Elisabeth Gürtler: Das
Leben nach der Stunde Null

Nach dem Tod ihres Ehemanns Helmuth Lohner ordnet sie ihr Leben neu

Ein Jahr ist das jetzt her, dass in Elisabeth Gürtlers Leben kein Stein auf dem anderen blieb. Erst hatte sie an ihrem 65. Geburtstag in aller Stille, ohne Ankündigung und Abschiedszeremonien, das Sacher-Imperium an ihre Kinder übergeben. Wenig später ging ein zwei Jahre lang mit Liebe und verzweifelter Entschlossenheit geführter Kampf verloren: Elisabeth Gürtlers Ehemann, der große Schauspieler Helmuth Lohner, starb am Magenkrebs.

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Leben nach der Stunde Null

Andere hätten das zum Anlass genommen, nach Jahrzehnten härtester Arbeit zur Ruhe zu kommen und in aller Stille zu trauern. Zur Ruhe aber war Elisabeth Gürtler nie begabt, und so haben sich ihre Aktivitäten zuletzt ins Rastlose vermehrt. Ihre Freunde sorgen sich schon um sie. Freie Tage kenne sie nicht, sagt sie, auch nicht am Samstag oder am Sonntag. Sie steht täglich um dreiviertel sieben auf, um einige Runden zu schwimmen und dann unverzüglich mit der Arbeit zu beginnen. Nachts wartet eine Flut an Mails auf Beantwortung.

»Wenn man etwas, das auf Hochtouren gelaufen ist, auf Null fährt, wäre das gefährlich«

Jede Woche wechselt sie für drei Tage von Wien nach Tirol, um eines der spektakulärsten Hotelprojekte des Landes zu finalisieren: Das vom Vater ererbte "Astoria“ in Seefeld wird praktisch neu errichtet. Auf 1200 Metern Höhe entsteht ein Luxusresort für Regenerationsbedürftige. Die Zahl der Zimmer wird von 60 auf 85 erhöht, die Wasserwelt mit 20-Meter-Sportbecken, Salzwasserbereich und Badesee nimmt Gestalt an. Mitte 2017 soll das mit drei Millionen Euro budgetierte Projekt abgeschlossen sein. Auch die zweimal viereinhalb Stunden Fahrzeit nach Innsbruck und zurück verbringt sie arbeitend, im Business-Bereich des Railjets. "Ich brauche das“, sagt sie. "Wenn man etwas, das auf Hochtouren gelaufen ist, auf Null fährt, wäre das gefährlich.“ Und sie fügt hinzu: "Ich bin dankbar, dass ich sehr viel zu tun habe.“ Das ist die eine Seite: eine Frau mit Haltung, von genuiner Noblesse und unerschöpflichen Kräften, die an der Spitze der Spanischen Hofreitschule steht und mit der im Vorjahr gegründeten "Gürtler-Mauthner-Vermögensverwaltung“ ein beträchliches Immobilienportefeuille verwaltet.

Die Lebenskatastrophe

Mit Privatem war sie immer restriktiv, und Gefühle in die Öffentlichkeit zu tragen, ist ihr zuwider. "Helmuths Tod war die Katastrophe ihres Lebens, aber sie ist ein mutiger Mensch, der niemanden in das tiefste Herz schauen lässt“, sagt Lohners lebenslanger Herzensfreund Otto Schenk. "Sie steht ihre Frau wie vom ersten Tag an. Sie verwendet ihre Tätigkeit als Ablenkung von einem unheilbaren Schmerz.“

Der riesige Garten hinter der Gürtler-Villa an der Wiener Peripherie steht in der Blüte. Von der linken Gartenmauer aus führt ein Pförtchen zum benachbarten Grinzinger Friedhof. Dort ruhen viele Große und Mächtige, Gustav Mahler, Thomas Bernhard, Hans Dichand, Peter Alexander und jetzt auch Helmuth Lohner. Das Grab, das Elisabeth Gürtler für ihn erworben hat, ist groß und schlicht. Kein Marmor, nur Mauerwerk und heller Stein und viele Blumen, das Ganze von der Anmutung eines Sommerbeets. Weil er Blumen geliebt und den Garten mit Emphase bepflanzt hat, sagt Elisabeth Gürtler, die ihn ständig besucht.

