Was die Zugeständnisse
der EU an Briten bedeuten

Cameron freut sich über "Sonderstatus" Großbritanniens - doch was bedeutet das?

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Fakten - Was die Zugeständnisse
der EU an Briten bedeuten

Vertiefung der Europäischen Union

Großbritannien soll nicht dazu verpflichtet werden, jeden Integrationsschritt in der EU mitmachen zu müssen. In dem Beschluss wird darauf hingewiesen, dass das Königreich bereits bei der Einführung des Euro und dem Beitritt zum Schengen-Raum nicht mitgemacht hat. Ein unterschiedliches Tempo sei auch bei den Integrationsschritten in der EU möglich. Bei einer künftigen Änderung der EU-Verträge soll das Recht Großbritanniens verankert werden, die Vertiefung nicht mitmachen zu müssen.

Nationale Parlamente sollen ein stärkeres Mitspracherecht haben und EU-Gesetze kassieren oder Änderungen verlangen können, wenn sie insgesamt mehr als 55 Prozent der für die Parlamente vorgesehenen Stimmen repräsentieren.

Sozialleistungen

Zugeständnisse hat Cameron den 27 anderen EU-Staaten bei Sozialleistungen für EU-Ausländer abgerungen. So darf Großbritannien neu einreisenden EU-Ausländern maximal sieben Jahre lang Sozialleistungen verweigern. Voraussetzung dafür soll eine sogenannte Notbremse sein, in der eine Überlastung des Sozialsystems eines EU-Staates festgestellt wird. Ein einzelner EU-Bürger darf nur bis zu vier Jahre von Leistungen ausgeschlossen werden. Im Fall Großbritanniens hat die EU-Kommission bereits signalisiert, dass die Ausnahmesituation besteht. Über die Regelung müssen nach einem Kommissionsvorschlag auch noch EU-Parlament und EU-Staaten entscheiden.

Zudem sollen Zahlungen von Kindergeld an die wirtschaftliche Situation im EU-Ausland gekoppelt werden, womit sich Cameron gegen den Widerstand osteuropäischer Staaten durchsetzte. Ab 2020 sollen dann auch die bereits in anderen EU-Staaten lebenden Unions-Bürger davon betroffen sein. Die britische Regierung hatte moniert, dass Osteuropäer die Leistungen an ihre in der Heimat lebenden Kinder überweisen, obwohl dort die Lebenshaltungskosten geringer sind als im Vereinigten Königreich.

Euro-Zone

Die Bankenaufsicht in der Euro-Zone soll keinen Beschränkungen durch die Sonderregelungen für Großbritannien unterliegen. Auch künftige Maßnahmen zur Finanzmarktregulierung sollen davon nicht betroffen sein. Wettbewerbsverzerrungen zugunsten des britischen Bankensektors sollen ausgeschlossen werden. Umgekehrt erhält Großbritannien das Recht, seine Banken und den heimischen Finanzmarkt selbst zu überwachen.

Wettbewerb

Anders als die anderen drei Bereiche gab es um das Thema Wettbewerb in den Verhandlungen kaum Streit. Die britische Regierung, die in ihrer Heimat mit einer liberalen Wirtschaftspolitik und niedrigen Arbeitslosenzahlen punktet, fordert mehr Anstrengungen auf EU-Ebene. In dem Beschluss wird nun betont, dass der Binnenmarkt gestärkt und Reformen begonnen werden müssen. Auch ein Abbau von Bürokratie wird in dem Dokument gefordert. Die hohen EU-Standards für Beschäftigte, Verbraucher sowie im Bereich von Gesundheit und Umweltschutz sollen aber bewahrt werden.


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EU-Referendum in Großbritannien am 23. Juni

Die Briten sollen in vier Monaten über einen Verbleib ihres Landes in der Europäischen Union abstimmen. Er werde dem Parlament den 23. Juni als Termin vorschlagen, kündigte Premierminister David Cameron am Samstag nach einer Kabinettssitzung an. Nach seinen Worten billigte das Kabinett das Ziel, Großbritanniens Mitgliedschaft in einer reformierten EU aufrecht zu erhalten.

In Brüssel hatte sich Cameron mit den übrigen Staats- und Regierungschefs der EU auf ein Reformpaket geeinigt. Aus seiner Sicht sind damit die Voraussetzungen für einen Verzicht auf einen EU-Austritt gegeben.

Cameron sagte am Samstag nach der Kabinettssondersitzung in London, er werde für den Verbleib in der Gemeinschaft werben. Ein Austritt wäre ein "Schritt ins Dunkle", warnte er. Der konservative Regierungschef sprach von einer der "wichtigsten Entscheidungen unserer Generation". Das Thema ist auch innerhalb der Regierung umstritten. Mehrere Minister dürften Camerons Kampagne für einen Verbleib nicht folgen.

Umfragen zufolge scheint der Ausgang des Votums ungewiss. Ursprünglich hatte Cameron das Referendum bis spätestens Ende 2017 angekündigt. Großbritannien gehört der Gemeinschaft seit 1973 an - damals handelte es sich noch um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). 1975 entschieden sich die Briten in einem Referendum mit rund 67 Prozent für den Verbleib.

Kurz pocht auf Anpassungen bei Familienbeihilfe

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) fordert angesichts der jüngsten Ergebnisse des EU-Gipfels auch in Österreich Anpassungen der Familienbeihilfe für EU-Ausländer. Auch sollten Ausländer für eine bestimmte Dauer keine Sozialhilfeleistungen wie die Mindestsicherung bekommen, bekräftigte Kurz.

