Österreichs Balkan-Engagement
als Vorgeschichte

Die Ursachen für den Krieg lagen tiefer als die Schüsse von Sarajevo

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Erster Weltkrieg - Österreichs Balkan-Engagement
als Vorgeschichte

Österreichs Interessen in der Region gehen auf die Zeit der Türken-Kriege im 16. Jahrhundert zurück und wuchsen, je mehr die türkische Expansionskraft nachließ. Durch die Verdrängung aus dem deutschen und italienischen Raum im 19. Jahrhundert nahm das politische und wirtschaftliche Interesse Wiens am Balkan weiter zu. Die nationalen Bewegungen auf dem Balkan stellten auch den inneren Zusammenhalt der Monarchie infrage, da ein Irredentismus wie im Fall Italiens drohte.

1829 erkämpfte sich Griechenland die Unabhängigkeit von der Hohen Pforte (der osmanischen Regierung, Anm.), 1867 folgte Serbien und 1877 die zuvor vereinigten Donaufürstentümer Moldau und Walachei (das spätere Rumänien). Große Teile der Balkanhalbinsel blieben unter osmanischer Herrschaft, doch war ihr Ende nur eine Frage der Zeit. Österreich-Ungarn konnte dem Entstehen neuer Staaten in seiner unmittelbaren Nachbarschaft nicht tatenlos zusehen, auch wenn seine außenpolitische Handlungsfähigkeit durch die Notwendigkeit des Interessensausgleichs zwischen den beiden Reichshälften gehemmt war. Ungarn war bemüht zu verhindern, dass die Expansionspolitik zu einer Unterminierung des Dualismus führte.

Unentschlossenheit im Krimkrieg

Das erste Balkanproblem, mit dem sich Österreich Mitte des 19. Jahrhunderts herumschlagen musste, war der Krimkrieg (1853-56). Russland wollte damals die orthodoxen slawischen Balkan-Völker befreien und unter seiner Führung vereinen sowie der Schwarzmeerflotte einen freien Zugang zum Mittelmeer verschaffen. Im Juli 1853 besetzte Russland die Fürstentümer Moldau und Walachei, was die Hohe Pforte im Oktober mit einer Kriegserklärung beantwortete. London und Paris eilten den Türken zur Hilfe.

Entgegen den russischen Erwartungen verhielt sich Kaiser Franz Joseph neutral und setzte sich damit zwischen die Stühle. Im Juni 1854 forderte er die Räumung der Donaufürstentümer durch die Russen, die dann von den Österreichern besetzt wurden. Im Oktober verhinderte der Aufmarsch österreichischer Truppen an der russischen Grenze, dass der Zar seine Einheiten auf der Krim verstärken konnte. Dies trug zur russischen Niederlage bei, doch ging Österreich bei dem Pariser Frieden von 1856 leer aus. Die Donaufürstentümer wurden Österreich nicht zugesprochen. Franz Joseph gelang es später trotz zahlreicher Begegnungen mit den russischen Herrschern nicht mehr, das ramponierte Verhältnis mit St. Petersburg wieder zu verbessern.

Weitere österreichische Provokation Russlands

Unglücklich verhielt sich Österreich auch gegenüber Serbien. Nach der Ermordung von Fürst Mihailo Obrenovic im Sommer 1868 unterstützte Wien auf Betreiben des ungarischen Ministerpräsidenten Gyula Andrassy die Wahl seines minderjährigen Sohnes Milan Obrenovic zum Fürsten. Außenminister Ferdinand Beust hatte sich dagegen für eine neutrale Haltung eingesetzt, um einen Konflikt mit Russland zu vermeiden.

In der Folge bekam die Balkanpolitik eine immer stärkere internationale Dimension. Russland verfolgte unter Zar Alexander II. weiter die Politik einer Befreiung aller slawischen Balkanvölker sowie der Ausdehnung an die Meerengen Bosporus und Dardanellen. Bei ihrem ersten Drei-Kaiser-Treffen in Berlin (1872) konnten sich der deutsche Kaiser Wilhelm I., Franz Joseph und Alexander II. trotz ihrer Rivalität darauf verständigen, den Status Quo auf dem Balkan zu wahren.

