"Eine Revolution für Österreich"

"Eine Revolution für Österreich"

Format: Vor einem Jahr haben Sie als Magna-Manager die Welt bereist und von Frank Stronach viel Geld bekommen. Jetzt duellieren Sie sich mit Gewerkschaft und Opposition. Bereuen Sie es, in die Politik gegangen zu sein?
Grasser: Ich bin sehr froh über meine Entscheidung, habe aber doch auch ein weinendes Auge. Ich komme aus der Privatwirtschaft, und ich werde wieder in die Privatwirtschaft gehen. Dort fühle ich mich wohl, das ist mein Leben. Auf der anderen Seite war das vergangene Jahr das wohl interessanteste bisher.

Format: Wie gefällt Ihnen das Wort Wende?
Grasser: Der Begriff ist durchaus treffend. Die große Koalition war nicht bereit, Veränderungen zuzulassen; in der Bevölkerung gab es eine enorme Frustration mit Politik und Regierung. Wir haben die Wende geschafft, die Zeit der Reformen hat begonnen.

Format: Wann ist Ihre Mission abgeschlossen?
Grasser: Die Aufgabe eines Finanzministers ist niemals abgeschlossen. Ich habe immer gesagt, daß ich mir vorstellen kann, zwei Legislaturperioden zu arbeiten. Denn ich will nicht nur eine wirtschaftspolitische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Wende herbeiführen. Es braucht einige Zeit, um dort hinzukommen, wo ich gerne wäre: nämlich in einem freieren, liberaleren Österreich. Ein Land, in dem die Menschen nicht alles vom Staat wollen, sondern viel mehr Eigenverantwortung tragen.

Format: Wie paßt das damit zusammen, daß Sie trotz Budgetsanierung und Sparpaketen mit dem Füllhorn herumlaufen und die üppigste Familienförderung Europas weiter aufdoppeln?
Grasser: Das Budget 2000, wo viele gesagt haben, daß es nicht hält, ist eine spektakuläre Verbesserung, wie EU Kommissar Solbes festgestellt hat. Das Defizit wird bei exakt 39,265 Milliarden Schilling liegen, um 15 Milliarden besser als veranschlagt. Wir haben bereits einen riesigen Schritt in Richtung eines ausgeglichenen Haushalts geschafft. Es geht darum, die Voraussetzungen für eine florierende Wirtschaft, künftige Vollbeschäftigung, Lebensqualität und Wohlstand zu schaffen.

Format: Dafür zahlen die Österreicher mit der höchsten Steuerlast in der Geschichte.
Grasser: Die Steuerquote lag 1999 bei 44,7 Prozent, heuer bei 44,6 Prozent. Insofern stimmt Ihr Vorwurf nicht.

Format: 1999 war die Steuerquote die höchste der Geschichte, die damalige Steuerreform sollte sie drastisch senken. Auch Ihr Regierungsprogramm verspricht eine Entlastung.
Grasser: Die Budgetkonsolidierung verlangt auch Opfer. Ich will nicht geliebt werden, sondern muß für die Bevölkerung Zukunfts- und Finanzpolitik machen. Auch mir ist es unangenehm, daß die Österreicher 44,6 Prozent ihrer Zeit für den Finanzminister arbeiten müssen. Wir werden daher noch heuer die Grundlagen einer umfassenden Steuerreform ab 2003 erarbeiten.

Format: Um wieviel soll entlastet werden?
Grasser: Wir machen nur eine Steuersenkung, die wir uns strukturell leisten können. Das Volumen, das bewegt werden soll, wird aber ein sehr großes sein. Uns geht es um eine substantielle Entlastung der Beschäftigten und der Unternehmen. Der Spitzensteuersatz soll verringert, der
Progressionsverlauf flacher und der Körperschaftsteuersatz spürbar reduziert werden. Und das sozial gerecht. Weiters werden wir das System so grundlegend vereinfachen, daß jeder Schüler einen Lohnzettel und eine Steuererklärung versteht.

Format: Da werden Sie kräftig sparen müssen.
Grasser: Wir sparen bei uns selbst. Schon jetzt haben wir die Verschuldungsdynamik gebrochen, die Ausgaben viel stärker gekürzt als die Einnahmen erhöht. Die Pensionsreform spart uns 2003 bereits 18,5 Milliarden Schilling im Jahr ein; im Vorjahr haben wir allein beim Bund 4.400 Dienstposten gestrichen. Der Umbau der öffentlichen Verwaltung hat jetzt höchste Priorität. Bis 2003 wollen wir im öffentlichen Sektorachtzehn Milliarden Schilling einsparen. Im Finanzministerium wird seit 1. Jänner niemand mehr pragmatisiert. Wir wollen das nicht mehr und fordern auch ein klares Bekenntnis der ÖVP: Pragmatisierung im
öffentlichen Bereich darf es künftig nicht mehr geben. Wir werden die Gleichstellung zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft schaffen, das ist Revolution in Österreich. Mein Credo ist einfach: Weg mit der Monarchie, hin zu einem Dienstleistungsunternehmen.

