Flüchtlinge:
Situation für Kurz "außer Kontrolle"

Slowenien baut Zaun, Schweden kontrolliert Grenzen. Plus: Die aktuellen Ereignisse.

In Spielfeld ist der Grenzzaun offenbar fix. Offen ist jedoch noch, wie lange er wird. Aus der Sicht von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist die Situation - hinsichtlich der Flüchtlinge - derzeit "natürlich außer Kontrolle". Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich bei ihrem Sondergipfel in Valletta voraussichtlich auch mit der vorübergehenden Einführung von Grenzkontrollen in Schweden befassen. Slowenien baut unterdessen weiter an seinem Grenzzaun. Die Sicherung dieser Außengrenze liege in der Verantwortung des betreffenden EU-Staates. Der Staat könne selbst entsprechende Mittel dazu wählen. Nach den bestehenden Regeln müsse die EU-Kommission nicht informiert werden.

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Falten - Flüchtlinge:
Situation für Kurz "außer Kontrolle"

20:00 - Häupl und Konrad dankten Helfern

"Unseren Respekt und unser Danke" sagten Donnerstagabend der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Flüchtlingskoordinator Christian Konrad allen Menschen, die Flüchtlingen mit Zeit oder Spenden unterstützt haben - konkret aber jenen 2.000 Helfern, die zum "Fest der Dankbarkeit" in die Marx Halle Wien geladen waren.

"Sie geben Österreich ein menschliches Gesicht", würdigten Häupl und Konrad die - freiwilligen oder im Dienst der Stadt Wien - Menschen, die sich für die Flüchtlinge engagiert haben. Klar war für die beiden Gastgeber aber auch, dass "dieser Abend kein Abschlussfest" ist, sondern nur "eine kurze Verschnaufpause" - denn auch diese Nacht und in den kommenden Wochen und Monaten werden weiter schutzsuchende Menschen nach Österreich kommen.

18:00 - Faymann bestätigte Gipfeltreffen zwischen EU und Türkei

Angesichts der Flüchtlingskrise plant die EU, mit dem wichtigsten Transitland Türkei zu einem Gipfeltreffen zusammenzukommen. Das Treffen solle Ende November oder Anfang Dezember stattfinden, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Donnerstag in Valletta nach Abschluss eines Sondergipfels.

Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sowie Frankreichs Präsident Francois Hollande bestätigten Agenturberichten zufolge das Stattfinden des Treffens.

17:00 - Österreich soll 57 Mio. Euro in Türkei-Fonds zahlen

Österreich soll einem Vorschlag zufolge der EU-Kommission rund 57 Millionen Euro zur finanziellen Unterstützung der Türkei in der Flüchtlingskrise beitragen. Insgesamt sind die EU-Staaten dazu aufgefordert 2,5 Milliarden Euro in den Fonds einzuzahlen, das geht aus einem der APA vorliegenden Papier hervor.

Die Kommission würde demnach sowohl für 2016 als auch für 2017 jeweils 250 Mio. aus dem EU-Budget beisteuern. Die meisten Mitteln sollen dem Papier zufolge von Deutschland mit rund 534,4 Mio. Euro, Großbritannien mit rund 409,6 Mio. Euro und Frankreich mit rund 386,6 Mio. Euro kommen. Die Berechnungsgrundlage ist der Anteil der Länder am EU-Budget.

Bei fixen Zusagen würde die von der Türkei geforderten drei Milliarden zumindest in den kommenden beiden Jahren erreicht werden. Die EU will Ankara dazu bewegen, ihre Grenzen in Richtung Europa besser zu sichern und durch die Türkei gereiste Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Im Gegenzug will die EU die Türkei finanziell unterstützen.

16:55 - Situation "außer Kontrolle"

Aus der Sicht von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist die Situation - hinsichtlich der Flüchtlinge - derzeit "natürlich außer Kontrolle". Er bekräftigt die ÖVP-Forderung nach einem Zaun an der slowenischen Grenze, man sollte dem diesbezüglichen Verlangen der Polizei nachgeben, sagte Kurz laut Vorausmeldung am Donnerstag in "ServusTV".

