Österreichs Grüne haben mit dem Tod von Freda Meissner-Blau ihre einstige Galionsfigur verloren. Nach der stürmischen grünen Anfangsphase leitete sie von 1986 bis zu ihrem Rücktritt im November 1988 den grünen Parlamentsklub. 1986 kandidierte "FMB" - so ihr Namenskürzel, das zum Markenzeichen wurde - für das Amt des Bundespräsidenten.
Flüchtlingsschicksal
Freda Meissner-Blau stammte aus einer altösterreichischen Offiziers- und Industriellenfamilie. Geboren am 11. März 1927 in Dresden, führten sie die Schrecken des Hitler-Regimes, ihr eigenes Flüchtlingsschicksal, wachsende Naturzerstörung und Aufrüstung schon früh als Aktivistin und Publizistin in die Friedens- und Umweltbewegung. Neben ihren verschiedenen beruflichen Tätigkeiten in Österreich lebte und arbeitete sie lange Jahre in Frankreich - dort als Befürworterin der Nuklearenergie allerdings noch in der Atomindustrie - und in Afrika.
Durch die Erkenntnis der Probleme der Endlagerung von atomaren Rückständen geläutert, erwarb sich Meissner-Blau erste Bekanntheit durch ihren Kampf gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Zwentendorf, der 1978 durch eine Volksabstimmung zugunsten der Atomgegner entschieden wurde. Im Winter 1984/85 stand sie an der Spitze des Widerstandes gegen die Zerstörung der Hainburger Au. 1986 trat sie bei der Bundespräsidentenwahl gegen Kurt Waldheim und Kurt Steyrer an, errang mit 5,5 Prozent der Stimmen nicht nur einen Achtungserfolg, sondern zwang die beiden Mitbewerber auch zu einer Stichwahl.
30 Jahre nach der Aubesetzung - Freda Meissner-Blau im ORF-Interview:
Erste grüne Klubobfrau
Unter dem Listennamen der Spitzenkandidatin "Freda Meissner-Blau" errangen die Grünen dann bei den Nationalratswahlen im Herbst 1986 acht Mandate. Die grünen Neoparlamentarier wählten Meissner-Blau zu ihrer Klubobfrau. War sie schon nicht die erste Frau gewesen, die für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte - dieses Verdienst trägt Ludovica Hainisch, die bereits 1951 antrat -, so wurde sie zumindest der erste weibliche Parlaments-Klubchef.
Im November 1988 überraschte Freda Meissner-Blau nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch ihre eigene Fraktion mit ihrem Rückzug aus der Politik. Sie argumentierte damit, ihr Ziel erreicht zu haben und nun Platz für andere machen zu wollen. Tatsächlich hatte ihre Entscheidung, aus dem Nationalrat auszuscheiden, auch ihre Ursachen in handfesten Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und anderen Protagonisten der Grünen Alternative.
Kritikerin von Van der Bellen
Immer wieder meldete sich Meissner-Blau danach zu Grün-Interna zu Wort, etwa 2008, als sie ihrer Nachfolgerin Eva Glawischnig im Streit mit Johannes Voggenhuber öffentlich den Rücken stärkte. Auch als Kritikerin von Glawischnigs Vorgänger Alexander Van der Bellen und dessen Abkehr von "urgrünen Themen" tat sie sich damals hervor.
Meissner-Blau überstand nicht nur einen schweren Autounfall, sondern musste sich 1999 auch einer Herztransplantation unterziehen. "So nah am Tod vorbeistreifen, eigentlich anstreifen, hat mich leben gelehrt", meinte Meissner-Blau danach. Anlässlich ihres 85. Geburtstags gab sie sich im APA-Interview noch vital und kämpferisch. "Eigentlich bin ich ja überfällig", sagte sie, doch "ich lebe noch immer gerne".
Lebenserinnerungen
Worum es ihrer Ansicht nach im Leben geht, schrieb sie in ihren im Vorjahr erschienenen Lebenserinnerungen. "Meine einzige Antwort ist: Das Leben. Das Leben selbst hat doch so viel Sinn." Sie selber spiele in der Geschichte keine Rolle, "wir alle fallen dem Vergessen anheim", so Meissner-Blau. "Ich denke, atmosphärisch hinterlassen wir etwas, nicht de facto."