Format: Eine Studie des Wifo-Währungsexperten Peter Brandner zeigt nun, daß es entgegen der Argumentation der Nationalbank jederzeit möglich ist, die im Euroland überschüssigen Währungsreserven anzuzapfen. Werden Sie das tun?
Grasser: Da sehen Sie den Weitblick Jörg Haiders, der bereits vor acht Jahren gefordert hat, die überdotierten Rücklagen der Nationalbank aufzulösen. Seine Forderung hat sich als richtig erwiesen. Eine Reihe von Studien schätzt die Mittel, die da jetzt nicht mehr gebraucht werden, auf sechzig bis hundert Milliarden Schilling. Notwendig wird eine grundlegende Diskussion über die künftigen Aufgaben der Notenbank sein, die wir konstruktiv und gemeinsam führen werden.

Format: Sie wollen die Notenbank rein auf Geldpolitik beschränken?
Grasser: Ich bin immer für die Konzentration auf die Kernaufgaben.

Format: Fühlen Sie sich von Gouverneur Liebscher hintergangen?
Grasser: Nein. Das ist doch menschlich, wenn man Rücklagen und Reserven nicht mehr herausrücken will. Ich hätte in seiner Position wahrscheinlich gleich reagiert.

Format: Fühlen Sie sich als Parteipolitiker?
Grasser: Nein. Ich werde nie einer sein.

Format: Mit so einer Einstellung hat die FPÖ aber sicher wenig Freude. Wie wichtig ist Ihnen überhaupt die Partei, aus der Sie kommen?
Grasser: Der Finanzminister hat in erster Linie eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung. Ich lehne Schwarzweißmalerei ab, mir geht es um die Sache, aber selbstverständlich wird und muß ein erfolgreicher Finanzminister Grasser auch der FPÖ als Partei helfen.

Format: Trotzdem hat die Regierungsbeteiligung der FPÖ geschadet. In allen Umfragen liegt sie deutlich hinter dem Wahlergebnis von 1999. Warum?
Grasser: Es war die richtige Entscheidung der FPÖ, in die Regierung zu gehen. Da geht es um staatspolitische Verantwortung. In der Opposition hätte man weiter tarnen und täuschen können, in der Regierung geht es um mehr. Wir bekennen uns zu dieser Verantwortung. Da muß man auch in der Lage sein, unangenehme Dinge zu kommunizieren, das werden wir noch besser machen. Es gibt jedoch Licht am Ende des Tunnels, auch für die FPÖ. Letztlich wird sie erfolgreich sein und enorme Chancen haben.

Format: Wenn sie weiter Wahlen verliert, ist sie vielleicht rasch wieder weg vom Fenster.
Grasser: Noch einmal: Wenn wir als Team zusammenwachsen, wenn wir besser werden in Information und Kommunikation, haben wir alle Chancen. Die FPÖ wird derzeit weit unter ihrem Wert geschlagen.

Format: Ist die Rückkehr in die Opposition für die FPÖ eine Alternative?
Grasser: Aus meiner Sicht gibt es diese Alternative nicht.

Format: Die FPÖ bietet aber auch nach einem Jahr in der Regierung ein zerrissenes Bild. Auf der einen Seite die konstruktiven Kräfte in der Regierung, auf der anderen die Nach-wie-vor-Oppositionellen rund um Jörg Haider. Diese Strategie muß doch scheitern?
Grasser: Diese Einschätzung teile ich nicht. Haider hat die FPÖ großgemacht, sie in die Regierung geführt. Haider trägt unsere Inhalte mit, steht voll hinter uns. Wir sind ein Team.

Format: Erst kürzlich hat er die FPÖ-Regierungsmannschaft scharf kritisiert und gemeint, "Zwinge Rot raus, Blau rein" sei falsch.
Grasser: Das ist doch völlig absurd. Niemand hat das vorgehabt, niemand geht diesen Weg. Keiner hat daran gedacht, Reinhart Gaugg zum Präsidenten des Hauptverbandes der Sozialversicherungen zu machen. In meinem Bereich kann jedermann sehen, daß es bei Experten nicht um Parteizugehörigkeit, sondern um Kompetenz geht. Noch nie hat es im ÖIAG-Aufsichtsrat zehn Vollprofis, echte Unternehmerpersönlichkeiten gegeben.

