofahrer werden durch die Erhöhung der Mineralölsteuer entstehen. Zusätzlich wird das Lkw-Roadpricing angehoben.

Steuerentlastung geplant
Der Budgetpfad sieht vor, dass das Defizit jedes Jahr geringer werden soll. 2010 sollen dann Überschüsse erzielt werden, die in Form einer Steuerentlastung an die Bevölkerung zurückgehen. Die Abgabenquote soll dann laut VP-Obmann Wolfgang Schüssel deutlich unter 40 Prozent gesunken sein.

"Regierung der neuen Mitte"
Der Noch-Kanzler zeigte sich mit der Verständigung zufrieden, werde doch vieles von der bisherigen Politik fortgeschrieben. Der Koalitionspakt sei ein Programm einer "Regierung der neuen Mitte". Gusenbauer, der den Kampf der Arbeitslosigkeit als wichtigstes Ziel nannte, zeigte sich voll Tatendrang für die erste SP-Kanzlerschaft nach sieben Jahren Pause: "Wir haben uns wirklich einiges vorgenommen."

20 Regierungsmitglieder
Dass die Zahl der Regierungsämter (14 Ministerien, 6 Staatssekretariate) entgegen seinen Ankündigungen nun sogar höher ist als bisher, begründete der SPÖ-Chef mathematisch: "19 ist schwer zu teilen, deshalb haben wir uns auf 20 geeinigt." Neben dem Kanzleramt fallen seiner Partei die Ministerien für Soziales, Infrastruktur, Verteidigung, Schulen, Frauen (im Kanzleramt) und Justiz zu, von der ÖVP werden die Ressorts Inneres, Finanzen, Wissenschaft, Gesundheit, Landwirtschaft/Umwelt, Wirtschaft und Äußeres besetzt. Dazu kommen noch je drei Staatssekretariate, eines der Volkspartei im Kanzleramt für Sport, eines für die SPÖ im Finanzministerium. Die anderen vier sind noch nicht einmal zugeteilt.

Schüssels Zukunft noch offen
Unklar war fürs Erste, wer die ganzen Posten übernimmt. Außer über Gusenbauer als Kanzler gab es fürs Erste keine Informationen. Auch Schüssel ließ seine Zukunft offen: Ob er in der Politik bleibe, werde er am Dienstag nach dem ÖVP-Vorstand bekannt geben, sagte der VP-Obmann. Gleiches gilt für Finanzminister Karl-Heinz Grasser (V). Ins Zentrum rücken dürfte Klubchef Wilhelm Molterer, der Vizekanzler und/oder Finanzminister werden könnte.

SPÖ-Basis von Verhandlungen entsetzt
Die SPÖ-Basis ist offensichtlich über den Abschluss der rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen entsetzt. "Die Parteimitglieder sind fassungslos", sagte der Industrielle und SPÖ-Vizekanzler der Ära Kreisky, Hannes Androsch, dem "Kurier". Androsch kann sich demnach "nicht vorstellen, dass der SPÖ-Vorstand dieser Verteilung zustimmt. Das ist ja eine ÖVP-Regierung mit einem SPÖ-Kanzler darunter."

Androsch berichtete "von vielen Austritten, etwa im Pensionistenverband, weil man diese Machtverteilung nicht akzeptieren will. Da macht man besser eine Minderheitsregierung oder bleibt in Opposition."

Unmut bei Gewerkschaftern
Das Ergebnis der Regierungsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP hat unter Gewerkschaftern wenig Begeisterung ausgelöst. Inhaltlich sei das Papier "vernünftig", sagte ein Spitzenfunktionär, der namentlich nicht genannt werden wollte. Viele Maßnahmen seien aber unter dem Aspekt ausverhandelt worden, dass die Arbeitsagenden vom Wirtschaftsressort ins Sozialministerium wandern. "Das passiert jetzt nicht", beklagte der Arbeitnehmervertreter.

Auch mit den Detailvereinbarungen über Grundeinkommen, Pensions- und Gesundheitsreform ist man in der Gewerkschaft wenig glücklich. Zwar beinhalte die Regierungsvereinbarung starke bildungs- und sozialpolitische Aspekte, und die Vereinbarungen gingen "auch nicht auf Kosten der Arbeitnehmerschaft", aber auch wenn die Ministerienvergabe nicht Sache der Gewerkschaft sei, so sei in der jetzigen Konstellation fraglich, ob die Gesundheitsreform finanziert werden könne. Auch bei der Pensionsreform seien "nur die grausamsten Spitzen" gestrichen worden. Auch das Grundeinkommen komme mit der schlichten Zusammenlegung von Notstands- und Sozialhilfe nun nicht in der ursprünglich angestrebten Form.

(apa/red)