Bereits im Sommer hatte Kurz seine Forderungen nach einer Anpassung der Familienbeihilfe auf das Niveau des Heimatlandes der Kinder sowie den temporären Ausschluss von ausländischen Arbeitnehmern von Sozialhilfeleistungen erhoben. Dementsprechend erfreut zeigte er sich am Samstag über die Ergebnisse des EU-Gipfels. Beides sei nun unter gewissen Voraussetzungen auch hierzulande möglich, und der Minister bleibe dabei, "dass wir das auch in Österreich umsetzen sollten", betonte sein Sprecher. Das Thema soll nun in der Regierung besprochen werden.

Österreich hat im Vorjahr 223 Mio. Euro Familienbeihilfe an im EU-Ausland lebende Kinder ausbezahlt, deren Eltern hierzulande arbeiten. 2013 waren es 207 Mio. Euro. Das geht aus einer Anfragebeantwortung des Finanzministeriums vom Herbst vergangenen Jahres hervor. Häufigstes Wohnsitzland der Kinder war Ungarn mit 7.744 Beziehern und ausbezahlten 72 Mio. Euro, dahinter folgten Kinder in der Slowakei, Polen, Deutschland, Slowenien und Tschechien.

FPÖ-Generalsekretär und Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky, sieht in einer "Kürzung bzw. überhaupt Streichung von Sozialleistungen für EU-Einwanderer ein geeignetes Instrument, Glücksritter und Wirtschaftsflüchtlinge von Österreich fernzuhalten". Er forderte in einer Aussendung angesichts der österreichischen "Hauptlast der Migrationsströme" einen "saftigen rot-weiß-rot-Rabatt sowie auch andere Besserstellungen für unser Land". Andernfalls will er ein Referendum über den Austritt Österreichs aus der EU, "quasi den Öxit", andenken.

Kritik an der Koppelung der Familien-Zahlungen an die Lebenshaltungskosten im Ausland kommt von den Neos: "Immerhin zahlen EU-Ausländer in Großbritannien ihre Steuern und Beiträge und nicht in ihrem Herkunftsland", betonte EU-Abgeordnete Angelika Mlinar. "In Großbritannien arbeitenden und zahlenden EU-Ausländern für vier Jahre Sozialleistungen zu versagen, verstößt in unzulässiger Weise gegen das Diskriminierungsverbot, einem zentralen Grundpfeiler der europäischen Rechtsordnung." Großbritannien entferne sich weiter von einem vereinten Europa, meinte Neos-Europasprecher Rainer Hable.

Stöger verweist auf Arbeitsgruppe zu Familienbeihilfe

Die SPÖ verschließt sich nicht von vornherein einer Anpassung der Familienbeihilfe für EU-Ausländer. Ein Sprecher von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) verwies auf APA-Anfrage am Samstag auf eine Arbeitsgruppe der zuständigen Ministerien, die bereits seit einigen Wochen Möglichkeiten der Einschränkungen der Familienbeihilfe diskutiere.

Ebenso wie beim beauftragten Gutachten zu rechtlichen Möglichkeiten, bei der Mindestsicherung zwischen Österreichern und anderen zu differenzieren, werden auch Ergebnisse zur Familienbeihilfe im März erwartet, sagte der Sprecher auf Nachfrage.

Tschechien befürchtet Dominoeffekt

Zu Recht befürchtet Tschechien, dass andere EU-Länder dem Beispiel Großbritanniens folgen und Sozialleistungen wie das Kindergeld für EU-Ausländer kürzen könnten. "Die Summe der Kindergeldzahlungen aus Großbritannien ist bei uns relativ gering, aber bei Deutschland oder Österreich liegen die Zahlen deutlich höher", sagte Ministerpräsident Bohuslav Sobotka am Samstag dem tschechischen Fernsehen CT.

Auch deshalb habe Tschechien bei den Verhandlungen über das beschlossene Reformpaket für Großbritannien auf lange Übergangsfristen gedrungen, erklärte der Sozialdemokrat.

Zugleich dämpfte Sobotka die Erwartungen nach dem Gipfel. "Dass wir nun ein Abkommen erreicht haben, garantiert noch nicht, dass Großbritannien in der EU bleibt", schränkte er ein. Er warnte vor den negativen Folgen eines Austritts des Königreichs für die Sicherheit und Stabilität in Europa. Kurz nach der Einigung hatte Sobotka auf Twitter geschrieben: "Europa hat einen großen Willen gezeigt, als starke Gemeinschaft weiterzufunktionieren. Vielleicht wird dieser Wille ja bei der Lösung anderer Probleme anhalten."

Kommentare

christian95 melden

Diese EU ist eine wirtschaftliche und finanzielle Fehlkonstruktion!
Bisher bekam das hochverschuldete Griechenland 600 um die Mrd. ohne dass sich etwas geändert hat. Mit dem EU Beitritt werden ärmere Länder von jenen Ländern die bisher wirtschaftlich erfolgreicher waren subventioniert. Mit dem Ergebnis: Nun steigen auch die Arbeitslosen in den ehemalig erfolgreichen Ländern, auch dort bricht

christian95 melden

... nun die Wirtschaft ein.


Was hat jemals Faymann aus Brüssel mitgebracht? (Außer dass wir höhere Beiträge zahlen müssen)

christian95 melden

... Auf allen Ebenen waren die Preise noch nie so hoch. Immer weniger Menschen können sich das leisten. Die Reichen werden immer reicher.

christian95 melden

Nur so eine Überlegung:
Warum verlangt Österreich nicht auch einen Ausgleich für die vielen Arbeitskräfte aus der östlichen EU die derzeit unseren Arbeitsmarkt überschwemmen???

christian95 melden

Weder Faymann noch Mitterlehner, sondern der junge Minister Kurz will solche Ausnahmen auch für Österreich. Schade, dass es nicht mehr solche Minister gibt!

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