Format: Sie meinen zehn schwarz-blaue Unternehmerpersönlichkeiten, allesamt Freunde von Thomas Prinzhorn.
Grasser: Es interessiert mich nicht, was diese Leute wählen. Bei mir kann mit der richtigen Qualifikation jeder etwas werden, ob schwarz, blau, rot oder grün. Ich schätze den Kollegen Peter Strahammer von der VA Stahl, der auf SPÖ-Wahlplakaten zu sehen ist. Ob seiner Kompetenz habe ich ihn auch ersucht, Aufsichtsratsvorsitzender der Finanzierungs Garantie Gesellschaft zu bleiben. Wo es aber Versorgungsfälle, Ministersekretäre oder parteipolitische Entscheidungen gibt, werden wir kompromißlos alles ändern. Im Sinne der Bevölkerung. Dort müssen Leute sitzen, die etwas von der Sache verstehen.

Format: Wie wichtig ist Prinzhorn für Sie?
Grasser: Prinzhorn ist Teil der Wirtschafts- und Finanzkompetenz der FPÖ.

Format: Wer ist Ihr engster politischer Vertrauter?
Grasser: Da gibt es viele. Das Spektrum reicht von der Vizekanzlerin, dem Verteidigungsminister bis zu Jörg Haider.

Format: Die Basis der FPÖ kritisiert die Wirtschaftslastigkeit der Partei. Die Freiheitlichen sind mit Grasser, Prinzhorn und Co zur Partei der Manager und Milliardäre geworden, den "kleinen Mann" habe man vergessen.
Grasser: Das ist nicht so. Wir sind die Hoffnung für die Wirtschaft, das sind Mitarbeiter und Unternehmer. Wir lassen uns da nicht auseinanderdividieren. Den sozial Schwachen muß geholfen werden, aber ich bin gegen soziale Hängematten.

Format: Die FP-Basis sieht das anders, kritisiert die abgehobene Politik ihrer Regierungsmannschaft, die vergessen habe, woher sie komme. An vorderster Front: Jörg Haider.
Grasser: Bei unserem Neujahrsempfang habe ich nichts davon gespürt. Da gab es eine gewaltige Geschlossenheit.

Format: Sie erhalten mittlerweile bei derartigen Veranstaltungen mehr Applaus als Jörg Haider. Ein Problem?
Grasser: Unser Applaus ist gleichermaßen stark. Haider ist eine maßgebliche Stütze der Regierung. Wir haben uns selten zuvor besser verstanden.

Format: Ist Grasser das Zukunfts-, Jörg Haider das Auslaufmodell der FPÖ?
Grasser: Für Grasser ist die Zukunft die Privatwirtschaft, und für die Partei ist die Zukunft Susanne Riess-Passer.

Format: Sie gelten als das freundliche Gesicht einer unfreundlichen Partei, sozusagen der einzige Blaue, dem die Welt vertraut. Das sorgt doch für Spannungen mit dem Rest der Partei.
Grasser: Das ist nicht so. Ich war beim ehemaligen amerikanischen Finanzminister Bob Rubin, bei Larry Summers oder bin bei Alan Greenspan gesessen. Für niemanden war das ein Problem.

Format: Jörg Haider würde bei diesen Leuten doch keinen Termin erhalten?
Grasser: Jörg Haider hat mit Alan Greenspan Tennis gespielt.

Format: Sie können durch die Welt reisen, Jörg Haider nicht?
Grasser: Ich bin Finanzminister, das ist eine geborgte Macht. Nur darum treffe ich mit den Kollegen aus Europa, den USA, Singapur oder Hongkong zusammen.

Format: Haider war in Jesolo und Venedig.
Grasser: Hier wollen doch Medien nur einen Konflikt nszenieren, den es gar nicht gibt. Haider und ich verstehen uns gut. Wir sind älter und reifer geworden.

Format: Neben Kanzler und Vizekanzlerin verwenden nur Sie bei Pressekonferenzen ein gläsernes Pult. Haben Sie vielleicht doch noch Karrierepläne nach dem Ministeramt, reizt nicht der Job des Bundeskanzlers?
Grasser: Es ist nichts festgeschrieben, man muß im Leben immer flexibel und offen für alles sein. Aber ich habe mir zwei Perioden als Finanzminister vorgenommen, und wir haben noch viel zu tun.