Gefährliche Lustpille

Viagra für Frauen - Welche Risiken das Medikament Flibanserin mit sich bringt

Eine Pille, die die Frauenwelt revolutioniert? Wohl eher nicht. Und dennoch: Flibanserin, die erste Lustpille für die Frau, ist ab heute unter dem Namen "Addyi" in den USA erhältlich. Das neue "Viagra für die Frau" zielt darauf ab, den weiblichen Sexualtrieb zu steigern und so mehr Schwung in das Liebesleben der Frau zu bringen. Klingt vielversprechend. Warum die Lustpille dennoch floppen und, vor allem, welche Risiken sie mit sich bringen könnte, lesen Sie hier.

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Leben - Gefährliche Lustpille

Flibanserin, ursprünglich als Mittel gegen Depressionen entwickelt, soll den weiblichen Sexualtrieb ankurbeln, indem es die Produktion des lusthemmenden Hormons Serotonin senkt, während es die Konzentration des Glückshormons Dopamin sowie die von Noradrenalin anhebt. Sowohl Dopamin als auch Noradrenalin können die weibliche Libido steigern. "Flibanserin gibt den Frauen die notwendige Startenergie für die Lust", veranschaulicht die Sexualmedizinerin Dr. Elia Bragagna im Gespräch mit News.at. Dabei müsse man jedoch genau zwischen jenen Frauen differenzieren, denen es tatsächlich an den entsprechenden Substanzen mangelt, und denen, deren Lustlosigkeit einen anderen Grund hat.

Gründe für die Lustlosigkeit

So wird Flibanserin speziell zur Behandlung einer allgemeinen Hypoaktiven Sexualtriebsstörung (HSDD) bei Frauen vor der Menopause zugelassen. Laut FDA ist es ausdrücklich nicht anzuwenden, wenn der verminderte Sexualtrieb auf psychische oder körperliche Beschwerden, Beziehungsprobleme, den Einfluss von Medikamenten oder anderen Drogen zurückzuführen ist. Insofern kommt der Diagnose eine besondere Bedeutung zu: "Wichtig ist herauszufinden, was hinter der Lustlosigkeit steckt", betont Bragagna.

»Jede zehnte Frau ist lustlos und leidet darunter.«

"Jede zehnte Frau ist lustlos und leidet darunter. Die Zahl jener, die lustlos sind, aber keinen Leidensdruck verspüren, ist noch höher." Bei der Mehrzahl der Betroffenen würden Kommunikationsprobleme zwischen den Partnern die Lust über kurz oder lang töten. "Auch hormonelle Erkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, chronische Darmentzündungen, chronische Erschöpfung durch die Arbeit oder starke Belastung machen vor allem junge Frauen sehr, sehr häufig lustlos."

Wem hilft die Pille tatsächlich?

Ebenso können Verhütungsmittel oder psychische Leiden wie Depression oder Burnout der weiblichen Lust einen Strich durch die Rechnung machen. Hier gilt es, beim eigentlichen Problem anzusetzen, da es sinngemäß wenig bringt, etwa einer Frau, die an einer chronischen Darmentzündung leidet, eine mit Dopamin und Noradrenalin angereicherte Pille zu verpassen. So gesehen dürfte Flibanserin nur einem kleinen Prozentsatz, aktuellen Studien zufolge gar nur einem Zehntel der Frauen, die an Lustlosigkeit leiden, helfen.

Gefährliche Nebenwirkungen

Addyi ist aber nicht nur weniger effizient als Viagra, das, einmal eingeworfen, direkt und bei fast 100 Prozent der Männer wirkt, sondern auch wesentlich risikoreicher. Es hat häufig starke Nebenwirkungen wie Schwindelgefühle, Müdigkeit und Übelkeit. Im Zusammenspiel mit Alkohol kann es sogar ernsthafte Beschwerden wie Ohnmacht oder gefährlich niedrigen Blutdruck auslösen. Daher dürfen Frauen während der gesamten Dauer der Einnahme keinen Alkohol trinken. Abgesehen davon muss Flibanserin täglich eingenommen werden, wobei sich leichte Effekte erst nach Wochen abzeichnen.

Druck auf Frauen wächst

Die eigentliche Gefahr von Flibanserin sieht Bragagna aber darin, dass das Medikament das Bild der weiblichen Libido verfälschen könnte. Ganz nach dem Motto: Pille geschluckt - Lust da. "Ist die Substanz erst einmal auf dem Markt, gibt es kaum mehr einen Grund, dass die Frau nicht so funktioniert, wie sie sollte", erläutert Bragagna den damit steigenden Druck. Dabei tritt Lustlosigkeit nicht nur in höherem Alter auf: 30-Jährige sind genauso häufig betroffen wie 65-Jährige. Warum? "Möglicherweise sperrt sich der Körper der Frau gegen Vorgaben, wie er in Bezug auf Lust zu sein hat."

Was ist weibliche Lust?

Was also ist die weibliche Lust? Dazu Bragagna: "Viele Frauen spüren die Lust erst, wenn sie emotional erregt sind. Sie sind innerlich aufgewühlt, angenehm berührt, haben Herzklopfen..." Sind sie dagegen erschöpft oder macht ihnen ein Streit mit dem Partner zu schaffen, geht die emotionale Erregung und damit auch die Lust flöten.

Warum Routine die Lust tötet

Ebenso kann Wiederholung die Lust killen: "Rein neurobiologisch werden Dinge, die immer gleich sind - so wie das Sexualverhalten in einer langen Beziehung - im Hirn abgestumpft ", warnt Bragagna. "Prägt Routine den Alltag, wird sich bald auch Lustlosigkeit einschleichen." Dagegen sprechen Frauen "irrsinnig gut an, wenn sie in Resonanz, in Kontakt mit dem Partner sind - anders als in Softpornos dargestellt, in denen Frauen grundlos Lust haben." Und: "Frauen springen nicht mehr auf die 'gängige Form' von Sex an. Ich finde, es ist an der Zeit, dass man die weibliche Lust wertschätzt."

Dr. Elia Bragagna ist Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychosomatik, Psycho- und Sexualtherapeutin, Leiterin der Akademie für Sexuelle Gesundheit (AfSG), Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Österreichischen Akademie der Ärzte und ärztliche Leiterin der Sexualmedizinischen Praxis Graz.

Kommentare

wenn frau einen sexerfahrenen mann neben sich hat, braucht sie das zeugs nicht wirklich :-)

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