Alle Fakten zum Fall Aliyev

Darum geht es in der spektatkulären Causa rund um den kasachischen Ex-Botschafter

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Ex-Botschafter - Alle Fakten zum Fall Aliyev

Im Gespräch mit "Café Puls" hat Ainedter am Dienstag erhebliche Zweifel geäußert. Auf die Frage, warum das in Kasachstan verübte Verbrechen nicht auch dort verhandelt wird, antwortet er: Das sei auch mit ein Grund, dass er nicht an eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse glaube. "Wie soll man etwas beurteilen, dass nicht nur Jahre her ist, sondern auch tausende Kilometer entfernt passiert ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Wahrheit nicht ans Tageslicht befördert werden kann", sagt der Jurist. Bis heute würden ihm außerdem noch keine Ergebnisse einer toxikologischen Untersuchung vorliegen, die Licht in die Umstände des Todes seines Ex-Mandanten bringen könnten.

Die Causa Aliyev beschäftigt die österreichische Justiz nun schon seit Jahren. Doch wie hat eigentlich alles angefangen und was sind die Eckpunkte des Falls? NEWS.AT klärt in kompakter Form darüber auf, was hinter den bis heute ungelösten Geschehnissen steckt.

Im Jahr 2002 wird Rakhat Aliyev, Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, als kasachischer Botschafter nach Österreich geschickt. Nur drei Jahre später geht Aliyev als Vizeaußenminister zurück in seine Heimat.

Im Jänner 2007 verschwinden Aybar Khasenov und Zholdas Timraliyev, beide Manager der kasachischen Nurbank. Aliyev ist zu dieser Zeit Haupteigentümer der Bank. Im Februar 2007 kehrt Aliyev als Botschafter nach Österreich zurück. Kurz danach werden in Kasachstan Ermittlungen gegen den Botschafter eingeleitet, er soll die beiden Banker entführt haben.

Im Mai 2007 wird Aliyev als Botschafter abgesetzt und Kasachstan verlangt seine Auslieferung. Schließlich landet der Ex-Botschafter im Juni desselben Jahres vorübergehend in Haft. Doch ein Interview im Nachrichtenmagazin "profil" bringt damals die Wende in Bezug auf das Auslieferungsgesuch. Dort bezeichnet sich Aliyev als "Staatsfeind Nummer eins". Und er führt an: "Das Verfahren, das in Kasachstan gegen mich läuft, ist nicht fair und basiert auf rein politischer Motivation". Daraufhin wird im August der Auslieferungsantrag abgelehnt.

Der Ex-Botschafter wird im Jänner 2008 in Kasachstan wegen der Gründung einer mafiösen Vereinigung in Abwesenheit zu 20 Jahren Haft verurteilt. Wenig später kommt eine Verurteilung wegen Planung eines Staatsstreichs hinzu - wieder werden 20 Jahre verhängt. Mit Aliyev verurteilt wurde Alnur Mussayev, der Chef des ehemaligen kasachischen Geheimdiensts KNB. Im April 2008 spricht Aliyev erstmals davon, dass sein Ex-Schwiegervater, der kasachische Präsident, Kopfgeldjäger auf ihn angesetzt habe. "Er hat Geheimdienste und kriminelle Organisationen beauftragt, mich zu liquidieren", sagt er in einem Interview mit "profil". Tatsächlich sind damals zwischen Juli und September drei aktenkundige Attacken auf Alnur Mussayev und Vadim Koshlyak, Aliyevs persönlicher Assistent, verübt worden.

Anfang 2009 gerät schließlich ein Wiener Polizist im Fall Aliyev ins Visier: Er soll sensible Informationen für den kasachischen Geheimdienst besorgt haben und an den Spion Ildar A. weitergereicht haben. Es gibt Gerüchte, dass auch der kasachische Geheimdienst Abgeordnete beeinflusst haben soll. Das Parlament setzt einen Untersuchungsausschuss ein. Der mutmaßliche Spion Ildar A. wird Anfang 2010 in einem Prozess freigesprochen.

Von August bis Dezember 2010 tut sich in der Causa einiges: Der Wiener Anwalt Gabriel Lansky wirft Aliyev die Bildung einer kriminellen Vereinigung in Österreich vor. Und es tauchen WikiLeaks-Depeschen zur Affäre Aliyev auf, die einige Aspekte neu beleuchten: Bundespräsident Heinz Fischer soll seine für Oktober 2010 geplante Reise nach Kasachstan aufgrund einer direkten Intervention Aliyevs in letzter Minute abgesagt haben. Weiters informierte laut Depeschen John Ordway, der damalige US-Botschafter, schon im Mai 2007 Washington darüber, dass Aliyev durch eine Serie verwegener öffentlicher Stellungnahmen die Geduld Nasarbajews überstrapaziert hätte. Aliyev habe kasachischen Amtsträgern "kriminelle Machenschaften" vorgeworfen.

