Herzstück Lunge

Vor genau 20 Jahren musste sich ein amtierendes Staatsoberhaupt für längere Zeit ins AKH begeben

von Peter Pelinka © Bild: NEWS

Ein kurzes Taumeln Hillary Clintons beim 9/11-Gedenken in New York, von einem Beobachter per Handy gefilmt und ins Netz gestellt, hat den US-Präsidentenwahlkampf gedreht, nun hat Großmaul Donald Trump wieder (geringe) Chancen. Weil das Team der Demokratin erst danach bekannt gab, die Kandidatin leide seit kurzer Zeit an einer Lungenentzündung. Auch für Österreichs Spitzenpolitik ist das ein aktuelles Thema: Der bereits gewählte, aber weiter in der Warteschleife hängende Präsidentschaftskandidat Van der Bellen ließ sich eben von seinem Arzt Christoph Zielinski, international renommierter Spezialist am Wiener AKH, entgegen anonym verbreiteten Gerüchten attestieren, er leide nicht nur nicht an Krebs, sondern sei auch sonst „super beinand“. Der Vielraucher habe auch eine „wunderbare Lunge“.

Vor genau 20 Jahren musste sich ein amtierendes Staatsoberhaupt für längere Zeit ins AKH begeben. Thomas Klestil hatte sich während eines Staatsbesuchs in der Türkei eine atypische Lungenentzündung zugezogen, Teil einer Autoimmunerkrankung. Am 23.9.1996 wurde bekannt, dass er dort bereits seit einer Woche behandelt wurde; bis 1.11. führte er vom Spital aus seine Amtsgeschäfte.

Verleger Kurt Falk ließ in „täglich Alles“ über eine Aids-Erkrankung spekulieren (und zahlte später dafür freiwillig eine Million Schilling). Am 15.11. kam Klestil aufgrund einer Lungenembolie wieder ins AKH und wurde kurz in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt; der damalige Kanzler Vranitzky übernahm seine Amtsgeschäfte. Ein Treffen der beiden danach zeigte ein schwer leidendes Staatsoberhaupt, News-Herausgeber Worm schrieb damals eine Titelgeschichte: „Klestil: Die Wahrheit. Der Ärzteskandal. Die Lebensgefahr. Die Chancen“. Eine Spezialuntersuchung hatte eine gefährliche Verringerung der Lungendurchblutung gezeigt. Wegen eines ähnlichen Leidens trat 2011 übrigens Vizekanzler Josef Pröll zurück.

Klestil erholte sich, versuchte 2000 vergeblich, Schwarz-Blau zu verhindern. Am 5.7.2004, drei Tage vor Ende seiner Amtszeit, erlitt er zwei Herzinfarkte, auch Folge seiner Lungenleiden. Tags darauf starb er im AKH. Am 8.7. fand die Angelobung seines zu seiner Freude gewählten Nachfolgers statt: Heinz Fischer.

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