'Polanski hat immer Recht'

Der österreichische Hollywood-Star im NEWS-Interview über "Der Gott des Gemetzels".

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Christoph Waltz - 'Polanski hat immer Recht'

Noch vor eineinhalb Jahren stand er wegen eines 1977 in den USA begangenen Sexualdelikts in der Schweiz mittels Fußfessel unter Hausarrest. Die Filmadaption von Yasmina Rezas Erfolgsstück „Der Gott des Gemetzels“ entwarf er zum Teil in der Haft.

Denn das ist die andere Seite dieses Lebens: Als einer der wahrhaft großen Regisseure versteht er es, in Seelenabgründe zu leuchten, die anderen verschlossen bleiben. So gerät ihm die schwarze Kammerspielgroteske zum fulminanten Höllentanz: Zwei Ehepaare lassen während eines Treffens, anberaumt wegen einer Prügelei ihrer Söhne, nach ein paar Drinks alle Hemmungen fahren.

Hinter der brüchigen Maske der Mittelstandsbiederkeit offenbaren sich Wut und Hass – der blanke Schrecken. Polanski in seinem einzigen, dem Schweizer TV gewährten Interview: „Was mich an dem Stück faszinierte, war die Außerkraftsetzung der sogenannten politischen Korrektheit. Die Figuren zeigen ihre wahre, nur allzumenschliche Natur.“ Christoph Waltz überglänzt abermals große Kolleginnen wie Jodie Foster und Kate Winslet mit feinst ziseliertem Spiel. Im NEWS-Interview äußert er sich zur Hochspannungsarbeit mit dem Regisseur.

NEWS: „Der Gott des Gemetzels“ wurde fast zur Gänze in einer einzigen Wohnung gedreht.
Christoph Waltz: Ein tolles dramaturgisches Stil mittel, oder? Diese Technik ist etwa 3.000 Jahre alt und wurde nicht etwa von der Autorin Yasmina Reza, sondern von den alten Griechen erfunden.

NEWS: Seit „Inglorious Basterds“ drehten Sie teure Hollywoodfilme. War das intime Kammerspiel da eine willkommene Abwechslung?
Waltz: Auch dieser Film hat in gewisser Weise etwas mit Hollywood zu tun. Meine Arbeit am Theater hat mir aber bei dieser Produktion am meisten geholfen. Wir haben zwei Wochen für den Dreh geprobt, was heute nicht mehr üblich ist. Nach einer Woche haben wir bereits das erste Mal einen kompletten Durchlauf des Films gemacht, später haben wir den ganzen Film sogar zweimal pro Tag gespielt.

NEWS: Wie erlebten Sie die Arbeit mit diesem Großmeister?
Waltz: Polanski versteht mehr von seinem Beruf als die meisten anderen Regisseure. An seinem Set ist eigentlich nie schlechte Stimmung. Er ist sehr höflich, stets konzentriert, lustig, aber doch immer sehr direkt. Als einmal jemand nicht mit ihm übereingestimmt hat, sagte er: „Schreiben Sie mir nicht vor, wie ich meinen Job zu machen habe, ich arbeite seit sechzig Jahren als Regisseur.“ Ich gewöhne mich langsam daran, mit Leuten zu arbeiten, die noch nicht geboren waren, als ich ins Berufsleben eingetreten bin. Dass ich mit einem Regisseur arbeitete, der seinen ersten Film drehte, als ich noch nicht geboren war, ist allerdings schon sehr lange her.

NEWS: Welche Vorteile hat Polanskis Erfahrung?
Waltz: denn jemand mit seiner Erfahrung kann gar nicht falsch liegen. Es mag einem vielleicht manchmal nicht gefallen, oder man hat eine andere Meinung zu bestimmten Aspeken, aber Unrecht hat er sicher nicht. Nur ein Altmeister wie er kann einen derartigen Film drehen. Er ist wirklich wahnsinnig klug. Beim ersten Betrachten fällt einem seine Detailtreue vielleicht gar nicht auf, deshalb kann ich es kaum erwarten, diesen Film auf DVD zuhause zu haben. Ich werde ihn Szene für Szene studieren. Der Film mag nicht jedem gefallen, aber von der Art und Weise, wie er gemacht ist, ist er nahezu perfekt. Die meisten Filme heutzutage sind zu konstruiert und darauf ausgelegt, einer bestimmten Mode und der entsprechenden Vermarktung gerecht zu werden.

NEWS: Polanski gilt auch als schwieriger, fordernder Regisseur.
Waltz: Polanski ist kein Mann großen Lobes. Nach einiger Zeit haben wir, die Schauspieler, ihn gefragt, ob es ihm denn gefallen würde, was wir hier vorspielen. Seine Antwort war nur: „Wollen Sie, dass ich Ihr Ego aufpoliere?“ Er hat einen hervorragenden Sinn für Humor. Das einzige Kompliment, das wir je von ihm bekommen haben, war, dass keiner versucht habe, den anderen zu übertreffen.

