"Ein Leben ohne Treue ist wie
ein Bungee-Sprung ohne Seil"

Poetry Slammerin Adina Wilcke sinniert über die Bedeutung der ewigen Treue

von Poetry Slammerin Adina Wilcke © Bild: 2014 by Ellen Eckhardt

97% deutschsprachige Frauen und Männer erwarten in einer Partnerschaft Treue. Die Realität sieht oft anders aus: Zahlreiche Beziehungen scheitern an Seitensprüngen. Woran liegt das?
Ich glaube, dass Treue viel mit einer Entscheidung zu tun hat. Ich habe das Gefühl, dass wir heutzutage alles ausprobieren wollen und uns nicht auf eine Sache festlegen wollen. Wir haben Angst, etwas zu verpassen oder nicht gut genug zu sein. Wir sind faul geworden, Entscheidungen zu treffen, zu ihnen zu stehen und diese bis zum Schluss durchzuziehen.

Man muss sich also aktiv dazu entscheiden, treu zu bleiben. Doch wie schafft man dies ein Leben lang?
Zuerst muss eine beidseitige Bedingungslosigkeit da sein. Doch überzogene Erwartungen an den Partner erschweren diese und dadurch schwindet diese Bedingungslosigkeit. Und dann zweifeln die Menschen daran, dass sie treu sein können, weil sie viel erwarten vom Partner, es aber selber nicht erfüllen können.

Ist die ewige Treue gar eine Utopie, der wir nicht gerecht werden können? Machen wir eine an sich schon schwer Sache zu einer unmöglich zu erreichbaren?
Man muss die Erwartungen an sich selbst erfüllen können und dann kann man es erst vom anderen erwarten. Wenn ich mit Mädels im Teenageralter rede, die von ihrem Traumburschen schwärmen, sag ich immer: Werde du zuerst mal eine Traumfrau und dann wirst du ihm auch über den Weg laufen. Wenn du die Kriterien nicht erfüllst, kannst du an ihm vorbeirennen. Er sucht ja auch eine Traumfrau. Wenn man seinen Anspruch an den anderen aber erst selbst zu erfüllen gelernt hat, kann man sich mit einem anderen auf der bedingungslosen Ebene finden. Und dann ist es gar nicht mehr so utopisch, sich ein Leben lang treu zu sein. Auch wenn viel Arbeit dahinter steckt.

Welche Art von Arbeit wäre das?
Kompromisse in der Beziehung füreinander eingehen und nicht welche außerhalb, die der Beziehung nur schaden würden. Dass man selber für den anderen zurücktritt, der Mann zum Beispiel etwas unternehmen möchte, das nicht mein Ding ist, aber man tut es ihm zuliebe, das bindet stärker, als wenn man nur seine eigenen Bedürfnisse befriedigt haben will. Von sich selber wegschauen ist wichtig.

Was ist Treue für dich?
Zu jemandem oder zu einer Sache zu stehen, komme was wolle. Auch wenn ich irgendwann mal Zweifel hab, aber im Grunde zu der Sache stehe, ohne das Ganze sofort über Bord zu werfen. Sei es in einer Beziehung, einer Freundschaft, in der Arbeit oder ob es eine Moral ist, die ich vertrete. Ich stehe dazu und selbst wenn Gegenwind kommt, bleibe ich dabei. Treue ist auch ein Kämpfen für etwas, das ich für richtig und gut befinde, auch wenn ich dabei einmal einen Schlag ins Gesicht bekomme. Diese Entscheidung gibt mir wiederum Sicherheit und Freiheit, weil ich mich durch Zweifel oder andere Einflüsse nicht umwerfen lasse.

Was wäre eine Welt ohne Treue?
Ohne Treue hätten wir keinen sicheren Rahmen, in dem wir uns bewegen könnten. Das Leben wäre wie ein Bungee-Sprung ohne Seil. Mit Treue ist es der gleiche Sprung, der gleiche Nervenkitzel und Endorphin-Rausch, aber mit Seil hat man die Sicherheit, dass man immer wieder zurück auf den Boden kommt und geborgen ist. Wenn wir keine Treue hätten, würden wir keine Geborgenheit erfahren. Und ich glaube, dass die Liebe dadurch schwinden könnte.

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