Gelsen, die krank machen

Normale Hausgelsen übertragen gefährliches Virus - Experten warnen vor Ausbreitung

Es ist August 2014. Eine 44-jährige Wienerin geht Blut spenden – und erhält eine alarmierende Rückmeldung: In ihrem Blut wurde das West Nil Virus entdeckt. Dieses tropische Virus kann ein Krankheitsmuster hervorrufen, das einem grippalen Infekt ähnelt. In seltenen Fällen führt es jedoch zu schweren Symptomen bis hin zu einer Hirnhautentzündung.

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Leben - Gelsen, die krank machen

Auch bei der betroffenen Wienerin zeigten sich Krankheitsanzeichen. Drei Tage nach der Blutspende stellten sich bei der Frau Muskelschmerzen und Fieber ein. Später kam noch ein Hautausschlag dazu. Das Besorgniserregende an diesem Fall: Die Frau war vor ihrer Infektion monatelang nicht mehr im Ausland unterwegs. Üblicherweise kann man sich nämlich in südlicheren Regionen anstecken. Stattdessen war sie im relevanten Zeitraum bei sich zuhause in Wien Ottakring, arbeitete im Garten und wurde dort vielfach von Gelsen gestochen.

Positive Proben in Wien Ottakring

Das rief die Experten der staatlichen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) auf den Plan. Diese haben in Zusammenarbeit mit der Veterinärmedizinischen Universität den Fall im Rahmen einer wissenschaftlichen Publikation aufgearbeitet. "Wir haben 45 Gelsen-Proben in der Umgebung der Frau gesammelt", erzählt Franz Allerberger, Leiter des Bereiches "Öffentliche Gesundheit" bei der Ages. Dabei wurden Stechmücken gefangen bzw. deren Eier gesammelt. Zwei Proben waren positiv, so Allerberger: "Das ist erschreckend viel." Beide Proben stammten aus der Nähe des Ottakringer Friedhofs im 16. Wiener Gemeindebezirk. Aus dem West Nil Virus ist offenbar ein West Wien Virus geworden.

Während einige Stellen nach Bekanntwerden des Falls im vergangenen Herbst in der Öffentlichkeit abwiegelten, sieht man bei der Ages sehr wohl ein ernstzunehmendes Problem. Zwar sei das Risiko, tatsächlich zu erkranken, immer noch sehr gering, betont Allerberger. Das könne sich jedoch rasch ändern. Auch würden viele Fälle derzeit wohl gar nicht diagnostiziert, da niemand damit rechnet.

Gelsen als Krankheitsüberträger

In den österreichischen Gelsengebieten kennt man die Stechmücken zwar seit jeher als lästige Quälgeister. Dass diese – ähnlich wie Zecken – Krankheiten übertragen können, war bisher aber kaum jemandem bewusst. Beim vorliegenden Fall des West Nil Virus handelt es sich auch nicht um irgendeine eingeschleppte tropische Moskito-Art, sondern um normale Hausgelsen. Und gegen das West Nil Virus gibt es keine Impfung.

In den USA, wo das Problem mit dem West Nil Virus in manchen Städten viel größer ist, würden Pestizide von Hubschraubern gespritzt, um den Stechmücken Herr zu werden, erklärt Allerberger: "Das wollen wir vermeiden."

Die Ages veranstaltet heute, Montag, in Wien einen internationalen Experten-Gipfel unter dem Titel "Stechmücken: Belastung oder Bedrohung?". Neben dem West Nil Virus geht es dabei unter anderem auch um eingeschleppte neue Mückenarten wie die Japanische Buschmücke. Diese ist – im Unterschied zu den Gelsen – auch am helllichten Tag stark aktiv. Sie findet man mittlerweile zum Beispiel in der Südsteiermark. Allerberger geht davon aus, dass heuer auch Graz zum ersten Mal betroffen sein wird. Die eingeschleppte tagesaktive Mückenart wurde heuer von Bernhard Seidel, dem Entomologen der Ages, erstmalig auch in Vorarlberg nachgewiesen.

So bekämpfen Sie Gelsen effektiv

Was das West Nil Virus in Wien betrifft, nimmt Allerberger die Stadtbewohner in die Pflicht: Gelsen würden nur ein- bis zweihundert Meter weit fliegen. Die Brutmöglichkeiten liegen also unmittelbar in der Nachbarschaft. Will man die Gelsen bekämpfen, ist es am effektivsten, ihnen diese Brutmöglichkeiten zu nehmen. Dabei reicht es laut Allerberger schon, stehendes Wasser – vom Hundenapf auf dem Balkon über den Regenwasserbehälter bis zum Weihwasserbehälter des Friedhofgrabes – einmal in der Woche auszuleeren oder entsprechend abzudecken.

Was tun gegen Gelsen? Hier geht es zu den Tipps.

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