Eros - erfolgreich seit 30 Jahren

Heute spielt Ramazzotti in Wien. Im Interview spricht er über Politik und Familie.

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Menschen - Eros - erfolgreich seit 30 Jahren

Ihr neues Album heißt "Perfetto". Wofür steht Ihre außergewöhnliche Körperhaltung auf dem Coverfoto?
Das Foto ist eine Art Kontrapunkt zum Titel "Perfetto". Ich werde von einem Ball nach vorn getrieben. Die Bewegung ist nicht perfekt. Soll heißen: Letztendlich zählt nicht das Äußere, am Ende zählt das, was jemand im Innern hat. In unserem Zeitalter, in dem alles online ist, zählen Fotos bzw. das Äußere meiner Meinung nach immer weniger. Und sie werden immer weniger zählen. Das gilt auch für die Wirtschaft und die Banken.

Wenn man Medien und Musik vergleicht, hat die Musikindustrie zumindest besser verhandelt und kassiert bei den großen Internetfirmen mit. Sie verkaufen Ihre Lieder noch, bei uns Medien konsumieren die Leser lieber online und am liebsten alles gratis.
Wir veranstalten Konzerte, das ist für uns das Wichtigste. Wenn du den Künstler sehen willst, musst du zum Konzert gehen. Unser Glück ist, dass die Leute zu den Konzerten kommen. Aber sonst ist alles sehr viel schwieriger geworden. Diese neuen Technologien sind einerseits positiv, andererseits aber auch destruktiv.

Kommen wir zum Album zurück, der Titel verheißt Großes. Wie schätzen Sie sich selbst ein? Sind Sie ein Perfektionist?
Ich bin von Natur aus ein Perfektionist. Aber die Perfektion existiert nicht.

Also gebrauchen Sie dieses Wort mit Ironie?
Nein. Es gibt auf dem Album ein Lied, das "Perfetto" heißt, auch weil man dieses Füllwort in Italien häufig verwendet. Auch in einigen Liedern ist das Wort "perfetto" schon vorgekommen. Um den Titel eines Albums im Gedächtnis der Leute festzuzurren, sollte das helfen. Und in einer Welt, die ein bisschen so lala ist und gerade etwas abdriftet, gibt es zumindest die Sehnsucht nach Perfektion.

Der Sound kommt ziemlich unbeschwert rüber, und die Inhalte der Songs, von "Tra Vent'Anni" bis "Rosa Nata Ieri", zeugen von Weisheit und Lebenserfahrung.
Genau, es ist eine Rückkehr in die Vergangenheit, mit wenig Elektronik und mehr Gesang, die Texte haben sehr viel Bedeutung. Obwohl man sie in Österreich vielleicht nicht versteht, ist für mich wichtig, dass ich mit meinen Texten etwas Positives, Interessantes, Wichtiges kommuniziere.

Haben Sie deswegen weniger Elektronik eingesetzt?
Nein, es hängt immer davon ab, wie du die Texte kleiden willst. In diesem Fall wollte ich die ganze Technik außen vor lassen. Mittlerweile nutzen alle das Internet, um Musik zu machen. Wenn du willst, kannst du mit einem Ipad eine CD machen. In diesem Fall wollte ich das Geld, das mir die Plattenfirma gegeben hat, in Menschen investieren, die musizieren, um ein wenig mehr die Wahrhaftigkeit, die Authentizität der Musik zu fühlen und zu hören.

Glauben Sie, dass das Album bei den Fans auch deshalb so gut ankommt?
Der Grund ist meiner Meinung nach, dass es ein sehr positives Album geworden ist. Es beinhaltet Lieder, die sehr stark gesungen sind - und schöne Liebesballaden. Dieser Mix ist meiner Meinung nach bei meiner Arbeit sehr wichtig.