"Man kann ja nicht dabei zusehen, dass die Polizei mit Menschenketten versucht, die Situation unter Kontrolle zu bringen", argumentiert der Integrationsminister. Zu meinen, es reiche, immer mehr Quartiere zu schaffen, sei "ein Irrglaube". Nötig sei Grenzsicherheit an den EU-Außengrenzen. Gelinge das nicht, würden immer mehr Staaten versuchen, selbst an ihren Grenzen die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Seine Haltung, dass man alles tun müsse, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen, erachtet Kurz "nicht (als) rechts, sondern das ist realistisch". Vor keiner leichten Aufgabe sieht er sich in seiner Funktion als Integrationsminister: "Die Menschen, die glauben, dass das (die Integration der Flüchtlinge, Anm.) kein Problem ist, die irren sich." Die Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge müssten aus dem "Geld des Steuerzahlers" bezahlt werden - und "ja, man kann ungefähr damit rechnen, dass 95.000 Menschen zu versorgen, unterzubringen eine Mrd. Euro pro Jahr kosten wird".

16:35 - Schlepperei: Knapp 600 Anklagen bis 1. November

Die Zahl der Anklagen wegen Schlepperei haben sich bereits mit Stichtag 1. November 2015 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Wie aus der APA übermittelten Zahlen des Justizministeriums hervorgeht, wurden 2014 insgesamt 296 Anklagen erhoben. Bis 1. November waren es heuer bereits 590.

Den stärksten Anstieg gab es demzufolge in den Sommermonaten: Allein zwischen 1. Juli und 1. September wurden mehr als 240 Anklagen erhoben. Insgesamt wurden heuer bis 1. November 2.133 Verfahren nach Paragraf 114 Fremdenpolizeigesetz bei den Staatsanwaltschaften bearbeitet. 2014 waren es 1.104 Fälle, im Jahr davor 1.026. Am stärksten belastet war heuer bis 1. November - wenig verwunderlich - die Staatsanwaltschaft Eisenstadt, die 574 Fälle zu bearbeiten hatte.

508 Personen saßen in Zusammenhang mit Schlepperei zum Stichtag 30. Oktober in Haft. 261 davon waren Untersuchungshäftlinge.

15:25 - ÖVP appelliert an SPÖ: "Zaun mittragen"

Die ÖVP fordert die SPÖ auf, den Grenzzaun zu Slowenien zu unterstützen. Sicherheitssprecher Werner Amon und Verteidigungssprecher Bernd Schönegger begrüßten am Donnerstag via Aussendung die kolportierten Pläne und hoffen, "dass die SPÖ diesen dringend notwendigen Schritt zur Sicherung der österreichischen Souveränität mittragen wird". Es sei höchste Zeit, die Grenzen aktiv zu schützen.

14:00 - Details für Polizei-Aufstockung fixiert

Die Regierung hat die Details zur Aufstockung der Polizei zur Bewältigung der Flüchtlingskrise fixiert: Das Innenressort darf demnach 1.700 Polizisten und 275 Personen für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufnehmen, bestätigte das Büro von Staatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) der APA am Donnerstag. Zeitsoldaten sollen nach ihrem Dienst beim Heer leichter zur Polizei wechseln können.

Die Interessensgemeinschaft der Berufsoffiziere warnte in einer Aussendung vor einer Schwächung des Bundesheers. Die Vereinbarung zwischen Verteidigungs- und Innenministerium sieht vor, dass Zeitsoldaten, deren Dienstzeit abläuft, prioritär in den Polizeidienst übernommen werden. Sie ersparen sich dabei bestimmte Eignungstests, die sie ja fürs Heer bereits erbracht haben. Der Vorteil für die Polizei liegt laut Regierung darin, dass diese Soldaten bereits gut ausgebildet und für schwierige Einsätze geeignet seien.

Ganz ohne Ausbildung geht es allerdings nicht - damit die ehemaligen Soldaten trotzdem rasch in den Polizei-Grenzeinsatz gehen können, müssen sie vorerst nur eine sechsmonatige Intensivausbildung absolvieren, die ab 2016 startet. Die restliche Ausbildung zum Polizisten - sie dauert insgesamt zwei Jahre - folgt dann nach längstens drei Jahren. Die 300 Zeitsoldaten, die dafür in der "Kronen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) genannt werden, sind eine Schätzung der Regierung, für wie viele das Programm infrage kommen dürfte.

