Gefährliche Diät-Pillen

Warum man von Schlankheitsmachern in Kapselform lieber die Finger lassen sollte

Sie versprechen uns figurtechnisch das Blaue vom Himmel, helfen in Wirklichkeit aber meist so gut wie gar nichts. Wenn sie nicht gar schaden. Die Rede ist von Diät-Pillen. Doch nehmen wir die vermeintlichen Abnehmwunder einmal genauer unter die Lupe. Welche gibt es? Wie wirken sie? Und welche Gefahren lauern in ihnen? News.at fragte nach.

von Diät-Pille (Symbolbild) © Bild: iStockphotos.com

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei großen Gruppen, so Dr. Christoph Baumgärtel, Arzneimittelexperte der Ages: den Nahrungsergänzungs- und den Arzneimitteln. Bei den Nahrungsergänzungsmitteln handelt es sich meist um pflanzliche Produkte, die keine Arzneimittelzulassung haben, sprich weder auf ihre Wirksamkeit noch auf ihre Sicherheit behördlich geprüft worden sind. Dabei ist es für den Konsumenten oft schwer zu erkennen, ob es sich bei dem Produkt um ein Nahrungsergänzungs- oder um ein Arzneimittel handelt.

Nahrungsergänzungsmittel wie L-Carnitin und Guaranapulver erhält man in der Apotheke ebenso wie in verschiedensten Geschäften. Und das zu Hunderten, nehmen sie auf dem Schlankheitsmittelmarkt doch rund 95 Prozent des Umsatzes ein. Und gleichzeitig könnte man, so der Experte, ebenso gut getrost auf sie verzichten. Denn, wie groß angelegte Studien zeigen, Nahrungsergänzungsmittel haben in puncto Abnehmen meist so gut wie gar keine Wirkung.

Arzneimittel behördlich geprüft

Im Gegensatz zu Nahrungsergänzungsmitteln handelt es sich bei Arzneimitteln um wissenschaftlich überprüfte Präparate. "Von ihnen gibt es nur sehr wenige auf dem Markt", so Baumgärtel. Xenical und Alli sind zwei davon, basierend auf ein- und demselben Wirkstoff. Der einzige Unterschied ist die Dosierung: Während das eine Präparat mit der halben Menge an Orlistat auskommt und rezeptfrei ist, enthält das andere die doppelte Dosierung und ist rezeptpflichtig.

Präparate wie Xenical und Alli verhindern die Fettaufnahme im Darm. "Sie binden einen Teil des Fetts, das man zu sich nimmt. So scheidet man das Fett, das der Körper eigentlich verdauen sollte, wieder aus", erklärt die Diätologin und Gesundheitswissenschafterin Angelika Kirchmaier. Das kann unangenehme ebenso wie gefährliche Folgen haben. "Wird zu viel Fett gegessen, kann es passieren, dass man Stuhlgang hat und es gar nicht spürt. Außerdem gelangt das Fett, wenn es nicht verdaut wird, in den Dickdarm. Dort hat es aber nichts verloren." Über kurz oder lang steigt so das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken. Für eine Dauertherapie sind solche Präparate daher gänzlich ungeeignet.

Gefährliche Fettbinder

Nicht zuletzt wird auch die Aufnahme notwendiger fettlöslicher Vitamine erschwert. Dabei handelt es sich um das Vitamin A – wichtig für die Sehkraft und die Haut -, das sogenannte Knochenvitamin D, das Blutgerinnungsvitamin K und das Vitamin E, das unser Körper fürs Wachstum, zum Heilen von Verletzungen und zur Krebsprävention braucht. "Kann man kein Fett mehr aufnehmen, dann kann man auch die Vitamine A, D, E und K nicht mehr so gut aufnehmen", erklärt Kirchmaier.

Obgleich der Konsument mit der Einnahme fettbindender Arzneimittel eine Menge Nebenwirkungen in Kauf nimmt, darf er sich keine allzu großen Erfolge erwarten. "Auch sie sind kein Wundermittel", gibt Baumgärtel zu bedenken. "Studien zeigen, dass man nach einem halben Jahr nur zwei bis drei Kilo mehr abnimmt als mit einem Placebo." Der Gewichtsverlust hält sich mit insgesamt fünf, sechs Kilogramm also in Grenzen.

Neue Diät-Pille in der EU zugelassen

Dagegen konnte man mit dem Wirkstoff Reductil deutlich bessere Erfolge erzielen. Die Kehrseite der Medaille: Reductil - eigentlich ein Antidepressivum, hier aber als Appetitzügler eingesetzt - begünstigte Bluthochdruck und das Herzinfarktrisiko. So wurde es im Jahr 2010 vom Markt genommen. Und wie sieht die Sache aktuell aus? "Derzeit gibt es weltweit drei neue Präparate, die bereits alle in den USA zugelassen wurden. Nur eines davon hat auch die Zulassungshürde in der EU passiert", so Baumgärtel.

Mysimba, so heißt das neue Arzneimittel, basiert auf einer Kombination der Wirkstoffe Bupropion und Naltrexon. Und auch hier hält sich der Erfolg in Grenzen: Die Versuchsgruppe nahm im Vergleich zu den Personen, die ein Placebo erhielten, nur fünf bis sechs Kilo mehr ab. Und das innerhalb von 56 Wochen, also etwas mehr als einem Jahr. Abgesehen davon ist Mysimba auch nicht ganz unbedenklich: "Der Wirkstoff Bupropion ist eigentlich ein Antidepressivum. Naltrexon wiederum verstärkt und verlängert die Wirkung von Bupropion", so Baumgärtel.

Nicht weniger gefährlich: Entwässerungsmittel

Nicht weniger gefährlich sind Entwässerungspillen. "Sie bewirken, dass man Wasser, aber kein Gramm Fett verliert", erklärt Kirchmaier. "Wenn man sein Gewicht reduzieren will, muss man aber Muskeln aufbauen. Ein Kilo Muskelmasse wiederum bindet rund vier Liter Wasser." Mit anderen Worten: Wer abnehmen will, braucht Wasser. Außerdem: "Verliert man zu viel Wasser, kann das im schlimmsten Fall auch tödlich enden. Für jeden Menschen."

Abgesehen davon, so Kirchmaier, nimmt auch die Konzentrationsfähigkeit drastisch ab. So zeigte eine Studie, dass die Leistungsfähigkeit, wenn der Körper nur fünf Prozent zu wenig Flüssigkeit hat, gleich um 20 bis 50 Prozent sinkt, wodurch wiederum die Unfallhäufigkeit etwa im Verkehr oder beim Sport steigt. Aus diesen Gründen, das bestätigt auch Baumgärtel, sind Entwässerungspillen zum Abnehmen gänzlich ungeeignet. Denn "keines dieser Arzneimittel hat für eine derart missbräuchliche Anwendung eine Zulassung", so der Experte.

Gefahr aus dem Internet

Es scheint also empfehlenswert, die Finger von derlei Produkten zu lassen. Will man auf die vermeintlichen Schlankmacher in Kapselform dennoch nicht verzichten, sollte man sie – so man sie online ordert – nur in legalen, behördlich zugelassenen Internet-Apotheken bestellen. Ansonsten droht die Gefahr, an illegale Präparate zu geraten. Und das kann nicht nur gefährlich, sondern auch ziemlich teuer werden: So droht laut Baumgärtel eine Strafe von bis zu 7.200 Euro, wenn man ein Produkt bestellt, das bei uns verboten ist.

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