Ist das neue Album eine Art Rückkehr in die Zeit vor 30 Jahren?
Es ist nicht einfach, etwas zu machen, das die Vergangenheit widerspiegelt, weil 30 Jahre vergangen sind. Auch ich habe daran gedacht: Wie würde ein Album aussehen, wenn ich es wie vor 20 oder 30 Jahren machen würde? Es haben sich viele Dinge verändert. Vielleicht hört man in dem einen oder anderen Lied etwas vom frühen Eros.

Die Fans sehen das zum Teil so.
Aber ich bin nicht mehr der junge Mann von damals. Ich bin kein junger Kerl mehr, sondern ein Mann über 50. Ich denke, dass dieses neue Album das gut repräsentiert.

Noch eine Frage zum Musikstil: Darf man "Alla Fine Del Mondo" wegen seiner Countryklänge als akustischen Italowestern bezeichnen?
Dieses Lied hat meine Fans ein bisschen überrascht. Sie haben sich ein "ramazottianisches" Lied erwartet, ich hingegen bin mit einem komplett anderen Lied gekommen. Aber ich finde, dass es auch wichtig ist, verschiedene musikalische Stile zu nutzen, sich auszubreiten. Es ist ja nicht gesagt, dass einer einmal Pop macht und immer Pop machen muss. Neue Elemente zu verwenden ist einfach gut.

Vor Kurzem hat eine österreichische Zeitung in ihrer Wochenendbeilage eine Story über die Protagonisten des Italopop gebracht -von Adriano Celentano über Umberto Tozzi bis zu Ihnen. Fühlen Sie sich in dieser Riege wohl?
Abgesehen davon, dass die Genannten alle nicht mehr sehr jung sind, meinen Sie? Sie alle haben Lieder gemacht, die geblieben sind. Für mich ist es also eine Ehre, in dieser Reihe genannt zu werden. Auch Modugno gehört dazu. Alle diese großen Cantautori (Liedermacher, Red.) sind großartige Künstler. Ich komme aus dieser Generation und bin sehr froh, dass ich auch nach 30 Jahren noch da bin, ein neues Album und eine neue Geschichte präsentieren kann.

Was halten Sie von Adriano Celentano, der den Italo- Sound überhaupt erst nach Österreich gebracht hat?
Celentano ist ein ganz Großer. Wir sind Freunde. Er hat Geschichte geschrieben. Er hat den Italo-Sound mit dem Auto nach Österreich gebracht, auch weil er nicht fliegt. Durch Tunnels fährt er allerdings auch nicht.

In Österreich und in Deutschland haben Sie das Etikett "Schmusesänger" oder "Kuschelrocker". Trifft das zu oder beleidigt es Sie?
Nach Konzerten sehen die Fans das anders. Deswegen ist es so wichtig, auf der Bühne zu stehen und zu zeigen, dass da schon mehr dahintersteckt. Den Fans in Österreich, Deutschland und der Schweiz hat gefallen, dass ich nicht nur ein Cantautore mit Liebesliedern bin, sondern auf der Bühne ein tolles Spektakel mit viel Kraft und Energie abziehe und auch andere Lieder in petto habe. Ich war und bin ein Mix aus vielen Dingen. Das ist der Grund, warum ich nach 30 Jahren immer noch da bin.

Sind Sie eigentlich ein typischer Italiener? Also: heißblütig, eifersüchtig und vor allem ständig in Flirtlaune? Oder ist dieses Bild ohnedies ein Klischee?
Alle sind eifersüchtig, nicht nur die Italiener. Die Eifersucht schlummert, glaube ich, in jedem von uns. Wichtig ist, zu leben und leben zu lassen, wie man sagt. Die Dauerhaftigkeit einer Beziehung hängt von unserem Verhalten ab. Eifersucht ist auch mir nicht fremd, sie ist aber nicht so wichtig.

