Corona-Neuinfektionen:
"Nichts, was uns freut"

Nach einem dreistelligen Zuwachs bei den Coronavirus-Neuinfektionen in Österreich am gestrigen Mittwoch um 107 Fälle lag der Anstieg am Donnerstag bei 68 neu positiv getesteten Personen. 42 dieser neuen Fälle werden einem bereits identifizierten Cluster in Oberösterreich zugerechnet. Das gab Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bekannt und fügte hinzu, die leichte Steigerung sei "nichts, was uns freut".

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"Nichts, was uns freut"

"Es hat sich wieder normalisiert. Aber es ist noch immer ein Wert, der mir persönlich zu hoch ist", sagte Anschober bei einer Pressekonferenz in Wien. Den neuen Fällen stellte er 23 neue von Covid-19 Genesene gegenüber. Aber auch "in Summe ist eine leichte Steigerung zu erkennen", und das sei "nichts, was uns freut".

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Das neuerliche deutliche Plus bei den Neuinfektionen sei eine Folgewirkung des "durchaus beachtlichen" Ansteckungsherds in Oberösterreich, wo u.a. mit Schul- und Kindergartenschließungen in mehreren Regionen per Freitag Maßnahmen gesetzt werden. Die oberösterreichischen Behörden hätten konsequent und rasch reagiert, sagte der Minister.

Erwartbare Sorge um regionalen Bereich

Seit Mittwoch beobachte er eine "im regionalen Bereich von uns erwartete, aber durchaus mit Sorge zu sehende Entwicklung", führte Anschober aus. Die Daten aus Oberösterreich seien eine Zuspitzung, generell sei mit einer Erhöhung der Fallzahlen in der aktuellen Phase 3 im Kampf gegen das Coronavirus aber gerechnet worden. Ziel sei, den Anstieg rasch wieder "einzufangen", verwies er auf rasches Kontaktpersonen-Management.

Nach den strikten Eindämmungsmaßnahmen bis 14. April und ab da schrittweisen Teilöffnungen, alle 14 Tage, in Summe in zehn Tranchen, seien zunächst keine großen Fallzunahmen oder Clusterbildungen zu sehen gewesen. Nun, in der Phase 3, dem Sommer, müsse es Ziel sein, eine Stabilisierung zu erreichen, auch wenn durch die Lockerungen, den Tourismus und Grenzöffnungen "in Summe mehr Bewegung" und damit "eine gewisse Erhöhung des Risikos" bestehe. Die große Herausforderung sei die Phase 4, der Herbst, wenn vieles wieder indoor stattfinde, was die Ansteckungsgefahr vergrößere.

Appell an die Bevölkerung

Der Gesundheitsminister richtete einen Appell an die Bevölkerung, die Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten: "Auf Basis der Erfahrungen von gestern und der Vortage und mit Blick auf die internationale Ebene" müssten alle "wieder Verantwortung übernehmen". Das umfasse die grundlegenden Hygienemaßnahmen vom Händewaschen bis zum Nicht-die-Hand-Geben, den Mindestabstand und das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes, der in vielen Bereichen noch verpflichtend sei, wie etwa im öffentlichen Verkehr - "auch der Bahnhof zählt dazu". Grundsätzlich solle die Maske überall dort getragen werden, "wo es ein bissl dichter wird", so die Empfehlung Anschobers.

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Kurz: Keine österreichweiten Maßnahmen

Trotz regional steigender Fallzahlen, wie aktuell in Oberösterreich, sind keine österreichweiten Verschärfungen der Maßnahmen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie geplant. Das stellte Bundeskanzler Sebastian Kurz bei einem Pressestatement in Wien klar. "Das Wichtigste ist, dass es ein regionaler Ausbruch bleibt." Dafür müsse alles unternommen werden.

Es gelte mit aller Kraft, eine "Ausbreitung darüber hinaus" zu verhindern, erklärte Kurz. Er sei diesbezüglich auch mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer sowie Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in Kontakt. Egal, wo solche Ausbrüche auftreten könnten, sei es immer vordringlich, "die Infektionsketten zu trennen."

Die bisherigen Ausbrüche seien regional sehr gut zuordenbar gewesen, erklärte Kurz und nannte als erstes Beispiel explizit den "Cluster Wien", wo es im Mai in einem Postverteilerzentrum im Stadtteil Inzersdorf zu einer Häufung von Infektionsfällen gekommen war. In weiterer Folge erinnerte der Bundeskanzler aber auch an ähnliche Vorkommnisse in Hagenbrunn in Niederösterreich (Bezirk Korneuburg) oder jüngst eben in einer Freikirche in Oberösterreich. "Das kann überall in Österreich sein, in jedem Milieu. Man weiß es vorher nicht."

Großes Screeningprogramm startet in Österreich

Österreich startet mit kommender Woche in allen Bundesländern ein großes Screeningprogramm auf SARS-CoV-2. Gezielt sollen Personen- und Berufsgruppen angesprochen werden, in denen die Situation genauer beobachtet werden soll. Die Kosten können bis Ende 2020 rund 240 Millionen Euro betragen, hieß es am Donnerstag bei einer Pressekonferenz von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

"Wir gehen von einer zusätzlichen benötigten Kapazität von 25.000 bis 30.000 Tests pro Woche aus. Die Kostenschätzungen belaufen sich auf 160 Millionen Euro an Laborkosten und an 80 Millionen Kosten für die Organisation", sagte Ulrich Herzog, stellvertretender Sektionsleiter für Verbrauchergesundheit und Veterinärwesen im Gesundheitsministerium. Untersucht werden sollen Personen ohne Symptome in potenziellen Risikobereichen.

Das Programm sei gemeinsam mit den Bundesländern erstellt und akkordiert worden. Prophylaktisch will man besonders in potenzielle Risikobereiche "hineinschauen", wie auch Gesundheitsminister Anschober feststellte. Grob definiert: Pflege- und Altenheime mit Personal und Bewohnern, sonstige Gesundheitseinrichtungen (Arztpraxen, Krankenhäuser etc.) und Logistikunternehmen sowie beispielsweise große Betriebe der Fleischverarbeitungsbranche. Hinzu kämen Personen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen. Ebenso werden mit kommender Woche SARS-CoV-2-Tests verstärkt Personen angeboten werden, die enge (Reise-)Kontakte mit Ländern des Westbalkans haben. Schließlich will man auch an Obdachlose herankommen.