NEWS: Woran lag das?
Waltz: Wir haben uns alle gut verstanden und respektiert. Wir sind alle klug genug, zu kapieren, dass man als Schauspieler nun einmal nur so gut ist wie die Leute, mit denen man seine Szenen teilt.

NEWS: Wie detailvernarrt sind Sie selbst?
Waltz: Auf einer Skala von 1 bis 10 erreiche ich wahrscheinlich eine 10,5.

NEWS: Spüren Sie seit dem Oscar den Druck, immer weiter nach vorn zu gehen?
Waltz: Ein wenig ja, zumindest möchte ich nicht rückwärts gehen. Aber kaum jemand will seine Vergangenheit wiederholen, die meisten Menschen versuchen doch, sich weiterzuentwickeln. Mit Polanski an „Der Gott des Gemetzels“ zu arbeiten war ein weiterer Glücksgriff, denn schließlich muss man als Schauspieler immer wieder die Chance bekommen, zeigen zu dürfen, was man kann. Wenn man anfängt, immer die gleichen Rollen zu spielen, wird man zwar zu einer Marke, das kann aber auch Nachteile mit sich bringen. Erinnern Sie sich an Eddie Murphy? Er war wirklich wahnsinnig lustig, aber sobald er komplette Kontrolle über seine Filme erhalten hat, lief irgendwann alles nach demselben Schema ab.

NEWS: Sie sprechen hervorragendes Englisch und spielen in Hollywood dennoch Ausländer. Wird sich das ändern?
Waltz: Dafür bin ich zu alt. Wenn man im Alter von zwölf Jahren nach Amerika zieht und dort zur Schule geht und so viel wie möglich in sich aufsaugt, mag man irgendwann wirklich als Amerikaner durchgehen. Aber von mir erwartet doch auch gar niemand, dass ich einen Amerikaner spiele. Ein Regisseur sollte immer erst die Rolle anschauen und dann einen Schauspieler finden, der dazu passt, und nicht andersherum. Wenn mir also die Rolle eines Texaners angeboten würde, so würde ich sie ablehnen, weil es genügend texanische Schauspieler gibt, die den Part perfekt spielen könnten. Wofür bräuchte man für so was, bitte, einen Österreicher?

NEWS: Sie spielen hier mit Jodie Foster und Kate Winslet. Gibt es eine Kollegin, mit der Sie schon immer drehen wollten?
Waltz: Ja, Uma Thurman.

NEWS: Warum?
Waltz: Das ist doch wohl offensichtlich: Die Dame ist einfach fantastisch. Ihre Präsenz und ihr Sexappeal sind erstaunlich. Aber sogar für sie würde ich nicht jede Rolle akzeptieren. Es muss immer alles passen. Mit Uma als Fehlbesetzung zusammenzuarbeiten wäre seltsam.

NEWS: Ihr Entdecker Quentin Tarantino bereitet schon seinen nächsten Film mit Ihnen vor. Wie war Ihre Reaktion, als er Ihnen „Django Unchained“ anbot?
Waltz: Ich war beleidigt.

NEWS: Haben Sie sich für diesen Film den Bart wachsen lassen, den Sie nun tragen?
Waltz: Wenn ich ihn mir nicht vorher abrasiere, vielleicht. Sollte Quentin ihn nicht mögen, ist er ja in ein paar Minuten weg. Warum interessiert Sie mein Bart?

NEWS: Er verändert Ihr ganzes Auftreten.
Waltz: Wissen Sie was? Mein Auftreten zu verändern ist mein Beruf.

Kommentare

Cherie60 melden

Der Bart Da alle wissen, was für ein fantastischer Schauspieler er ist, möchte ich mal was sagen, was vielleicht nicht alle so sehen: der Bart steht ihm super!

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Re: Der Bart Dass Christoph Waltz ein grandioser Schauspieler ist, steht außerhalb jeden Zweifels. Ich frage mich nur, was dieser - eben - grandiose Schauspieler im Scheiß-Hollywood verloren hat ? ? ? In diesem Holly-Schrott steht er neben den absoluten Schauspiel-Dilettanten - Männlein wie Weiblein (wenn auch im Hochglanz-Format).
Bei seiner absoluten Spitzen-Qualifikation wäre er besser beraten gewesen, neben anderen Glanzlichtern des europäischen Films zu bleiben (Sebastian Koch, Ulrich Tukur, Corinna Harfouch, etc, etc etc)
Hier war vermutlich der Ruf des Geldes maßgebend ! Gier statt Qualität !

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