Mandat zur Besetzung Bosnien-Herzegowinas

Eine grundlegende Neuordnung der Region erfolgte beim Berliner Kongress im Juni/Juli 1878, der nach dem Debakel der Hohen Pforte im Russisch-Türkischen Krieg 1877/78 stattfand. Damals waren russische Truppen bis knapp vor Konstantinopel vorgedrungen. Österreich-Ungarn erhielt das Mandat zur Besetzung von Bosnien-Herzegowina, wobei die Souveränität des Sultans auf unbestimmte Zeit gewahrt werden sollte. Außerdem das Recht, im Sandschak von Novi Pazar eine Garnison zu unterhalten. Damit sollte ein serbischer Einfluss auf Bosnien-Herzegowina verhindert werden. Da die orthodoxe slawische Bevölkerung der Provinzen mit einem Anschluss an Serbien sympathisierte, verließen sich die neuen österreichischen Verwalter mehr auf die muslimische Bevölkerung.

Eine folgenschwere Weichenstellung erfolgte im Oktober 1879, als sich Österreich-Ungarn im Zweibund stärker an das Deutsche Reich band. Das unter Reichskanzler Otto von Bismarck geschlossene Bündnis sah gegenseitige Hilfe bei einem russischen Angriff und freundliche Neutralität bei einem Angriff durch andere Großmächte vor. 1882 schloss sich Italien dem Zweibund an, 1883 schloss Rumänien einen geheimen Verteidigungspakt mit Wien und Berlin. 1881 hatte auch der serbische Fürst Milan Obrenovic einen Geheimvertrag mit Österreich geschlossen, der sein Land wirtschaftlich und politisch an die Donaumonarchie band. Wiens Einfluss auf dem Balkan erreichte in dieser Zeit seinen Höhepunkt.

Kurze Phase der Stabilität

Doch die Stabilität sollte nur von kurzer Dauer sein. Gegen die Jahrhundertwende setzten nämlich Konflikte zwischen den neuen Staaten auf der Balkanhalbinsel ein. 1885 brach ein Krieg zwischen Serbien und Bulgarien aus, wobei die Truppen des seit dem Berliner Kongress autonomen Bulgariens die Oberhand behielten. Nur eine Invasionsdrohung Österreichs hielt Bulgarien davon ab, selbst in Serbien einzudringen. 1887 wählte Bulgarien den früheren österreichischen Offizier Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha zum Fürsten, was Russland mit einer Invasionsdrohung beantwortete.

Bismarck veröffentlichte daraufhin als Warnung an Russland den bisher geheimen Wortlaut des Zweibundes mit Österreich. Zugleich schloss der deutsche Kanzler einen Rückversicherungsvertrag mit Russland, in dem sich beide Seiten wohlwollende Neutralität im Fall eines Krieges mit einem Drittland zusicherten, mit Ausnahme eines Konfliktes zwischen Deutschland und Frankreich oder zwischen Russland und Österreich-Ungarn. Allerdings lief der Vertrag nach der Entlassung Bismarcks im Jahr 1890 aus. Damit wurden die Karten zwischen den großen Mächten neu gemischt. Frankreich schloss 1893 ein Bündnis mit Russland und auch Großbritannien, das formell an seiner Politik einer "Splendid Isolation" festhielt, ging immer mehr auf Distanz zu Deutschland.

Außenpolitische Anlehnung an Deutschland

Beim Staatsbesuch Franz Josephs in St. Petersburg 1897 wurde der Status Quo auf dem Balkan bestätigt. Russland orientierte sich damals stärker in den Fernen Osten, was zum Krieg gegen Japan führen sollte. Weil Wien außenpolitisch immer mehr in Abhängigkeit Berlins geriet, verlor seine Balkanpolitik die bisherige britische Unterstützung. Zugleich wurde der Verbleib Italiens im Dreibund immer fragwürdiger, da es einen Seekrieg mit der starken britischen Flotte vermeiden wollte. Auch nahm das Balkaninteresse Roms zu. Die innenpolitischen Krisen in der Donaumonarchie trugen zusätzlich dazu bei, dass Österreich-Ungarn sich in seiner Balkanpolitik am Deutschen Reich anlehnte.

Kommentare

derpradler

Der 1. Weltkrieg war schon beschlossene Sache lange vor dem Attentat. Der deutsche Kaiser wollte unbedingt den Krieg. Erst als das Attentat passierte stimmte Fr.J. widerwillig zu! Wäre es nur nach Österreich gegangen hätte es diesen Krieg in diesem Ausmaß nie gegeben!

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