Selbstgeschrieben - mit Ghostwriter

Immer mehr Promis und Experten greifen auf Ghostwriter zurück

Profisportler tun es, Schauspieler genauso, und auch weniger prominente Personen lassen immer häufiger für sich schreiben. Sie engagieren einen Ghostwriter, um ihre Biografie oder ein Buch über ihre Profession veröffentlichen zu können. News hat mit einer Ghostwriterin über diese Art Bücher zu schreiben geredet.

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Pamela Obermaier © Bild: Christian Rudolf www.rudolf-photo.com

Auf Kira Grünbergs Biografie "Mein Sprung in ein neues Leben" liest man unter ihrem groß abgedruckten Namen – um einiges kleiner, aber doch – den von Manfred Behr. Hier wird kein Geheimnis daraus gemacht, dass die ehemalige Stabhochspringerin ihr Werk nicht selbst oder zumindest nicht allein und ohne fremde Hilfe verfasst hat, sondern sich einen Schreibexperten, nämlich einen Journalisten, ins Boot geholt hat, um gut ein Jahr nach ihrem tragischen Trainingsunfall, der eine Lähmung vom Hals abwärts zur Folge hatte, ein Buch über ihre Karriere, die alles verändernde Katastrophe und ihren beeindruckenden Umgang mit einer völlig neuen Lebenssituation präsentieren zu können. Die junge Frau hat also nicht nur zu akzeptieren gelernt, dass sie im täglichen Leben Hilfe braucht, sondern nimmt sie auch in ihrer Funktion als Autorin an. "Warum auch nicht? Was sollte dagegen sprechen?", stellt Pamela Obermaier, selbst Ghostwriterin, als rhetorische Frage in den Raum.

Wir haben die in der Nähe von Wien lebende Salzburger Bestsellerautorin, die neben dem Verfassen von Büchern für andere auch als Texterin, Lektorin und Verlegerin tätig ist, zum Interview über diesen Berufsstand gebeten.

Was ist ein Ghostwriter?
Es schreibt natürlich kein Geist, wenn auch der Geist eines Schriftstellers im Sinne seines Verstandes viel dazu beiträgt, ob das Geschriebene auch wirklich lesenswert wird. Es handelt sich bei einem Ghostwriter sozusagen um einen Auftragsschreiber, also um einen Autor, der im Namen eines anderen ein Manuskript verfasst. Ghostwriter arbeiten entweder im Auftrag eines Verlags (wenn der etwa das Leben eines Prominenten in Buchform verlegen möchte, aber der Betreffende selbst keine Zeit hat, seine Geschichte selbst niederzuschreiben, oder wenn er von sich weiß, dass ihm das Talent zum Schreiben fehlt) oder eines "Autors" selbst (wenn er entweder bereits einen Buchvertrag hat oder sein Herzensprojekt als Self Publisher zu publizieren gedenkt) , oder im Auftrag einer Agentur, die zwischen Autor und Verlag vermittelt. Meistens scheint der Ghostwriter nirgends namentlich auf – weder auf dem Cover des betreffenden Buches noch in der Titelei, also etwa im Impressum oder auf dem sogenannten Schmutztitel. Ist der Ghostwriter aber ein bekannter Journalist oder ein erfolgreicher Autor, wird er gern angeführt, denn dann wertet seine Erwähnung das Buch auf, wovon wiederum der Auftrag gebende „Autor“ und/oder der Verlag profitieren. Eine weitere Möglichkeit ist die Nennung beider Personen als Co-Autoren oder aber die Formulierung "mit" oder "unter der Mitarbeit von".