»Erst nach einiger Zeit wird einem bewusst, dass nichts mehr wie vorher sein wird«

Natürlich habe das Übermaß an Arbeit auch mit dem Verlust und seinen Konsequenzen zu tun. "Das kann man nicht einfach überwinden. Am Anfang ist es leichter, da ist so viel zu tun, dass man sich nicht fallen lässt. Aber je mehr die Spannung nachlässt, desto mehr wird einem bewusst, dass nichts mehr wie vorher sein wird. Und dann bist du zwar tagsüber gefordert und hast keine Zeit zum Nachdenken. Aber die Abendstunden sind ganz wichtig. Ich laufe zwar auch da immer wieder davon und suche mir eine Beschäftigung. Aber Nachdenken ist ganz, ganz wichtig.“

"Man könnte es die große Liebe nennen“, sagt Otto Schenk. "Nach langen Irrwegen in seinen Beziehungen war der Helmuth plötzlich zu Hause, als die beiden einander gefunden hatten. Er war ja nicht ungefährdet, aber sie hat wie ein Schutzengel über ihn gewacht. Und als er die Diagnose bekam, hat sie ihm zwei Jahre lang das Leben verlängert. Es war ein beidseitig fanatisches Nichtglauben, dass es zu Ende sein soll. Das hat ihn noch zu schweren Rollen verführt. Über seine Kräfte hinaus konnte er noch lustig und humorvoll sein.“

Das Leben nach dem "Sacher“

Als sich Elisabeth Gürtler vom "Sacher“ abmeldete, nahmen das auch intern viele nicht ernst: Das Imperium, zu dem auch das Sacher in Salzburg, daszugekaufte Hotel Bristol in Wien, Cafés in Graz und Innsbruck und die hoch profitable Tortenproduktion gehören, sei ohne Elisabeth Gürtler gar nicht vorstellbar. Aber tatsächlich ist sie über Nacht von der Spitze des Organigramms verschwunden und hat seither keine operative Entscheidung mehr getroffen. Das Sacher wurde den Kindern Alexandra und Georg übergeben und wird von Alexandras Ehemann Matthias Winkler geleitet; alle jenseits der vierzig und somit im besten Alter, eine solche Verantwortung zu übernehmen, sagt Elisabeth Gürtler. Sie selbst hält im Hotel nur noch ein Büro, von dem aus sie ihre Firma leitet.

"Es war eine Herausforderung“, schildert Winkler die Zeit der Übergabe. "Sie hat das Haus 25 Jahre lang zu dem gemacht, was es heute ist. Aber das Geschäftsjahr 2015 ist Gott sei Dank eines der erfolgreichsten der Firmengeschichte.“

Im November 2017 endet Elisabeth Gürtlers Vertrag mit der Hofreitschule. Ob ihn die Republik verlängert, ob sie selbst dazu bereit ist, weiß sie noch nicht. Gut möglich, dass in eineinhalb Jahren tatsächlich ein neues Leben beginnt. Vielleicht wird sie dann noch öfter in Tirol sein. Nur das Haus in Grinzing mit dem riesigen Garten wird nie zur Disposition stehen. Sie hat es gleich geliebt, als sie es vor 33 Jahren erwarb, und jetzt ist es ein Ort der Erinnerung. In der Nacht zum 24. April, an dem Helmuth Lohner 83 Jahre alt geworden wäre, fällte ein heftiger Windstoß den hohen Baum vor Elisabeth Gürtlers Fenster. Es war Lohners Lieblingsbaum gewesen, viele Stunden hatte er dort lesend verbracht. An diesem Tag wurde auch der Bundespräsident gewählt, und dass womöglich die Zweite Republik dem Baum hinterherstürzt, hätte der Sozialdemokrat Helmuth Lohner lieber nicht erleben wollen.

Kommentare


Es ist schön zu hören, dass Frau Gürtler nun auch den Tod eines weiteren Ehemannes so gut verkraftet der ihre Lebenskatsatrophe war.
Es gibt Frauen denen bleibt nach dem Tod des Mannes eine Pension von € 900,- und eine kenne ich, der blieben auch noch Schulden zu tilgen. Diese Probleme können - ist das dem Autor vorstellbar? - noch schwieriger zu meistern sein. Wie steigert man Katastrophe?

es wäre erfreulich und anzuraten, sich auch aus der hofreitschule zu verabschieden. freundlich gesagt.

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