Warum unsere Jugend verroht

Nach der verstörenden Bluttat von Graz analysiert Seelenärztin Gabriele Wörgötter die Ursachen für die zunehmende Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen.

von Gabriele Wörgötter © Bild: News Vukovits Martin Auftrag

Schwere, von Jugendlichen begangene Taten haben in der letzten Zeit öffentliche Diskussionen über die Frage, ob unsere Jugend immer gewaltbereiter wird, ausgelöst. Folgt man den statistischen Zahlen, so ist seit den 60er Jahren eine erhebliche Abnahme von Delikten Jugendlicher gegen Leib und Leben zu beobachten. Meine forensisch-jugendpsychiatrische Erfahrung spricht jedoch dafür, dass die Taten Jugendlicher zunehmend brutaler und immer häufiger aus nichtig erscheinenden Anlässen oder ohne erkennbares Motiv gesetzt werden: Es wird rasch zugeschlagen, wenn der andere ‚blöd schaut‘, Prügeleien arten häufig in heftige Schläge gegen den Kopf aus, Angriffe werden gegenüber dem bereits am Boden Liegenden – teilweise durch Fußtritte – fortgesetzt, der Einsatz von Messern nimmt zu. Auch fällt auf, dass jugendliche Gewalttäter immer jünger werden und bereits unter 14-Jährige zunehmend zu unangemessener Aggressivität und Brutalität neigen.

»Jugendgewalt muss als ein Barometer der Gesellschaft gesehen werden«

Die Ursachen sind vielschichtig: mangelnde Perspektiven, Zukunftsängste, fiktive Vorbilder in immer leichter zugänglichen Computerspielen und Filmen (bei Fehlen realer Vorbilder), enthemmter Alkoholkonsum oder auch Langeweile, der Gewalt als Kick entgegengesetzt wird. Hinter jeder Tat verbirgt sich Schwäche, hinter jedem Einsatz einer Waffe Sprachlosigkeit. Kinder sind ein Spiegelbild der Erwachsenenwelt. Jugendgewalt kann und muss als ein Barometer der Gesellschaft gesehen werden. Jugendliche Gewalttäter sind nicht nur Täter, sondern zumeist auch Opfer eigener Gewalterfahrungen, desolater familiäre Verhältnisse, schulischer Ausgrenzung und fehlender sozialer Wärme. Gewaltprävention muss früh beginnen. Es liegt in der Verantwortung der Gesellschaft, „Problemkinder” nicht alleine zu lassen.

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