Eklat im Bundesrat: VP-Frauen versuchten,
Gudenus an seiner Zustimmung zu hindern

SP-Cap: "Unfassbarer demokratiepolitischer Skandal" Grüne verlangen Einberufung einer Sonderpräsidiale

Für einige Aufregung sorgten bei der Abstimmung um den Neuwahlantrag im Bundesrat zwei VP-Abgeordnete, die den FP-Mann John Gudenus an einer Zustimmung zum Antrag hindern wollten. Hervor tat sich vor allem Michaela Gansterer, die dem Freiheitlichen mehrfach die Hand herunterzureißen versuchte. Auch Sissy Roth-Halvax soll Gudenus nach Angaben von Sitzungsteilnehmern drangsaliert haben.

VP-Bundesrätin Michaela Gansterer hat nach eigenen Angaben ihren Kollegen nicht an der Zustimmung zum Neuwahl-Antrag der Opposition hindern wolle. Sie habe ihm nur den Arm heruntergerissen, "weil ich absolut überzeugt war, dass der Herr Kollege einen Irrtum begeht und nicht aufgepasst hat", erklärte die niederösterreichische Mandatarin Freitag Vormittag. Freilich sei sie ein "bissl ungestüm" gewesen, das freie Mandat habe sie aber überhaupt nicht behindern wollen.

Gansterer verwies darauf, dass Gudenus erst Sekunden vor der Abstimmung den Saal betreten habe. Noch dazu habe er mit seinem Handy telefoniert. Da sei sie überzeugt gewesen, dass Gudenus glaube, es gehe um eine andere Abstimmung. Dies sei im Bundesrat immer wieder schon einmal vorgekommen. Hätte sie gewusst, dass der FPÖ-Mann wirklich für den Antrag sei, hätte sie vielleicht "in den Bart hineingemurmelt", wäre aber "sicher nicht handgreiflich geworden". Sie habe die Aktion "fast als freundschaftliche Geste gesehen", so Gansterer.

Keine Konsequenzen für Abgeordnete
Die beiden ÖVP-Bundesrätinnen müssen nach ihren Handgreiflichkeiten gegen ihren FP-Kollegen John Gudenus keine strafrechtlichen Konsequenzen befürchten. Strafbar ist dieses Verhalten nach Ansicht des Wiener Strafrechtlers Fank Höpfel nicht.

Strafbar ist gemäß Par. 251 Strafgesetzbuch (StGB) die Nötigung von Mitgliedern des Parlaments, der Regierung, der Höchstgerichte sowie des Rechnungshofpräsidenten. Darin heißt es, wer diesen Personenkreis "mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung nötigt oder hindert, seine Befugnisse überhaupt oder in einem bestimmten Sinn auszuüben, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und im Fall einer schweren Nötigung mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen."

Auf Gansterer und Roth-Halvax trifft dies aber nicht zu, wie Höpfel gegenüber der APA sagt. Er spricht zwar von einer "bedenklichen Sache", betont aber gleichzeitig: "Das war keine Nötigung, keine Gewalt."

Cap: "Unfassbarer demokratiepolitischer Skandal"
Die SPÖ zeigt sich empört darüber, dass zwei ÖVP-Bundesrätinnen versucht haben, Gudenus an seiner Zustimmung zu hindern. Der geschäftsführende Klubchef Josef Cap spricht von einem "unfassbaren demokratiepolitischen Skandal", der Konsequenzen haben müsse. Bundesrats-Fraktionschef Albrecht Konecny will in der nächsten Präsidiale darauf bestehen, dass es nicht bei einem formalen Ordnungsruf bleibe.

Offenbar sei das freie Mandat für die ÖVP nur dann von Bedeutung, wenn es zur Verharmlosung der FPÖ-Spaltung und zur Legitimierung der schwarz-orange-blauen Regierung diene, nicht aber, wenn es ausgeübt werde, kritisierte Cap.

Konecny pochte darauf, dass nicht widerspruchlos hingenommen werden könne, wenn ein Mitglied des Bundesrats an der freien Ausübung seines Stimmrechtes gehindert werde. Einen politischen Stil einreißen zu lassen, "der manchmal im altösterreichischen Reichtstag und in kritischen historischen Situationen in der Ersten Republik vorkam, wäre demokratiepolitisch verantwortungslos."

Grüne forden Sonderpräsidiale
Die Dringliche Einberufung einer Sonderpräsidiale des Bundesrats verlangen die Grünen. Der Klubchef der Grünen im Bundesrat, Stefan Schennach, kritisierte, dass es bei der Abstimmung den "Versuch gegeben hat, einen Abgeordneten bei der Ausübung der Stimmabgabe zu behindern".Ich verlange deshalb eine Sonderpräsidiale innerhalb der nächsten Tage" zur Klärung, so Schennach gegenüber der APA.