Die Exekutive darf ab sofort und in den kommenden Monaten laut einer Vereinbarung mit dem Bundeskanzleramt freilich noch mehr Personal aufnehmen. Einerseits gibt es 1.000 neue Planstellen: Ursprünglich waren zwischen 2015 und 2018 jeweils 250 zusätzliche Planstellen vorgesehen, nunmehr werden die Kontingente für 2017 und 2018 auf 2016 vorgezogen. Andererseits ist die Polizei vom Aufnahmestopp des Bundesdienstes ausgenommen und darf sämtliche Ruhestände nachbesetzen, 2016 sind das 700. Insgesamt ergibt das 1.700 Neuaufnahmen bei der Polizei, rechnet die Regierung vor.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wiederum hat für 2016 275 zusätzliche Planstellen zugesagt bekommen, die teils sofort aufgenommen und ausgebildet werden können.

Ein Ministerratsbeschluss war dafür jetzt nicht notwendig. Technisch werden die aktuellen Pläne erst im nächsten Finanzrahmen im Frühjahr berücksichtigt.

13:25 - Grenzzaun in Spielfeld offenbar fix

Der Zaun am Grenzübergang Spielfeld ist offenbar fix. "Es geht nicht darum, wie der Zaun ausschaut, sondern wie lang er ist", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Rand einer Pressekonferenz am Donnerstag. Details wollte sie nicht nennen. Die 25 Kilometer lange Maximalvariante dürfte nach übereinstimmenden Angaben aus Kreisen beider Koalitionsparteien aber nicht kommen.

Geplant ist nach APA-Informationen eine kürzere Sperre links und rechts des Grenzübergangs Spielfeld: Der Zaun soll in nordöstlicher Richtung fünf Kilometer bis zur Mur sowie mehrere Kilometer nach Südwesten reichen.

Vorgesehen sind den bisherigen Plänen zufolge zwei Reihen: zuerst ein Maschendrahtzaun, der Verletzungen an der dahinter vorgesehenen zweiten Reihe aus Stacheldrahtrollen verhindern soll. Der Grenzabschnitt nach Ende des Zaunes soll mit verstärkten Patrouillen kontrolliert werden.

Offiziell wollte dies am Donnerstag noch niemand bestätigen. Auch Mikl-Leitner nannte am Rande einer Pressekonferenz keine Details. Sie betonte lediglich, dass von der Länge des Zaunes auch abhängen werde, welche technischen Maßnahmen und wie viel Personal zur Sicherung notwendig seien. Eine letzte Verhandlungsrunde mit Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) ist für Freitagvormittag angesetzt.

Auf SP-Seite wird die Notwendigkeit des Zauns nach wie vor bezweifelt. In beiden Koalitionsparteien wird allerdings betont, dass Innenministerin Mikl-Leitner das Projekt auch ohne Zustimmung der SPÖ umsetzen könne. Die Ministerin könne innerhalb ihrer Ressortverantwortung alleine vorgehen.

Auf einen Alleingang wollte sich die Ministerin am Donnerstag zwar nicht festlegen, kündigte jedoch eine Entscheidung für Freitag an. "Morgen wird entschieden", betonte Mikl-Leitner: "Die Geduld der Bürger ist endenwollend und meine auch."

13:15 - Slowenien baut weiter an Zaun

Slowenien hat am Donnerstag die Errichtung des Zauns an der Grenze zu Kroatien fortgesetzt. Unterdessen kamen weiterhin laufend ungehindert Flüchtlinge ins Land. Bis Donnerstagfrüh 6.00 Uhr erreichten erneut rund 3.400 Menschen Slowenien, am Mittwoch waren laut Polizeiangaben insgesamt 7.550 Neuankünfte gezählt worden. Seit Mitte Oktober passierten insgesamt 188.000 Flüchtlinge das kleine EU-Land.

Seit dem frühen Morgen rollten die slowenischen Soldaten am Donnerstag erneut Stacheldrahtzaun entlang der Grenze aus, wie die slowenischen Medien berichteten. Die Arbeit wird in der Grenzregion Brezice, die bisher am meisten unter Druck stand, fortgesetzt. Auch in die Gemeinde Sredisce ob Dravi wurden am Donnerstag Drahtrollen gebracht und Soldaten begannen damit, die Trasse für den Stacheldraht vorzubereiten. Laut Tageszeitung "Delo" soll sich der Zaun links und rechts vom dortigen Grenzübergang in der Länge von jeweils einem halben Kilometer erstrecken.

