Generation Grillitsch

Der 20-jährige Werder-Bremen-Kicker ist Österreichs jüngste Fußballhoffnung

von Florian Grillitsch © Bild: Sebastian Reich

Florian Grillitsch hat die schwarze Air-Jordan-Kappe tief in die Stirn gezogen und kneift die Augen zusammen. Von der hoch stehenden Sonne lässt er sich gerne blenden, vom eigenen Erfolg nicht. "Wann ich es endgültig geschafft habe? Nie."

Erst wenn man Weltmeister sei und überdies die Champions League gewonnen habe, könne man sagen: "Ich habe es geschafft." Doch das komme ja selbst in schillernden Kickerkarrieren eher selten vor.

Dabei hat es Florian Grillitsch für seine 20 Jahre schon ziemlich weit gebracht. Vor drei Jahren pendelte er noch zwischen seinem Heimatort Grafenbach bei Neunkirchen und dem Fußballinternat St. Pölten hin und her. Montags, ganz in der Früh, 125 Kilometer hin, freitags, am späten Nachmittag, 125 Kilometer zurück. Mit dem Papa als ehrenamtlichem Chauffeur. Und 20 Euro Taschengeld pro Woche. Nicht zum Vertrantscheln, sondern nur für alle Fälle.

Doch auch wenn für gewöhnlich weder in Grafenbach noch in St. Pölten internationale Talentscouts auf der Lauer liegen, schaffte es der junge Pendler, aus seiner Route auszuscheren -und wie! Heute ist Florian Grillitsch im Mittelfeld des deutschen Bundesligisten SV Werder Bremen Stammspieler und darf -für einen Sportler seiner Jugend ein seltenes Privileg - bereits einen Gutteil der Eckbälle und Freistöße treten. Dutzende Tore hat er in der deutschen Liga schon vorbereitet, beim Auswärtssieg im Cup-Viertelfinale gegen Bayer Leverkusen, das Werder mit drei zu eins gewann, auch selbst bereits einmal getroffen.

"Durchstarter und Hoffnungsträger", schwärmt die "Bild"-Zeitung, die mit den ballesternden "Ösi-Dösis" für gewöhnlich weit weniger wohlwollend umspringt. Und auch der österreichische Teamchef Marcel Koller wurde schon auf den hageren, 187 Zentimeter langen Youngster aufmerksam: Für die freundschaftlichen Länderspiele gegen Albanien und die Türkei stand Grillitsch zum ersten Mal auf Abruf im Teamkader. Und die bevorstehende EM? "Bei mir wäre er im Kader", redet Ex-Nationaltrainer Josef Hickersberger dem in Personalfragen zumindest öffentlich eher zurückhaltenden Amtsinhaber ins Gewissen.

Der Anti-Arnautovic

Der, um den es da geht, nimmt den Hype um seine Person indes fast schon devot zur Kenntnis. Immer höflich, immer zuvorkommend -wenn die Kids, die eben noch Zaungäste des Werder-Trainings waren, schüchtern um Autogramme anstehen, wirkt Florian Grillitsch beinahe wie einer von ihnen. Nur viel größer und etwas bärtiger. "Ich schätze, was ich habe", sagt er. "Bodenständigkeit ist eine meiner größten Stärken."

Grillitsch spricht ruhig, fast flüsternd, und überlegt sich jeden Satz wie einen präzisen Pass. Er ist keines jener typisch österreichischen Talente, die ihren aufkeimenden Erfolg immer wieder durch selbstverliebte Verbal-Dribblings gefährden und deren Lebensstil mittelfristig am Trainingseifer nagt. Kurzum, Florian Grillitsch aus Grafenbach ist so etwas wie Österreichs Anti-Arnautović. Und Galionsfigur einer neuen Fußballergeneration, die nicht dank, sondern trotz des österreichischen Profifußballs und seines mediokren Umfelds den internationalen Durchbruch schafft.