Dabei soll auch die Mehrheitsfeststellung bei der Abstimmung geklärt werden. Es habe ja einige Ungereimtheiten gegeben. So habe bei der ersten Abstimmung irrtümlich auch eine ÖVP-Mandatarin kurzfristig ihre Hand zur Unterstützung des oppositionellen Neuwahlantrags gehoben, nicht nur Gudenus. Und dann habe der den Vorsitz führende ÖVP-Bundesrat Jürgen Weiss noch dazu ein falsches Ergebnis mit 31:31 verkündet, weil er sich selbst dazu gezählt habe. Und dies sei laut Geschäftsordnung nicht möglich.

Strache spricht von "Schuss vor den Bug"
Der Wiener FPÖ-Chef - und wohl zukünftige FPÖ-Obmann - Heinz-Christian Strache sieht im Abstimmungs-Verhalten von Bundesrat John Gudenus einen "Schuss vor den Bug". Gudenus habe das getan, was VP-Klubchef Wilhelm Molterer immer fordere, nämlich das freie Mandat auszuüben. Die sich weiterhin zur FPÖ bekennenden Mandatare im Nationalrat forderte Strache im Gespräch mit der APA auf, dies ebenfalls "nach bestem Wissen und Gewissen" zu tun.

Auf den Vorschlag von Gudenus, wonach die FPÖ in die Regierung eingebunden werden sollte, ging Strache nicht näher ein. Es gehe nicht um Posten, meinte der Wiener FP-Chef. Allerdings existiere bereits ein Koalitionspakt der ÖVP mit der FPÖ.

Nationalratspräsident spricht von "einmaligem Zwischenfall"
Nationalratspräsident Andreas Khol (V) hat die Abstimmungsniederlage der Koalition im Bundesrat als "einmaligen Zwischenfall" bezeichnet. Im Radio-"Mittagsjournal" des ORF sagte Khol, einen "wirklichen Einfluss auf die Regierung" habe die Situation aber nicht. Und "was wichtig ist - entscheidend ist die Mehrheit im Nationalrat". Was die von der FPÖ verlangte Einbeziehung in das Regierungsteam betrifft, meinte Khol, eine Aufblähung werde es nicht geben und "das Team wird weiterarbeiten, so wie es jetzt ist".

Für Molterer ist Verhalten der VP-Abgeordneten nicht schlimm
Zu den tumultartigen Szenen bei der Abstimmung im Bundesrat meinte Lopatka, "für die Choreographie im Bundesrat sind wir nicht zuständig". Es sei auch sicher nicht ernst gemeint gewesen, dass irgendwer Gudenus an der Abstimmung hindern wollte. Offenbar waren einige der Bundesräte überrascht von Gudenus' Verhalten.

Molterer zeigte sich wiederum über die mit Wangenküssen dokumentierte Verbrüderung zwischen dem freiheitlichen Bundesrat und seinen Kollegen von der SPÖ verärgert. Offenbar komme es jetzt von einer Spargelkoalition zu einer "Kuss-Koalition". Molterer verwies weiters darauf, dass es bereits zwischen 1982 und 1986 eine ähnliche Situation im Bundesrat gegeben habe. Damals habe die Regierung dort ebenfalls keine Mehrheit gehabt. Die gestrigen Ereignisse hätten "optisch eine gewisse politische Relevanz", jedoch nicht in der politischen Realität, meinte der ÖVP-Klubobmann.

Scheibner: Abstimmung "unerfreulich"
Der freiheitliche Klubchef Herbert Scheibner hat das Verhalten von FPÖ-Bundesrat Gudenus als "unerfreulich" bezeichnet. Doch habe dies "nur beschränkte Bedeutung, die Regierung ist deshalb trotzdem stabil und die Situation im Nationalrat ist eine andere". Also fürchtet er nicht eine ähnliche Situation im Nationalrat? - Scheibner auf Anfrage der APA: "Nein". Scharfe Kritik gab es an Gudenus. Die Forderung von Gudenus nach FPÖ-Ministern in der Regierung lässt ihn unberührt. "Leute, die so agieren, haben keine Handschlagqualität und sind deshalb irrelevant. Wir lassen uns nicht erpressen".

Enttäuschend sei für ihn, dass mit Gudenus "ein ehemaliger Offizier, der den ganzen Tag sagt, er stimmt nicht mit den Linken, dann nach einem Anruf von (Heinz-Christian) Strache dieses Wort bricht". Dass eine ÖVP-Mandatarin den Arm von Gudenus bei der Stimmabgabe im Bundesrat niedergedrückt hat, ist für Scheibner nur ein "Missverständnis" gewesen. "So weit ich weiß, hat Gudenus noch immer telefoniert, so dass man geglaubt hat, dass das ein irrtümliches Votum war".
(apa)