Massaker in Aleppo

Schwere Luftangriffe mit bunkerbrechenden Bomben machen Aleppo Erdboden gleich

"Barberei", "Kriegsverbrechen", "Syriens Guernica", "Massaker" war in den letzten Tagen nach den Angriffen von Kampfjets mit bunkerbrechenden Bomben und Raketen auf die syrische Stadt zu hören. 230 Todesopfer sind seit den Angriffen mit Unterstützung iranischer und russischer Verbände zu beklagen. Die Hälfte davon Kinder.

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    Dieser Mann weint um seinen Neffen, den er im Gebiet von al-Muasalat nach den Luftangriffen tot aus den Trümmern bergen musste.

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    Gebiet von al-Qaterji

Aleppo gehört zu den umkämpftesten Gebieten des Bürgerkriegs. Anhänger der Regierung beherrschen den Westen der Stadt, Rebellen den Osten. Dieser Teil Aleppos ist seit Wochen von der Außenwelt abgeschnitten. Wie die Unicef berichtet sind unter den eingeschlossenen Menschen 100.000 Kinder.

Westliche Regierungen und Russland hatten sich gegenseitig für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht. Bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am Sonntag warf Frankreichs UN-Botschafter Francois Delattre der Regierung in Moskau vor, mit ihrer Unterstützung des Regimes von Präsident Bashar al-Assad die Bemühungen um eine Waffenruhe zu unterlaufen. Sein russischer Kollege Witali Tschurkin wies das zurück. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von "Kriegsverbrechen", die in Aleppo verübt würden.

Berlin fordert ein Ende der "Barberei"

"Was Russland fördert und unterstützt, ist nicht Terrorbekämpfung, es ist Barbarei", sagte die US-Botschafterin bei der UNO, Samantha Power. Statt nach Frieden zu streben, führten "Russland und Assad" Krieg.

Der Sprecher der deutschen Bundesregierung, Steffen Seibert, sagte, Deutschland erwarte von Russland mit Blick auf eine Einstellung der Kampfhandlungen endlich Bewegung. "Worte allein helfen den Menschen in Aleppo nicht", erklärte er in Berlin. Moskau sei angesichts seiner substanziellen militärischen Unterstützung für Damaskus in der Verantwortung. Das "barbarische Vorgehen" des Regimes stelle eine eklatante Verletzung des Völkerrechts dar, sagte Seibert.

»Gewaltige Feuerbälle erleuchten die Dunkelheit«

Der UN-Sonderbeauftragte für den Syrienkonflikt, Staffan de Mistura, schilderte in bewegenden Worten die Lage in dem von ständigen Luftangriffen heimgesuchten Ostteil. "Wir haben Berichte, Videos und Bilder von gemeldeten Brandbombeneinsätzen gesehen, die so gewaltige Feuerbälle erzeugen, dass sie die pechschwarze Dunkelheit in Ost-Aleppo erleuchten, als ob es Tag wäre", hieß es in dem Bericht von de Mistura an den UN-Sicherheitsrat in New York.

Die genaue Anzahl der Luftangriffe könne man nicht ermitteln, schreibt er weiter. "Wir hörten die Worte "nie da gewesen", sowohl bei der Anzahl als auch dem Umfang und Typ der Bombenangriffe", so der Vermittler. Von bunkerbrechenden Bomben sei die Rede, es gebe Bilder von Erdkratern, die viel größer als bei früheren Bombenangriffen seien. "Zivilisten überall in der Stadt müssen sich fragen, wo auf Erden sie in dieser gequälten Stadt noch sicher sein können."

Krankenhäuser in Aleppo berichten starken Anstieg von Verletzten

Ärzte ohne Grenzen verurteilt die rücksichtslosen und verheerenden Bombardierungen von zivilen Gebieten in der belagerten Stadt Aleppo. Von der Organisation unterstützte Krankenhäuser in Ost-Aleppo haben nach den willkürlichen Angriffen einen deutlichen Anstieg von verwundeten Patienten und Patientinnen gemeldet. In nur zwei Tagen wurden 145 Verletzte eingeliefert und 23 Todesfälle registriert. Ärzte ohne Grenzen ist äußerst besorgt über die Konsequenzen der Bombenangriffe für die Zivilbevölkerung der Stadt, die durch die Belagerung ohnehin schon besonders verletzlich ist.

Keine medizinischen Lieferungen

„Die Menschen in Aleppo, die schon unter den Auswirkungen der Belagerung leiden, sind jetzt erneut furchtbaren Angriffen ausgesetzt“, sagt Carlos Fransisco, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen für Syrien. „Keine Hilfe - auch keine dringend benötigten medizinischen Lieferungen - wird durchgelassen. Wir machen uns große Sorgen um die hohe Zahl von verwundeten Patienten, von denen uns die Krankenhäuser berichten. Wir wissen auch, dass Kranke und Verwundete in vielen Gebieten keinen Ort haben, an dem sie Hilfe erhalten können. Sie werden einfach dem Tod überlassen.“

Die Welt schaut ohnmächtig zu

Seit im Juli die Belagerung begann, werden die Bewohner im Osten Aleppos sich selbst überlassen. „Die Welt hat bei der Belagerung Aleppos zugesehen und nichts getan, mitangesehen wie Zivilisten gefangen sind und getötet werden. Der syrische Konflikt zeigt auf erschütternde Weise beispielhaft sämtliche Gräueltaten, die in einem Konfliktgebiet begangen werden können. Er stellt eine furchtbare Realität dar, in der die Regeln des Krieges nicht mehr gelten. Zivilisten und Infrastruktur werden angegriffen, am Beispiel der unbarmherzigen Angriffe auf medizinische Einrichtungen ist das zu sehen.“

Ärzte ohne Grenzen unterstützt acht Krankenhäuser im Stadtgebiet von Aleppo. Die Organisation betreibt sechs medizinische Einrichtungen im Norden Syriens und unterstützt mehr als 150 Gesundheitszentren und Krankenhäuser im gesamten Land, viele von ihnen in belagerten Gebieten.

Am Jahrestag des fatalen Bombardements in Kundus mit 42 Toten, laden Ärzte ohne Grenzen und die Wiener Ärztekammer zur Diskussion über die Zukunft der medizinischen Hilfe in Konflikten, am 3.Oktober 19.00, in das Billrothhaus ein. Alle Infos hier.

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