Spieler wie Grillitsch wurden fußballerisch nicht durch die rührigen Hansis, Schneckerls und Schokos sozialisiert, sondern durch die virtuellen Superstars aus der Playstation. "Früher, beim Computerspielen, war Werder Bremen mit Mesut Özil und Claudio Pizarro mein Team", erzählt Grillitsch. "Richtiger Fan eines österreichischen Vereins bin ich eigentlich nie gewesen." Schon als Kind habe er lieber die deutsche "Sportschau" gesehen, Spiele der österreichischen Bundesliga indes kaum.

Wie Philipp Lienhart, der mit seinen 19 Jahren im Nachwuchs von Real Madrid kickt und es bereits auf ein paar Kurzeinsätze in der ersten Mannschaft mit Ronaldo und Benzema brachte, oder Marco Friedl, das 18-jährige Bayern-München-Talent, das mit den großen Stars wie Robben oder Ribéry immerhin schon mit aufs Wintertrainingslager durfte, wechselte auch Grillitsch noch als halbes Kind ins Ausland: Er war gerade 17, als ihn die Werder-Scouts bei der U19-EM beobachteten und engagierten.

"In Bremen wurde mir eine langfristige Entwicklungsmöglichkeit geboten, die hatten dort einen klaren Plan, wie ich zum Bundesligaspieler aufgebaut werden sollte."

Karriere am Reißbrett

Raschestmöglicher sozialer Aufstieg durch Fußball, möglichst schnell viel Kohle kassieren und dann ein beschauliches Dasein in der Austro-Liga fristen -so war das früher. Kicker der Generation Grillitsch kommen aus gutbürgerlichem Elternhaus, ihre Karrieren werden präzise geplant. "Wir haben rational überlegt, was für Florian langfristig das Beste ist", sagt Vater Michael, ein Bankangestellter. "Und da man als Fußballer nur bis 21 entscheidend lernfähig ist, haben wir uns für Deutschland und gegen Österreich entschieden."

Und das, obwohl Florian Grillitsch in Österreich seinen ersten Profivertrag mit 17 Jahren bekommen hätte. Nicht irgendwo, sondern bei Red Bull Salzburg, dem mit Abstand betuchtesten Klub der Liga. "Wenn ich auf das schnelle Geld aus gewesen wäre, hätte ich das wohl auch gemacht", blickt Grillitsch auf den wichtigsten Spielzug seiner bisherigen Laufbahn zurück. "Doch wenn ich dort nicht entsprochen hätte, wäre ich ganz einfach durch einen anderen ersetzt worden." Und die junge Kickerkarriere hätte an mittelprächtigen Adressen wie etwa jener der Spielvereinigung Ried, des Sportclubs Rheindorf Altach oder des Wolfsberger Athletik Clubs ihre planmäßige Fortsetzung gefunden.

Doch der Teenager lehnte, bestärkt durch Vater Michael und Spielerberater Thomas Böhm, den Profikontrakt in Österreich ab und unterschrieb stattdessen als Amateur für Bremen. Mittlerweile ist er auch dort mit einem stattlich dotierten Profivertrag ausgestattet. Immerhin hatte im Vorjahr sogar Borussia Dortmund Interesse gezeigt, was seinen Marktwert steigerte.

Und jetzt? Sportwagen, Designerklamotten, Societyauftritte? Der einzige Luxus von Florian Grillitsch ist sein neuer VW Passat, ein Dienstwagen des Vereins. Natürlich verdiene er nun "vergleichsweise sehr viel Geld". Aber auf die Idee, es auch auszugeben, komme er erst gar nicht. "Und wenn es so wäre, könnte mein Vater, rein theoretisch, das Konto sperren."

Florian Grillitsch hält inne und blinzelt. Nur von der hoch stehenden Sonne lässt er sich blenden. Nicht vom eigenen Erfolg.

Kommentare

Yeah! Cool so einen feinen „Schwiegersohn” zu haben! Go „Flo” go!

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