In der Nähe des Grenzübergangs Rigonce (Gemeinde Brezice) stehen seit Mittwoch bereits rund zwei Kilometer des mannshohen NATO-Drahts, die vom Dorf Veliki Obrez entlang des Grenzflusses Sotla bis zum Grenzübergang ausgerollt wurden. Die Arbeiten setzen sich am Donnerstag flussaufwärts in Richtung des Grenzübergangs Rakovec fort.

Insgesamt 80 Kilometer Zaun sollen an den kritischen Abschnitten der slowenisch-kroatischen Grenze ausgelegt werden. Ljubljana beteuert, dass der Zaun dazu dienen soll, den Flüchtlingsstrom zu den vorgesehenen Eintrittspunkten zu lenken und zerstreute Übergänge über die Grüne Grenze zu vermeiden.

13:00 - Schwedische Grenzkontrollen könnten länger bleiben

Die vorübergehend eingeführten Grenzkontrollen zwischen Dänemark und Schweden könnten länger andauern, als die vorerst verfügten zehn Tage. Der schwedische Regierungschef Stefan Löfven bestätigte am Donnerstag vor schwedischen Journalisten in der maltesischen Hauptstadt Valletta entsprechende Äußerungen des Chefs der Einwanderungsbehörde, Anders Danielsson, im Schwedischen Fernsehen.

Danielsson sagte, er gehe davon aus, dass die Kontrollen länger dauern würden, die Maßnahme habe sonst keinen Sinn. Wenn sie effektiv sein sollten, müssten die Kontrollen über einen viel längeren Zeitraum hinweg durchgeführt werden, so Danielsson in dem TV-Interview. Die geltenden Schengen-Regeln erlauben die Aussetzung der freien Grenzen aus besonderen Anlässen für bis zu 30 Tage.

Zunächst war unklar, wie die Grenzkontrollen vorgenommen werden. Am Donnerstag war von stichprobenartigen Personenkontrollen die Rede. Zwischen dem südschwedischen Malmö und der dänischen Hauptstadt herrscht ein intensiver täglicher Pendlerverkehr. Viele Pendler befürchten Behinderungen, berichteten schwedische Medien am Donnerstag.

Sowohl Danielsson als auch Löfven betonten indes, es gehe nicht darum, die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge zu begrenzen, sondern die derzeit durch die hohe Anzahl von neu ankommenden Menschen unübersichtliche Situation in Schweden in kontrollierte Bahnen zu lenken. In Stockholm befürchtet man eine Verschärfung des Gesellschaftsklimas.

In den vergangenen fünf Wochen wurden in Schweden rund ein Dutzend bisher unaufgeklärter Brandanschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte verübt. Die einwanderungsfeindlichen Schwedendemokraten genießen Umfragen zufolge derzeit Rekordwerte in der Popularität unter der schwedischen Bevölkerung.

A4-Flüchtlingsdrama: Fast alle Opfer identifiziert

Nach dem Flüchtlingsdrama auf der A4 im Bezirk Neusiedl am See am 27. August, bei dem 71 Flüchtlinge tot in einem Kühl-Lkw entdeckt worden waren, sind laut Polizei nun "annähernd alle Opfer identifiziert". "Wir haben gute Fortschritte bei der Identifizierung gemacht. Das Endergebnis steht aber noch aus", sagte Polizeisprecher Gerald Pangl am Donnerstag zur APA.

Bisher wurden knapp 60 Sterbeurkunden und Leichenpässe von der Gemeinde Nickesldorf ausgestellt. "Es waren auch Familienmitglieder mit dem Leichenbestatter hier und haben Papiere abgeholt. Bei manchen waren es Angehörige, die bereits hier in Österreich leben und deren Verwandte nachkommen hätten sollen", schilderte der stellvertretende Amtsleiter Wolfgang Gonter.

Die Überführung eines Toten kostet laut dem Nickelsdorfer Bürgermeister Gerhard Zapfl (SPÖ) zwischen 3.000 und 5.000 Euro. Das sei ein Schätzwert, der aus der Erfahrung in der Vergangenheit hervorgehe, erläuterte er im APA-Gespräch. Die Kosten für die Überführung müssen die Angehörigen tragen. Jedoch können Familien bei Botschaften und Vereinen um finanzielle Hilfe bitten.

Wann der Abschlussbericht zum Flüchtlingsdrama da sein werde, konnte von der Polizei zunächst nicht gesagt werden. Man gehe allerdings davon aus, dass es noch im November eine Pressekonferenz dazu geben werde.