E-Zigarette erhitzt die Gemüter

Tückische Einstiegsdroge oder unschädliches Genussmittel?

Dampfende Zeitgenossen beschwören die wohltuenden Wirkungen und gesundheitlichen Vorteile des Umstiegs von herkömmlichen auf elektrische Zigaretten, Medien verbreiten stattdessen Schauermeldungen. Wie schädlich sind die Inhaltsstoffe in den Nikotinverdampfern wirklich?

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Volldampf voraus! - E-Zigarette erhitzt die Gemüter

Preisfrage: Was enthält die krebserregenden Inhaltsstoffe Benzaldehyd, Ethylbenzol, Wasserstoffperoxid, Furan und Methylcatechol? Antwort: Ihre tägliche Tasse Kaffee.

Kaffee ist eben ein Genussmittel, keine Medizin. In Maßen genossen ungefährlich, doch nicht so ungefährlich wie ein Glas Mineralwasser. Genauso kann man auch E-Zigaretten nicht mit Alpenluft vergleichen - sehr wohl aber mit einem herkömmlichen Glimmstängel.

Tödlicher Kippenkonsum

Der Rauch einer Tabak-Zigarette enthält mindestens 60 krebserregende Stoffe. Zähflüssiger Teer verklebt die Bronchien, Kohlenmonoxid greift die Gefäße an. Für jeden zweiten Raucher endet der Kippenkonsum tödlich. „Wäre die Zigarette erst jetzt erfunden worden - sie hätte keine Chance auf Zulassung“, sagt der Grazer Toxikologie-Professor Bernd Mayer. Er hat sich als ehemaliger starker Raucher und jetziger Dampfer intensiv mit der inzwischen umfangreichen Studienlage auseinandergesetzt und erstellt toxikologische Gutachten für Dampfflüssigkeiten (Liquids), die auf den Markt kommen.

Der einzige Stoff, den eine Zigarette und ihr elektronisches Pendant gemeinsam haben, ist Nikotin. Das Nervengift gilt vielen als Buhmann beim Tabak-Konsum. Dabei mag der Stoff suchtfördernd sein, so schlimm wie sein Ruf ist er mitnichten, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum feststellt: „Die schweren, oftmals tödlich endenden gesundheitlichen Schäden, die Rauchen verursachen kann, wie Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, entstehen nicht durch Nikotin.“

Wie schädlich ist Nikotin?

Der Grazer Toxikologe Mayer wollte wissen, wie gefährlich Nikotin wirklich ist. Als tödliche Dosis sind in den aktuellen Pharmakologie-Lehrwerken rund 50 Milligramm angegeben. Auf der Suche nach der wissenschaftlichen Quelle stieß Mayer nach langwieriger Literaturrecherche auf ein Werk von 1906, das sich wiederum auf Selbstversuche in einem noch fünfzig Jahre älteren Lehrbuch bezog. Mayers eigene Schätzungen belaufen sich auf mindestens das Zehnfache der Dosis. Damit wäre Nikotin also viel weniger schädlich als bislang gedacht.

Selbst die Wirkung als Suchtstoff ist inzwischen zum Teil revidiert. Der Standardtest nach Fagerström prüft nun die „Tabakabhängigkeit“ statt der Nikotinabhängigkeit, da Tabakrauch eine Reihe weiterer Suchtstoffe enthält. Einen weiteren Hinweis, dass Nikotin nicht so stark suchtfördernd ist wie angenommen, liefern auch die meisten Dampfer. Beim Umstieg von Tabakzigaretten starten sie zwar meist mit Liquids, die einen hohen Nikotingehalt aufweisen, reduzieren diesen aber innerhalb weniger Monate, oft, bis gar kein Nikotin mehr enthalten ist.

E-Zigaretten: Was steckt in den Liquids?

Sind E-Zigaretten, bei denen Liquids verdampft werden schädlich? Neben Nikotin enthalten die Dampf-Liquids noch Wasser, Propylenglykol, Glyzerin und Lebensmittelaromen. Alle Stoffe sind bestens erforscht und zugelassen. Propylenglykol wird etwa in Inhalationsarzneimitteln verwendet; schädlich für die Lunge ist es nicht. Glyzerin ist in allen natürlichen Fetten und Ölen enthalten und ebenso unbedenklich. Und die Aromen sind in so geringer Menge enthalten, dass auch sie keine großen gesundheitlichen Auswirkungen haben.