»"Alle sind eifersüchtig, nicht nur Italiener. Auch mir ist das nicht fremd"«

Braucht eine Beziehung vielleicht sogar ein bisschen Eifersucht?
Wenn die Eifersucht zu groß ist, dann schränkt man die Freiheit des anderen ein. Aber ein bisschen Pfeffer und ein bisschen Salz braucht es schon.

Ein Titel aus Ihrem neuen Album bedient dieses Klischee ganz hervorragend: "Un'Altra Estate". Da wird über Sex am Strand gesungen, oder?
Na ja, das ist nicht so wirklich eindeutig. Es ist eine unschuldige, saubere Liebe.

Handelt das Lied von der Liebe zu Ihrer Frau?
Das kann die Geschichte von jedem sein. Alle Lieder können jeden betreffen. Oder anders gesagt: Die Lieder sind persönlich, aber jeder kann sie für sich in seiner Situation einsetzen, zu einem eigenen Lied machen.

Schreiben Sie die Lieder selbst?
Ich schreibe vor allem die Musik, die Texte machen andere, da brauche ich die Hilfe von Leuten, die das besser können. Ich bringe Ideen ein und liefere den Auslöser, geschrieben werden die Texte dann von drei, vier verschiedenen Autoren.

Wie haben Sie sich selbst in den 30 Jahren seit dem Debütalbum "Cuori Agitati" verändert?
Das Schöne ist: Ich gebe noch nach 30 Jahren Interviews und spiele Konzerte, das ist eine ganz tolle Sache für einen Künstler. Viele sind zwei Sommer lang da und verschwinden wieder. Ramazzotti wollen die Leute immer noch hören. Das ist die eine Seite. Und die andere: Natürlich braucht es eine Veränderung. Ich singe nicht mehr wie vor 30 Jahren. Und auch die Lieder sind anders geschrieben. Alles verändert sich ständig.

Sehen Sie auch die Dinge heute anders?
Aber klar. Total. Ich sehe auch jetzt die Dinge sehr viel anders als etwa vor 15 Jahren. Es hat sich alles sehr schnell verändert. Deshalb muss das, was ich sagen und singen will, eine bestimmte Bedeutung haben. Und es muss jedenfalls positiv sein, weil das in der heutigen Welt gefragt ist.

Was ist das für eine Welt? Vor allem: Was ist das für ein Italien?
Es hat sich alles stark ins Negative verändert. Deshalb wollen die Leute Lieder hören, auf ein Konzert gehen, runter kommen, locker sein.

Sie haben in einem Interview gesagt, Sie wollten keine politischen Lieder machen, das mache keinen Sinn.
Ja, weil die Leute Tag für Tag mit der Krise leben. Den Leuten gefällt es sicher weniger, wenn jemand auch noch ein Album macht, in dem alle Probleme dieser Welt behandelt werden. Ich zumindest bin davon überzeugt.

In der Zeit des konservativen Ministerpräsidenten Mario Monti (2011-2013) haben Sie gesagt: Mit ihm werden wir nicht mehr die letzten in den Ranglisten sein. Zuletzt haben Sie sich auf die Seite des linken Politquereinsteigers Beppe Grillo geschlagen.
Na ja, Monti ist schon einige Jahre her.

Aber dass Sie sich von zwei so unterschiedlichen Politikern angesprochen gefühlt haben, ist schon bemerkenswert.
Ja, klar, der Wille zur Veränderung regt mich eben an. Es muss viel geändert werden. Politik haben die Cantautori vor 40 Jahren gemacht: Francesco De Gregori, Antonello Venditti, Fabrizio De André haben die Realität dieser Zeit beschrieben. Ich habe immer über Liebe und das gelebte Leben gesungen.