Ist es nicht unfair und unethisch, so zu tun, als könne man schreiben und aber in Wahrheit einen Ghostwriter fürs offiziell eigene Buch zu engagieren?
Nein, aus meiner Sicht ist es das ganz und gar nicht. Es ist im Gegenteil sogar klug. Das Manuskript von jemandem, der ein wirklich gutes Ghostwriting machen lässt, wird wesentlich besser aussehen als das von jemandem, der von sich denkt, es würde schon reichen, "wenn man in der Schule ganz gute Aufsätze geschrieben hat", um ein vorzeig- und verlegbares Buch zu produzieren. Zu wissen, was man kann und was man nicht kann – oder auch, wofür man genug Zeit und Leidenschaft aufbringen wird können – halte ich für eine erfolgsbringende Fähigkeit. Im Idealfall kommen dann nämlich zwei Personen zusammen, von denen die eine die Expertise, das Wissen, die Erfahrung oder einfach die Lebensgeschichte mitbringt und die andere das Handwerk des Schreibens. Die Sache ist nun mal die: Nicht jede interessante Persönlichkeit, die etwas Spannendes weiterzugeben oder auch nur zu erzählen hat, ist auch ein guter Schriftsteller. Selbst Menschen, die hervorragende mündliche Erzähler sind, können diese Begabung nicht unbedingt verschriftlichen. Es wäre doch aber schade, wenn wir auf diverse Lektüren verzichten müssten, nur weil der Urheber des Inhalts kein Schreibtalent in die Wiege gelegt bekommen hat. Da hätten wir sicherlich schon vieles am Büchermarkt verpasst!

Wer kann Ghostwriter werden, was benötigt man dazu?
Gemeinhin würde man jetzt vielleicht denken, es reiche, eine gute Schreibe zu haben, aber es geht um wesentlich mehr: Um ein exzellentes Ghostwriting abzuliefern, ist es außerdem wichtig, zu wissen, wie ein Buch von seiner Struktur und seinem Aufbau her am besten funktioniert und wie man den Leser idealerweise abholt, damit er berührt und/oder unterhalten wird. Dieser Beruf ist deshalb sicher am geeignetsten für Menschen, die gute Journalisten, Lektoren oder Autoren/Schriftsteller sind: Ein Journalist weiß, wie eine Geschichte funktioniert und Lektoren müssen mit Sprache und Texten unterm Strich sogar besser umgehen können als Autoren, denn sie sind es, die dem Manuskript auf vielen Ebenen den Feinschliff geben. Wer ein Manuskript lektoriert, greift also auch schon in den Text ein, verbessert und korrigiert ihn, sodass die Leser eines Buches in Wahrheit gar nicht wissen, wie gut der offizielle Autor schreiben kann. Das ist demnach schon eine Art Vorstufe vom Ghostwriten, die allerdings nicht so kritisch hinterfragt wird, weil wir sie irgendwie alle gewöhnt sind. Abgesehen davon ist es von Bedeutung, sich in den Auftraggeber bestmöglich einzufühlen zu können. Und da geht es nicht nur um klassische Empathie, also dass man mitfühlen oder verstehen kann, sondern auch darum, in der Sprache des jeweiligen Auftrag gebenden Autors zu schreiben. Das Buch soll ja nicht nach dem Schreibenden klingen, sondern nach dem, der dafür bezahlt, dass es wie sein eigenes wirkt.

Sie nennen den Auftraggeber auch "Autor", obwohl er selbst gar nicht schreibt?
Wenn man den Begriff des „Autors“ genau nimmt, kann es sich ja auch um den geistigen Urheber eines Werkes handeln und nicht nur um den Verfasser, also den Schriftsteller. Beide zählen zu den Autoren, also unterscheide ich nur zwischen dem inhaltgebenden und dem ausführenden Autor, wenn Auftraggeber und Ghostwriter gemeinsam an einem Projekt arbeiten.