Grüne in Trauer
Die Grünen zeigten sich am Mittwoch vom Ableben von Freda Meissner-Blau tief betroffen. "Der Beginn der Grün-Bewegung und der Grünen Partei ist untrennbar mit ihrem Namen verbunden. Dafür sind wir ihr zutiefst dankbar", erklärte Bundessprecherin Eva Glawischnig. "Freda war Vordenkerin der österreichischen Ökologiebewegung, sie hat die Grünen als Gründerin und Spitzenkandidatin 1986 erstmals in den Nationalrat geführt und wurde unsere allererste Klubobfrau, ja überhaupt die erste weibliche Klubchefin in der Geschichte des österreichischen Parlaments", so Glawischnig.
"Freda war uns bis zuletzt eine aufmerksame und kritische Wegbegleiterin. Ihr Tod wird eine tiefe Lücke nicht nur in der Umweltbewegung, sondern auch in der österreichischen Gesellschaft hinterlassen. Wir werden sie als umwelt- und friedensbewegte Kämpferin in Erinnerung behalten. Liebe Familie, wir trauern mit Euch. Uns tröstet, dass Freda ein vielfältiges, an Erfahrungen reiches und engagiertes Leben führen durfte", sagte die Bundessprecherin.
Als eine der ersten in Österreich habe sich Meissner-Blau im Kampf gegen Umweltzerstörung und gegen Atomkraft engagiert. Untrennbar mit ihrem Namen verbunden bleibe, dass das Atomkraftwerk Zwentendorf nicht in Betrieb ging und die Hainburger Au nicht einem Kraftwerk geopfert wurde. "Mit ihrem unglaublichen Engagement, ihrer Klugheit und ihrer Würde hat Meissner-Blau viele Menschen beeindruckt, inspiriert, bewegt und angetrieben", erinnerte Glawischnig.
Bis zuletzt Beobachterin der aktuellen Politik
Bis zuletzt habe Freda Meissner-Blau die aktuelle Politik aufmerksam verfolgt. Laut Glawischnig kritisierte sie, dass die Klimaerhitzung nicht entschieden genug bekämpft werde, dass die Weltmeere verschmutzt und die natürlichen Ressourcen auf Kosten Afrikas ausgebeutet würden. Der Kampf für eine gerechtere Weltordnung und der Einsatz für Menschen in den Entwicklungsländern sei ihr Zeit ihres Lebens wichtig gewesen und habe in einem dreijährigen Aufenthalt im damaligen Belgisch-Kongo in den 1950er Jahren gewurzelt, wo sie den Kampf der Bevölkerung gegen die ausbeuterische Kolonialherrschaft miterlebte. Und die Erfahrungen ihrer Familie mit dem Naziregime haben sie, so Glawischnig, sie zu einer entschiedenen Befürworterin für ein friedliches Zusammenleben gemacht.
"Mir persönlich hat Freda immer wieder von ihrer tiefen Überzeugung erzählt, dass es einer großen gesamtgesellschaftlichen Wende bedürfe. Es reiche nicht aus, dass die Ökologie den im Krankenbett liegenden Kapitalismus am Leben erhält. Das ist ihr Vermächtnis für mich", betont Glawischnig.
Kommentare
Die Grünen trauern um Meissner-Blau. Sie kann sich dagegen nicht mehr wehren.
Die Grünen sollten aufschreien, dass Konrad Lorenz das Ehrendoktorat der Uni Salzburg aberkannt wurde. Eine Schande für die Uni, für Ö., f.d. Grünen. Unwissende, die selbst durch Protegees ins Amt kamen, verurteilen den Großen, ein Kind einer anderen Zeit, die jene nicht erlebt haben+schon gar nicht verstehen.
1978 gegen Zwendendorf aber noch bei der OMV beschäftigt (mit 53 hatte sie sich aus ihrem eigentlichen Beruf als Bildungsreferentin der Mineralölverwaltung (damals ÖMV, heute OMV) zurückgezogen). Was soll man dazu noch sagen