In den Medien werden dennoch oft Schauergeschichten verbreitet, etwa die, es seien krebserregende Nitrosamine in manchen Liquids gefunden worden. Dass deren Konzentration in den Produkten 15.000-mal geringer als in einer Zigarette und bis zu 40-mal niedriger als in einem Nikotinkaugummi war, wird dabei gerne unterschlagen.

Nach Durchsicht der bisherigen Studien sagt Toxikologe Mayer jedenfalls: „Einen Hinweis auf eine große Schädlichkeit der E-Zigaretten erkenne ich nicht.“

Kommentare

Peter Korinek

Danke für diesen Artikel. Endlich scheint jemand recherchiert zu haben, bevor es in Druck geht. Dennoch kommt der Artikel leider um mindestens drei Wochen zu spät! Die Massenmedien tragen eine nicht unerhebliche Mitschuld daran, dass Tabakmultis und Pharmaindustrie österreichische Gesetzgebung so beeinflussen können, dass deren Begehrlichkeiten entsprochen wird.

Die Verteufelung der E-Zigarette (schon der Name führt ja in die Irre) weist eigentlich automatisch zu der Frage: Cui bono (wem nutzt es)?

Nutznießer der Kampagnen ist ausschließlich die Tabakindustrie. Sie wird in kaum nachvollziehbarer Weise durch bestimmte Politiker unterstützt, die Rauchverbote auf Dampfer auszuweiten versuchen und dergleichen mehr. Interesaant dazu: http://wp.me/p4tJvE-1b

Bernd Wiesbauer

Endlich wird das Thema "Dampfen" recherchiert und die gesundheitlichen Aspekte relativiert. Danke.
Auch ich wurde, wie so viele, durch das Dampfen zum Nichtraucher.
Nach 35Jahren von ~40 Zig. täglich, von einem Tag auf den anderen auf null Tabakkonsum, und bin seit 220 Tagen rauchfrei. Schade, dass man anderen Rauchern, mit dem Tabakmonopolgesetz, den Umstieg vom Rauchen zum Dampfen erschwert.

Andre As

Hoppla, dieser Artikel war heute früh eine wahre Wohltat und reiner Balsam für die mittlerweile geschundene Dampferseele! Vielen Dank für diese aussagekräftige und rundum gelungene Darstellung meines Genussmittels, welches mich seit 1020 Tagen erfolgreich von der Tabakzigarette fernhält und mir schlicht (m)ein Leben zurück gab. Toll!

Daniel Schmahl

Danke für den klugen und sehr sachlichen Artikel. Selten, viel zu selten findet man noch Journalisten die ihren Beruf ernst nehmen.
Selber von einer mittelschweren COPD betroffen, konnte ich dank der eZig quasi von jetzt auf gleich mit der Pyro brechen und bin seit fast drei jahren Rauchfrei. Meine LuFu hat fast wieder normalisiert und ich fühle mich wieder gesund und fit.

Megan Merlin

Über Nikotin weiß man sehr lange, dass es einem Raucher nicht schadet, aber die Wirkung gibt. Komisch nur, dass man das den Rauchern nicht gesagt hat.
Zitat:
"Auch reiner Nikotindampf wird viel stärker von der Mundhöhle absorbiert, als dies aus dem Rauch der Fall ist"(Google Books)
Dieses Zitat stammt aus dem Jahre 1907. Damals hat man also bereits gedampft.


Erick Storm

This will have to be in english since my german writing is not good enough.
Excellent article.
If nicotine was as addictive as 'experts' report NRT would work a hell of a lot better then it currently does.
When I switched to e-cigs 1 year ago I had the same withdrawal symptoms as reported when quitting cold turkey. It seems nicotine in ecigs did not remove the withdrawal symptoms at all.

Thomas Martin

Vielen Dank für diesen tollen Bericht, der mal wirklich auf Recherche und Fachwissen basiert. Weiter so!

Marcus Agrippa

Oh, der wichtige Link funktioniert nicht!

VG Köln, 25.02.14: http://openjur.de/u/681308.html

Iris Schneider

Vielen Dank für diesen Artikel! Leider wird viel zu selten vernünftig auf die Thematik Dampfen draufgeschaut, die gemeine Presse macht sich mit Stimmungsmache und monotonem Nachgeplapper meiner Meinung nach an vielen Rauchern schuldig.

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