Werden Sie bei Ihren Ghostwriting-Projekten als Autorin genannt?
Normalerweise nicht, wobei es nicht immer die Entscheidung des Klienten ist, das nicht zu tun – es gibt auch Projekte, bei denen ich aus unterschiedlichen Gründen nicht genannt werden möchte. Anders war es heuer im Frühjahr: Da ist erstmals ein Buch erschienen, auf dem mein Name sogar gleichwertig mit dem des Auftraggebers zu sehen ist: "Die Entdeckung der Entschleunigung" von Herbert Pichler (und mir). Der Salzburger Unternehmer wollte seine ganz spezielle mehrmonatige Reise mit einem Traktor von Salzburg bis ans Nordkap verewigt wissen. Daraus hat sich eine wirklich schöne Zusammenarbeit auf freundschaftlicher Basis entwickelt und da er am Ende so glücklich über das Ergebnis war, weil ich seine Empfindungen und Gedanken so treffsicher wiedergegeben hatte und es mir gelungen war, als Schriftstellerin in seine Rolle zu schlüpfen und seine Erlebnisse durch seine Augen und mit seiner Sprache zu erzählen, wollte er, dass ich als Co-Autorin mit am Cover stehe. Das hat mich in diesem Fall unheimlich gefreut und gerührt, und ich habe es als auch für mich stimmig empfunden. Aktuell schreibe ich an einer heftigen, stark emotionalen Biografie, in der es vorwiegend um eine außergewöhnlich schwierige Kindheit geht – da wird sich erst zeigen, ob es für uns beide passend wäre, wenn ich als offizielle Ghostwriterin auftrete.

Wie werden Ghostwriter bezahlt?
Das ist von Ghostwriter zu Ghostwriter und sogar von Projekt zu Projekt verschieden. Meistens – gerade wenn der Auftrag von einem Verlag kommt – wird das Honorar als Pauschale vereinbart, manche Kunden zahlen lieber pro Arbeitsstunde oder pro Seite, und manchmal kommt es vor, dass man einfach nur am Gewinn beteiligt ist, also einen gewissen Prozentsatz pro verkauftem Buch erhält, als wäre man eben ein "normaler" Autor.

Ist Ghostwriting eine neue Art, Bücher zu schreiben?
Wenn man so will, dann wurde bereits das älteste bedeutende Werk der Weltliteratur von Ghostwritern verfasst: Moses war doch in Wahrheit nichts anderes als der Ghostwriter Gottes. Er fungierte der Überlieferung nach als Sprachrohr seines Herrn, indem er dessen Botschaft an die Menschen – die zehn Gebote – auf die uns allen bekannten Tafeln geschrieben hat. War deshalb der Inhalt dieser eine ganze Religion begründenden Worte weniger wert, nur weil sie nicht von Gott selbst geschrieben worden sind?

Sie sind eigentlich eine selbstschreibende Autorin und arbeiten auch als Ghostwriterin, Lektorin und Verlegerin. All diese Tätigkeiten haben mit Büchern zu tun, aber worin besteht für Sie der jeweilige Unterschied?
Ich liebe Bücher, seit ich denken kann, und es gibt viele interessante und unterschiedliche Möglichkeiten, an ihrer Entstehung mitzuwirken. Lassen Sie es mich anhand eines Bildes zu erklären versuchen: Als Lektorin fühle ich mich wie eine Geburtshelferin, eine Hebamme, die dafür sorgt, dass das Kind gesund das Licht der Welt erblickt. Als Ghostwriterin hingegen stelle ich mich sozusagen als Leihmutter zur Verfügung: Die Gene kommen von jemand anders, aber ich borge alles sonst Notwendige her, was daraus ein Kind – also natürlich in meinem Fall ein Buch – entstehen lässt. Als Verlegerin bin ich Ehemann, Herkunftsfamilie und Arzt für ein Baby: Ich mache es möglich, dass ein Buch erscheint, gesehen, gekauft und gelesen wird. Natürlich ist es ein ganz besonderes Gefühl, sein eigenes Kind zur Welt zu bringen, um in diesem Bild zu bleiben – also sind es vermutlich nachvollziehbarerweise meine eigenen Bücher, über die ich besonders glücklich oder auf die ich besonders stolz bin.

Pamela Obermaier
© Juergen Hammerschmid

Pamela Obermaier ist Autorin, Ghostwriterin, Texterin und Moderatorin - www.textsicher.at. Ihr Buch "Gewinner grübeln nicht" ist Anfang Oktober 2016 erschienen.

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