EU-Gipfel: Streit um Top-Personalien

Kandidatensuche: Merkel schließt Verschiebung der Personalentscheidung nicht aus

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Europa - EU-Gipfel: Streit um Top-Personalien

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss nicht aus, dass die geplanten Personalentscheidungen verschoben werden könnten. "Es kann sehr gut sein, dass es nur eine erste Diskussion gibt", sagte Merkel vor dem EU-Gipfel am Mittwochabend in Brüssel. Sie sei dafür, das Thema umfassend zu lösen. Dass dies schon heute gelinge, glaube sie eher nicht.

Unmittelbar danach machten Gerüchte die Runde, wonach am 23. Juli ein weiterer EU-Sondergipfel in Brüssel zur Lösung des EU-Personalpakets stattfinden könnte. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür aber nicht. Neben dem EU-Außenbeauftragten sollen auch die Posten des EU-Ratspräsidenten und eines permanenten Eurogruppenchefs neu besetzt werden.

Über Topposten werde seit Tagen gesprochen

Frankreichs Präsident Francois Hollande sagte, seinem Land komme es weniger auf Personen als auf Ziele und Ausrichtung an. Über die beiden Topposten werde seit Tagen gesprochen. "Entschieden ist noch gar nichts", betonte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) bei seinem Eintreffen im EU-Ratsgebäude in Brüssel. Die italienische Außenministerin Federica Mogherini nannte er "eine ausgezeichnete Kandidatin" für den Posten des EU-Außenbeauftragten.

"Das ist nicht der allerbeste Start"

Der finnische Regierungschef Alexander Stubb kommentierte die Verschiebung des Gipfelstarts im Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten: "Das ist nicht der allerbeste Start. Sieht aus, als würde es die ganze Nacht dauern." Aus seiner Sicht solle vor allem über den nächsten EU-Außenbeauftragten entschieden werden, sagte Stubb bei einem Vorbereitungstreffen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel. Man habe "keine Eile" für eine Entscheidung über weitere Topjobs.

Auch sein Amtskollege Fredrik Reinfeldt aus Schweden will zunächst über die Nachfolge von Catherine Ashton entscheiden. "Am wichtigsten ist der Hohe Repräsentant, er ist der Schlüssel zur restlichen Kommission", sagte Reinfeldt. Bei den restlichen Posten sei eine Balance zwischen Parteienfamilien, Geschlechtern und zwischen Ost- und West sowie Süd- und Nordeuropa nötig.

Bei dem Treffen wollten die Staats- und Regierungschefs über das Amt des hohen Vertreters der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik entscheiden. Bisher ist dies die Britin Catherine Ashton. Es geht zudem um den nächsten EU-Ratspräsidenten und einen hauptamtlichen Chef der Eurogruppe.

Aussichtsreiche Kandidatin

Insgesamt muss ein Paket geschnürt werden. Als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy gilt die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt.

Die Chancen der ursprünglich als Favoritin gehandelten italienischen Außenministerin Federica Mogherini auf das Außenbeauftragten-Amt sanken vor Gipfelbeginn. Kritiker warfen der linken Politikerin unter anderem mangelnde Erfahrung vor, weil die 41-Jährige erst seit Februar in Rom im Amt ist. Als mögliche Alternative galt die konservative bulgarische EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Kristalina Georgiewa.

Die Christdemokraten und Konservativen im EU-Parlament pochen auf einen erfahrenen Außenpolitiker, "der dem Gewicht Europas auch ein Gesicht geben kann", so der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. Vorbehalte gegen Mogherini kommen auch aus Osteuropa. Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite sagt vor Gipfelbeginn: "Wir wollen eine Person sehen, die zumindest nicht pro-Kreml ist." Die person für den Posten müsse Erfahrung mitbringen und neutral sein. So sollte so weit wie möglich alle Meinungen, etwa im Fall des Ukraine-Konfliktes reflektieren, so Gybauskaite. Speziell auf Mogherinis Hintergrund angesprochen, sagte Grybauskaite: "Das ist ein Problem." Die Italienerin ist erst vier Monate im Amt und gilt zudem als Russland-freundlich.

Balance zwischen Frauen und Männern

Laut Lissabon-Vertrag ist bei der Kandidatenkür für die Topposten Kommissionschef, Ratspräsident und Außenbeauftragter die geografische und demografische Vielfalt der Union zu berücksichtigen. Auch eine Balance zwischen Frauen und Männern sowie den großen Parteifamilien Sozialdemokraten und Konservativen wird angestrebt. So wollen die europäischen Sozialdemokraten zwei der insgesamt vier Brüsseler Topposten. "Es ist ganz logisch, dass wir beide Posten beanspruchen", sagte EU-Parlamentschef Martin Schulz. Sie unterstützen daher Mogherini und Thorning-Schmidt.

Nach einem Bericht der französischen Zeitung "Le Monde" soll der französische Sozialist und frühere Finanzminister Pierre Moscovici EU-Währungskommissar werden. Die Konservativen haben allerdings Vorbehalte gegen ihn. Das wichtige Amt des Währungskommissar dürfe nicht von jemandem besetzt werden, der dem "Schuldenmachen" verschrieben sei, erklärte EVP-Fraktionschef Manfred Weber.

An der Spitze der Kommission steht der frühere luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker. Er wurde am Dienstag vom Europaparlament gewählt.

Ukraine und die Gewalt im Nahen Osten

Weitere Themen des eintägigen Treffens sind die Ukraine und die Gewalt im Nahen Osten. Die EU bereitet eine Verschärfung ihrer Sanktionen gegen Russland vor. Sie wolle jetzt auch Unternehmen, die zur Destabilisierung der Ukraine beitragen, auf eine schwarze Liste setzen, sagten EU-Diplomaten. Merkel betonte, dass "der russische Beitrag zu einem Frieden in der Ukraine noch nicht ausreichend" sei.

Auch der britische Premier David Cameron forderte "eine klare Botschaft" an Russland. Das Verhalten Russlands im Ukraine-Konflikt sei "inakzeptabel".

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