Im Mai 2011 wird die Causa offiziell zum Mordfall: Die Leichen der beiden bis dahin vermissten Banker werden auf dem Gelände einer ehemaligen Firma Aliyevs in Kasachstan gefunden.

Im Juni 2011 folgt ein weiterer Rundumschlag von Aliyev: Er gibt an, dass Nasarbajew "Medien in Österreich über die PR-Agentur Hochegger und den Rechtsanwalt Gabriel Lansky für sich eingenommen" habe und dabei "kasachische Gelder verteilt" worden seien. Lansky weist in einer Aussendung wiederum Aliyevs Behauptung zurück, über seine Kanzlei seien Gelder geflossen, um Aliyev zu schaden. Ebenfalls im Juni wird ein zweiter Auslieferungsantrag im Fall Aliyev abgelehnt.

Ab Juli 2011 ermittelt dann die österreichische Justiz gegen Aliyev wegen Mord- und Geldwäschevorwürfen. Aliyev hat sich indes nach Malta abgesetzt und soll dort den Namen seiner Frau, Shoraz, angenommen haben. Ausgereist ist der Ex-Botschafter mit einem österreichischen Fremdenpass, den Aliyev angeblich bereits 2009 von der Bezirkshauptmannschaft Horn in Niederösterreich erhalten haben soll. Das Dokument ist allerdings nicht auf Rakhat Aliyev ausgestellt worden, sondern auf den Familiennamen Shoraz.

In den nächsten Jahren wird es ruhiger um die Causa: Für neuen Wirbel sorgen im Juni 2013 die Vorwürfe gegen Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer: Er soll dem kasachische Regime vertrauliche Dokumenten im Fall Aliyev zugesteckt haben.

Im April 2014 gerät Justizminister Wolfgang Brandstetter ins Visier. Brandstetter "ein Mittäter, ein Assistent von Rakhat Aliyev", sagt der kasachische Aktivist Serik Medetbekow damals bei einer Pressekonferenz in der OSZE in Wien. Brandstetter weist die schweren Vorwürfe zurück. Brandstetter soll ein Vertrauter Aliyevs gewesen sein. Bis zur Ablehnung von Aliyevs Auslieferung an Kasachstan war Brandstetter Aliyevs Rechtsbeistand. Er habe ihm kurzzeitig Unterschlupf in seinem Haus in Niederösterreich gewährt, wie die deutsche Internetplattform "eurActiv.de" damals aufdeckte. Seit Frühjahr 2011 haben Manfred Ainedter und Otto Dietrich den Ex-Botschafter vertreten.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 2014 wird Rakhat Aliyev (alias Shoraz) auf dem Wiener Flughafen aufgrund eines Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Wien vom 19. Mai festgenommen. Die mutmaßlichen Mittäter - und nun die beiden einzigen Angeklagten im aktuellen Prozess - sind am Morgen des 5. Juni 2014 verhaftet worden. Dabei handelt es sich um den früheren Chef des kasachischen Geheimdienstes, Alnur Mussayev, und den engen Mitarbeiter und Leibwächter Aliyevs, Vadim Koshlyak. Gegen alle drei Beschuldigten wird am 6. Juni 2014 wegen des dringenden Tatverdachts des zweifachen Mordes die Untersuchungshaft verhängt. Die Mordanklage wird im Dezember 2014 eingebracht. Kurz danach macht ein angeblicher Erpressungsversuch durch zwei Mithäftlinge Schlagzeilen. Sie sollen gedroht haben, den Ex-Botschafter umzubringen, wenn er ihnen nicht 3.000 Euro bezahlt.

Am 24. Februar 2015 wird Aliyev tot in seiner Zelle in der Justizanstalt (JA) Josefstadt aufgefunden. Zunächst gehen die Ermittler von Selbstmord aus, doch seine Anwälte betonen bei einer Pressekonferenz, dass sie nicht an Selbstmord glauben. "Ebenso rätselhaft wie der Fall selbst ist der Tod unseres Mandanten", sagt Anwalt Manfred Ainedter und führt weiter aus, "es ist eigentlich ausgeschlossen, dass unser Mandat freiwillig aus dem Leben geschieden ist." Auch die Witwe gibt bei der Pressekonferenz ein Statement ab:

Video von der Pressekonferenz:

Kommentare

Oliver-Berg

Wer endlich wissen will, wie man in den ehemaligen Teilrepubliken der UDSSR zum Oligarchen aufsteigt, kann beim Alijew-Prozess als Gerichtskiebitz zuhören und wird aus dem Staunen nicht herauskommen. Der Fall Alijew ist symptomatisch für die gesamte Wirtschaftselite in Russland und den ehemaligen Teilrepubliken.
Der Prozess wird ausser Kosten kein verwertbares Ergebnis bringen.

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