Folter-Skandal beim Bundesheer: Den Beschuldigten drohen bis zu drei Jahre Haft

Platter reagiert: Kommandanten des Dienstes enthoben <b>PLUS:</b> Schockierende BILDER der Misshandlungen!

"Es besteht der Tatverdacht der Körperverletzung unter Ausnutzung der Amtsstellung", sagt Staatsanwalt Rainer Schopper im "Standard" (Samstag-Ausgabe). Je nach Schwere der Verletzung stehen darauf laut Strafgesetz bis zu drei Jahre Haft. Außerdem wird wegen "entwürdigender Behandlung" ermittelt, was laut Militärstrafgesetz mit bis zu zwei Jahren zu bestrafen wäre.

Ermittlungen gegen mehrere Personen
Im Militärstrafgesetz heißt es dazu: "Wer einen Untergebenen oder Rangniederen in einer Menschenwürde verletzenden Weise behandelt, oder aus Bosheit einem Untergebenen den Dienst erschwert und dadurch in qualvollen Zustand versetzt, ist ( . . .) mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen." Der Hauptverdächtige, ein Wachtmeister, befindet sich derzeit in einem Auslandseinsatz. Laut Schopper wird derzeit gegen "eine konkrete Person und mehrere potenzielle Täter" ermittelt.

Platter entrüstet
Platter habe eine schriftliche Weisung an alle Soldaten ausgegeben, wonach die Übergriffe "unakzeptabel" seien und mit "voller Härte" dagegen vorgegangen werde. Die Vorgangsweise würden in keinster Weise den Anforderungen entsprechen, wie im österreichischen Bundesheer mit Rekruten umzugehen sei und stünde in "krassem Widerspruch" zu geltenden Bestimmungen, erläuterte Platter. Er sprach wörtlich von einem "Bündel an Fehlverhalten", es würden "zweifellos Übergriffe" vorliegen. Von Folter könne man allerdings nicht sprechen, ergänzte Segur-Cabanac.

Platter zeigte sich bei einer Pressekonferenz "entrüstet". Er "dulde keine Übergriffe" und werde "Null-Toleranz" zeigen. Er stehe auch nicht an, sich bei den betroffenen Soldaten "zu entschuldigen", so der Minister. Ob es sich um einen Einzelfall handle, könne er derzeit nicht sagen. Sollte es aber weitere Misshandlungsfälle geben, werde man mit der "selben Konsequenz und Härte" vorgehen.

Gebührenfreie Hotline für Betroffene
Das Bundesheer hat im Zusammenhang mit der Folter-Affäre eine neue, diesmal aus ganz Österreich gebührenfreie Telefon-Hotline eingerichtet. Die Nummer lautet 0800/241206. Der Anschluss ist bis zum Beginn der kommenden Woche rund um die Uhr besetzt. Bei der Hotline stehen Psychologen des Bundesheeres Grundwehrdienern wie auch Angehörigen Rede und Antwort. Das teilte das Verteidigungsministerium Freitagnachmittag mit.

Für alle Fälle mit einem konkreten zu Bezug zu Oberösterreich steht weiterhin die Nummer 0664/6227310 zur Verfügung. Dort haben sich bereits zahlreiche Anrufer gemeldet. Allerdings seien keine von der Affäre betroffenen Soldaten darunter gewesen, berichtete das Militärkommando Oberösterreich. Die meisten hätten ihrer Empörung über die veröffentlichten Vorfälle beim Bundesheer oder generell über die Landesverteidigung Luft gemacht

Amnesty-Chef "schockiert"
"Schockiert" über Video-Aufnahmen von der Rekrutenausbildung in der Kaserne Freistadt war amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt. Die Bilder hätten ihn an den Gefangenentransport der USA nach Guantanamo erinnert. Zur Frage, ob hier tatsächlich "Folter" vorliege, meinte Patzelt im ORF-Radio-"Mittagsjournal": Es möge sein, dass es nicht beabsichtigt war, die Betroffenen zu foltern - aber die Ausbildner hätten zu Maßnahmen gegriffen, "die in anderen Fällen Folter darstellen".

Der Friedenssprecher der Grünen, Peter Pilz, warnte davor, die Folter-Vorwürfe aus Freistadt als Einzelfall abzutun. Er rief Betroffene auf, sich zu melden, "damit wir einen Eindruck bekommen, wie groß das Problem ist".

SP-Klubobmann Josef Cap forderte die Einberufung des Landesverteidigungs-Ausschusses, auch ein Untersuchungs-Ausschuss ist für ihn denkbar. Für FP-Wehrsprecher Reinhard Bösch sind "allfällige Missstände" abzustellen und "klare Anweisungen für die künftige Ausbildung zu geben".

Kadersoldaten bestätigen Vorwürfe
Die Folter-Vorwürfe wurden bei der Befragung von 14 Kadersoldaten aus der Kaserne Freistadt in der Nacht auf Freitag bestätigt.

"Bedauerlicher Einzelfall"
Der Militärkomandant von Oberösterreich, Kurt Raffetseder, meinte am Freitag: "Es gibt nichts zu beschönigen, das Video sagt mehr als tausend Worte", fasste er das Ergebnis zusammen. Die Aktion stehe im "krassen Widerspruch zu allen Vorschriften". Es handle sich aber um einen "bedauerlichen Einzelfall, wie er mir in dieser Art und Weise noch nie in meiner Karriere untergekommen ist". Der Militärkommandant erklärte weiters, "die Aktion ist durch nichts zu rechtfertigen".

Der Vorfall sei passiert am Ende eines Überprüfungsmarsches, bei dem der Wissensstand der Rekruten nach der Grundausbildung überprüft werden sollte, berichtete Raffetseder. Das sei auch grundsätzlich gut verlaufen, bis auf die eine Station, an der das Wissen beim Thema Wachdienst und Festnahme überprüft werden sollte. Dabei wäre niemals eine derartige Vorgangsweise vorgesehen gewesen. Es handle sich um eine "Einzelaktion einer Person".

Betroffener Soldat lässt Affäre auffliegen
Aufgeflogen ist die Affäre durch einen der betroffenen Soldaten, der anonym bleiben will. Er veröffentlichte aus Anlass der Berichterstattung über angebliche Misshandlungen in der deutschen Bundeswehr ein Video, das ein Ausbildner gemacht hat und das ohne dessen Absicht in die Hände der Rekruten geriet. Die Grundwehrdiener wurden als Geiseln genommen und mussten Plastiksäcke über den Kopf ziehen.

Grausamer Psycho-Terror
Mit Spritzern aus einer Wasserflasche wurde simuliert, dass auf die Soldaten uriniert werde. Außerdem mussten sie durch den Dreck neben dem Komposthaufen robben. Soldaten, die das nicht schnell genug machten, zerrte einer der Ausbildner, die die Geiselnehmer "darstellten" über den Boden. Außerdem begann ein Ausbildner Wehlaute zu schreien - damit sollte bei den Soldaten, die nichts sehen konnten, der Eindruck erweckt werden, dass einer der Kameraden verprügelt werde. Einem der Soldaten trat ein Ausbilder tatsächlich auf den Rücken. Zuletzt hatte die Gruppe mit angelegter Schutzmaske in einem Raum einen schriftlichen Test zu absolvieren - unter Begleitung von Geräuschen eines Videos mit Kriegsgeräuschen. (apa/red)