Kredit aufnehmen? Darauf sollten Sie jetzt achten

Durch die Coronakrise wurden viele Institute bei privaten Kreditvergaben strenger. Auch wenn die Zinsen im Keller sind, sollte man bei der Aufnahme eines Kredits genau überlegen

von Finanzen - Kredit aufnehmen? Darauf sollten Sie jetzt achten © Bild: Shutterstock/Drazen Zigic

Die Pandemie hat Menschen, die über eine Kreditaufnahme nachdenken, verunsichert. Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und der Blick in eine generelle finanziell unsichere Zukunft lässt den Traum vom Eigenheim für viele in weite Ferne rücken. Diese Unsicherheit spüren nicht zuletzt die Kreditinstitute, und das, obwohl die Zinsen so niedrig sind wie nie zuvor.

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Während die Nachfrage nach privaten Konsum-und sonstigen Krediten im zweiten Quartal 2020 um etwa 0,3 Milliarden Euro einbrach, ist die Nachfrage nach Wohnbaukrediten seit 2019 jedoch konstant gestiegen, so die Österreichische Nationalbank. Grund dafür ist das anhaltend niedrige Zinsniveau.

Mehr Eigenmittel, mehr Spielraum

Insgesamt sind die Institute bei Kreditvergaben allerdings strenger geworden. In einer europaweiten Umfrage der Zentralbanken Europas sowie der Europäischen Zentralbank zeigte sich, dass vergangenes Jahr im Kreditgeschäft der Banken mit privaten Haushalten Verschärfungen von Kreditrichtlinien und -bedingungen forciert wurden. Im vierten Quartal 2020 wurden die Margen für durchschnittliche Wohnbaukredite erhöht. Dass die Kreditaufnahme für Haushalte zunehmend schwieriger wird, bestätigt auch Finanzierungsexpertin Valmire Kelmendi von der Finanzfuchsgruppe GmbH: "Die Kreditvergaberichtlinien wurden zu Beginn der Pandemie noch einmal nachgeschärft. Dadurch es ist für private Kreditnehmer nicht einfacher geworden."

Wer über mehr liquide Eigenmittel verfügt, ist klar im Vorteil. Die Expertin für Hypothekarfinanzierungen rät: "Meine persönliche Empfehlung lautet, mindestens 20 Prozent der Kreditsumme an Eigenmitteln einzubringen, da hier mehr Spielraum bei den Zinsverhandlungen mit den Banken zum Vorteil der Kunden besteht. Auch kleine Verbesserungen im Zinssatz bedeuten hohe Einsparungen in der Tilgung des Kredits." Mindestens sollten aber die Kaufnebenkosten als liquide Mittel vorhanden sein, so Kelmendi. "Die Kaufnebenkosten setzen sich zusammen aus 3,6 Prozent Maklergebühr, diversen Kosten für den Notar beziehungsweise Treuhänder (ca. 2,4 Prozent), die Gebühr für die Eintragung ins Grundbuch (1,1 Prozent) und die Grunderwerbssteuer (3,5 Prozent)."

Die in Wien ansässige VRG Immobilien GmbH geht sogar davon aus, dass manche Institute das Vorhandensein von weitaus mehr liquiden Eigenmitteln voraussetzen: "Die Corona-Krise macht das Thema Wohnen zum wichtigsten Faktor in unserem Leben. Bei Finanzierungen für Private zur Schaffung von eigenem Wohnraum sind die Banken bereits äußerst vorsichtig geworden, und ein Eigenkapital von rund 40 Prozent ist Voraussetzung", so das Unternehmen.

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Vor der Wahl des Kreditinstituts sollte in jedem Fall eine gründliche Analyse stattfinden, so Kelmendi. "Eine ausführliche Bedarfsanalyse ist essenziell, um die finanzielle Situation sowie auch künftige Ziele und Erwartungen der Kunden festzuhalten. Dabei gilt es unter anderem, neben der Laufzeit auch die Art der Verzinsung zu klären. Erst mit dieser individuellen Bestandsaufnahme ist es möglich, passende Angebote einzufordern und gemeinsam die bestmögliche Finanzierung mit der günstigsten Kostenstruktur zu finden."

