Elbphilharmonie-Eröffnung:
Deutschland feierte sein "Juwel"

Bundespräsident Gauck: Breites Angebot ein "Gebot der Gerechtigkeit"

Wenn die Hamburger Elbphilharmonie am Mittwochabend unter der Last der Verantwortung, nun endlich eröffnet zu werden, zusammengebrochen wäre - Deutschland hätte mit einem Schlag den Großteil seiner Polit-, Wirtschafts- und Kulturprominenz verloren. Von Bundespräsident Joachim Gauck abwärts hatte sich alles, was Rang und Namen hat, an der Elbe für den großen Moment versammelt.

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© Video: APA

Offizieller Festakt mit Prominenz

Gauck erklärte beim offiziellen Festakt, der dem Eröffnungskonzert vorgeschaltet war, die Elbphilharmonie zum "Juwel der Kulturnation Deutschland". Dabei ließ er auch die gestiegenen Kosten für das neue Hamburger Wahrzeichen nicht unerwähnt, die sich schließlich auf 789 Mio. Euro für die Bürgerschaft beliefen. Nun müsse man mit einem entsprechenden Programm eine Vielfalt an Menschen ins Haus bringen, die bis dato noch kein Konzert besuchten: "Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit, weil neue Konzertsäle die Steuerzahler viel Geld kosten, wie hier in Hamburg jeder weiß."

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete gegenüber dem NDR das neue Haus als fantastischen Konzertsaal: "Eines Tages werden wir alle sehr stolz sein, dass auch zu unseren Zeiten mal etwas gebaut wurde, wo Menschen vielleicht in 50 und 100 Jahren noch sagen: Guck mal, das war damals im Jahr 2017 am 11. Januar."

Diesen Moment wollten sich neben praktisch der gesamten deutschen Bundesregierung, einem Gutteil der DAX-Chefs und einer Kohorte an Fernseh- und Filmprominenz auch zahlreiche Kulturtreibende aus Österreich nicht entgehen lassen. So reichte das Publikumsspektrum vom neuen Salzburger Festspielchef Markus Hinterhäuser über den Wiener Konzerthaus-Intendanten Matthias Naske bis zu Scala-Direktor Alexander Pereira.


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Und was die Musikexperten erlebten, war eine akustische Meisterleistung. Der erste Klang, der offiziell in der Elbphilharmonie anhob, war denkbar reduziert: Benjamin Brittens Soloklarinettenstück "Pan" aus "Sechs Metamorphosen nach Ovid" markierte den Auftakt einer musikalischen Reise des Residenzorchesters, dem NDR Elbphilharmonie Orchester, unter seinem Chefdirigenten Thomas Hengelbrock.

Dieser hatte das Programm klug auf die Stärken des Klangkörpers abgestimmt, die vornehmlich im Zeitgenössischen liegen. Nach der krankheitsbedingten Absage von Jonas Kaufmann und Anja Harteros, hielt neben Bryn Terfel vor allem Countertenor Philippe Jaroussky die Fahne der Stars hoch und stellte mit einigen Renaissance-Arien die akustischen Möglichkeiten des Ausnahmebaus unter Beweis, der auch Solisten, die in den oberen Rängen singen, raumfüllend verteilt.

Akustischer Probelauf bestanden

Die Leistung des renommierten japanischen Akustikers Yasuhisa Toyota ist phänomenal. Der Saal, der zur Schallentkopplung auf Federn ruht, besticht durch eine Akustik, die einen gleichmäßigen Mischklang bietet und dabei frappanterweise zugleich ein sehr durchsichtiges Klanggewebe bietet, das die einzelnen Instrumentengruppen klar unterscheidbar macht - und damit wenig Fehler verzeiht. Mit dem Eröffnungskonzert hat die Elbphilharmonie endgültig ihren Lakmustest bestanden. Eines der wesentlichsten Elemente, das der Akustikexperte aus den gewonnenen Erkenntnissen kreiert hat, ist die von den Hamburger Vermarktern "Weiße Haut" getaufte Verschalung des Großen Saales mit 10.000 individuell gefrästen Gipsfaserplatten. Die eigentliche Farbe erinnert dabei eher an Pappe denn an Weiß - und bei der gestrigen Eröffnung des Baus musste jeder Besucher einmal auf die Wände klopfen und diese berühren. Der Farbton dürfte also mittelfristig eher noch dunkler werden.