In Österreich und Deutschland haben die Leute das Gefühl, dass nach Griechenland auch Italien ein Problem werden könnte.
Die Realität haben wir doch alle vor Augen. Eine falsche Politik in der Vergangenheit bringt negative Resultate, das ist wie bei einer Fußballmannschaft. Deshalb habe ich Beppe Grillo unterstützt, weil seine Partei, die 5-Sterne-Bewegung, die einzige ist, die gegen ein gewisses System, gegen manche Dinge eintritt, die sich in Italien seit Jahrzehnten nicht verändern. Es ist sehr, sehr, sehr schwer, die Dinge zu ändern. Man kann ein großes Land wie Italien nicht von heute auf morgen ändern. Es braucht Jahre, Jahrzehnte.

»"Ich habe die 5-Sterne-Bewegung von Beppo Grillo unterstützt, weil sie die einzige Partei ist, die gegen Dinge auftritt, die sich in Italien seit Jahrzehnten nicht verändern"«

Folgt man Beppe Grillo auf Twitter, bekommt man manchmal schon einen seltsamen Eindruck.
Was soll er machen? Es ist nicht einfach, gegen ein alteingesessenes System aufzutreten. So kosten beispielsweise die fetten Dienstautos für Politiker und andere Privilegierte in Italien unfassbar viel Geld. Und gleichzeitig gibt es Leute, die an Hunger sterben. Das muss geändert werden, aber wie gesagt: Es ist nicht einfach. Wenn ein Minister das Amt für zwei Jahre ausübt, 20.000 Euro pro Monat verdient und danach sein ganzes Leben lang Pension kassiert, ist etwas falsch am System. Hier muss man die Dinge wieder ausgleichen. Da geht es nicht mehr um links, rechts oder Mitte, das sind soziale und humanitäre Themen.

Deshalb wählen Sie Grillo?
Ich wähle, um alles wieder zur Normalität zurückzuführen. Nicht weil jemand rechts oder links ist.

Und wie macht sich Ministerpräsident Matteo Renzi?
Na ja. Alles, was in Italien verändert werden soll, mögen die Leute nicht so gern, aber ein bisschen bewegt sich zurzeit schon.

Zum typischen Italiener gehört auch das Attribut kinderlieb. Halten Ihre beiden Kleinen, Raffaella und Gabrio, Sie auf Trab?
Meine Antwort dazu: Wenn du in Form bleiben willst, solltest du Kinder bekommen.

Möchten Sie noch welche?
Mein Jüngster ist erst fünf Monate alt! Geben Sie mir ein bisschen Zeit. Kommen wir zum Fußball: Warum drücken Sie für Juventus Turin die Daumen und für keinen Mailänder Verein, obwohl Sie hier leben? Stimmt: Ich bin Römer, lebe in Mailand und halte zu Juventus. Schon mein Vater hat zu Juve gehalten, und ich bin dabei geblieben. Sie geben demnächst ein Konzert in Wien. Kennen Sie außer Mozart oder Schubert auch lebende österreichische Musiker? Nein. Falco war mir natürlich ein Begriff, ich habe ihn leider nicht mehr kennengelernt. Aber die beiden anderen Namen sind in diesem Konnex schon etwas bizarr.

Die Story über Ramazzotti-Tochter Aurora finden Sie hier.

ZUR PERSON

Eros Ramazzotti wird am 28. Oktober 1963 in einem Vorort Roms geboren. Seine Leidenschaft gilt neben dem Fußball der Musik. Er startet 1982 richtig durch, als er mit "Terra promessa" das San-Remo-Musikfestival gewinnt. Später arbeitet er mit Stars wie Tina Turner oder Luciano Pavarotti zusammen. Ramazzotti ist in zweiter Ehe mit dem Model Marica Pellegrinelli verheiratet und hat drei Kinder.

ZUM KONZERT


World Tour 2015 Start der Tour, die 23 Konzerte in zehn Ländern umfasst, war in der Arena von Verona. Mit im Tourgepäck hat er alte und neue Hits wie "Adesso tu", "Terra promessa","Alla Fine del Mondo" oder "Più Bella Cosa" und "Stella gemella". Ramazzottis einziges Österreichkonzert geht am 2. Oktober in der Wiener Stadthalle über die Bühne.

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