Immobilien weiterhin hoch im Kurs

Ist momentan überhaupt eine gute Zeit, um in Immobilien zu investieren? "Ganz klar: Ja!", so Kelmendi. "Die Zinsen sind so niedrig wie noch nie. Weiterhin spricht viel für eine Investition in Wohnimmobilien, sowohl zur Eigennutzung als auch als Anlage." Aufgrund der außerordentlich guten Zinssituation denken viele ihrer Kunden darüber nach, von ihren Mietobjekten in eigene Immobilien zu wechseln, erklärt die Expertin, "um statt der steigenden Mietkosten in Eigentum zu investieren".


Kelmendi geht nach wie vor von steigenden Kaufpreisen für Eigentumswohnungen aus. "So sind zum Beispiel in Wien von 2019 auf 2020 die Quadratmeterpreise um 8,1 Prozent gestiegen." Da die Nachfrage vor allem im unteren und mittleren Preissegment weiterhin hoch bleiben wird, sind Immobilien weiterhin eine gute Kapitalanlage, meint die Spezialistin für Hypothekarfinanzierungen. Ihrer Schätzung zufolge bleiben Immobilien in der Bundeshauptstadt weiterhin beliebt: "Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen in den Wiener Bezirken wird nach wie vor auf hohem Niveau bleiben. Aus meiner beruflichen Erfahrung nehme ich außerdem an, dass die Nachfrage bei Anlegerwohnungen sogar noch zunehmen wird."

Schuldenfallen umgehen

Umschuldungen können eine Möglichkeit sein, bei laufenden Krediten Geld zu sparen. Die Arbeiterkammer Wien rät bei diesen allerdings zur Vorsicht. Etwaige Nebenkosten könnten empfindlich ins Gewicht fallen, die Zinsersparnis auffressen oder die Umschuldung gar in ein Minusgeschäft verwandeln: "Es gilt: Je höher der noch offene Kreditsaldo und je länger die Restlaufzeit, desto mehr kann man einsparen." Bei vorzeitiger Rückzahlung sollte der Kreditnehmer klären, ob ein Pönale verrechnet wird, mahnt AK-Konsumentenschützer Martin Korntheuer. Er rät dazu, das Gespräch mit der Bank zu suchen. "Es kann sich doppelt auszahlen, mit der bisherigen Bank zu verhandeln. Sie können Zinsen bei gleichzeitig keinen oder niedrigen Nebenkosten sparen."

Für viele Menschen in Österreich sind die finanziellen Verpflichtungen, die ein Kredit mit sich bringt, während der Krise teilweise untragbar geworden. Obwohl die Banken signalisiert haben, bei Kreditrückzahlungen kulant sein zu wollen, laufen aktuell mehrere Verbandsklageverfahren im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums gegen österreichische Banken. Man will klären, ob Banken ihren Kunden für die gesetzliche Stundung zusätzliche Zinsen verrechnen dürfen, so das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Minister Rudolf Anschober empfiehlt Betroffenen: "Sollte es in Einzelfällen zu Problemen kommen, können sich Konsumenten gerne an das Konsumentenschutzministerium wenden."

Auch Kelmendi rät: Wer Kredite nicht mehr stemmen kann, soll dies besser heute als morgen ansprechen. "Ich begleite meine Kunden auch weiterhin und suche mit ihnen und dem jeweiligen Kreditinstitut gemeinsam nach Lösungen. Wichtig ist, in diesen Zeiten nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern rasch die Probleme offen anzusprechen." Damit der Traum vom Eigenheim nicht zur Schuldenfalle wird.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 8/21

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