Die Besucher erleben einen Konzertsaal, der mit seinen 2.100 Plätzen eigentlich zu den größten seiner Zunft gehört und durch das Weinberg-Prinzip der amphitheatralen Verteilung der einzelnen Sitzgruppen im gesamten Rund dennoch eine überraschende Intimität ausstrahlt, kleinteilig ist, aber nicht kleinmütig. Die große Geste ist hier mit nordischem Minimalismus kombiniert.

Dabei kommt vieles dieser nordischen Noblesse eigentlich aus Österreich. Zumtobel aus Dornbirn hat die 2.800 Leuchtkörper der Innenbeleuchtung gefertigt, darunter 1.200 mundgeblasene Glaskugeln, während die Wiener Experten Waagner Biro für die gesamte Bühnentechnik der Ober- und Untermaschinerie verantwortlich zeichnen. Und der steirische Traditionsbetrieb Cserni formte nach den Vorgaben der Basler Architekten Herzog & de Meuron die Möblierung der verschiedenen Tresen im Haus.

Optische Entschädigung

Den neuen Elphi-Klang konnten aber vorerst nicht alle Interessierten live im Saal miterleben. Zur optischen Entschädigung gab es für Schaulustige eine Lichtinstallation auf der Fassade, welche die Musik optisch übersetzte - wozu nicht zuletzt die Barkassenunternehmen Fahrten im Angebot hatten. Trotz sprichwörtlichen Hamburger Schmuddelwetters nutzten Hunderte Interessierte die Gelegenheit.

Ansonsten war die Elbphilharmonie angesichts des prominenten Besuchs im Inneren polizeilich intensivgesichert - von Betonpollern über Sperrungen bis hin zum Einsatz von Sprengstoffspürhunden. Während am Vorabend der Eröffnung noch die Entschärfung einer Fliegerbombe in der Hafen City und ein parallel dazu ausbrechender Brand in der U-Bahn für Verkehrschaos gesorgt hatte, verlief der Abend laut einem Polizeisprecher gegenüber der dpa ruhig.

Eine Frage der Kosten

Mit dem Mittwochabend kam ein Kulturprojekt zu einem glanzvollen Abschluss und zugleich Start, das die Hamburger nun beinahe zehn Jahre beschäftigt hatte. Der Grundstein für die Elbphilharmonie auf einem alten Kaispeicher aus den 1960ern wurde bereits am 2. April 2007 gelegt. Eigentlich sollte das gläserne Konzerthaus der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron bereits 2010 eröffnen, verzögerte sich aber stetig. Das Gebäude umfasst neben dem großen Konzertsaal mit 2.100 Plätzen noch einen kleinen Konzertsaal mit 550 und ein Kaistudio mit 170 Plätzen, ein Hotel mit 244 Zimmern und 45 Eigentumswohnungen.

Die Kosten stiegen für die Steuerzahler von ursprünglich angedachten 77 auf 789 Millionen Euro. Zugleich nehmen die Hamburger ihren neuen Prestigebau an, hat doch bereits eine halbe Million Menschen die öffentliche Plaza in 37 Metern Höhe seit der Eröffnung am 5. November besucht. Mit Spontanbesuchen eines Konzerts wird es in nächster Zeit allerdings schwer - ist doch die bis Juli laufende Konzertsaison praktisch ausgebucht.

Im Saal selbst endete der Eröffnungsabend, der am Donnerstag im Kleinen Saal seine Fortsetzung findet, jedenfalls mit Stehenden Ovationen des Publikums. Und hier beklatschten die Hamburger wohl nicht nur die Leistung des Orchesters und der visionären Erbauer des neuen Konzertsaals - sondern auch den eigenen Mut, ein derart grenzwertiges Mammutprojekt als Bürgerschaft nicht nur in Angriff genommen, sondern auch mit Aufbietung aller Kräfte zum Abschluss gebracht zu haben.

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