"Wer will, der kann"

Flüchtlingskoordinator Christian Konrad erklärt seinen Job

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Christian Konrad © Bild: Ian Ehm

Christian Konrad ...

... zur Frage, wie viele Flüchtlinge Österreich aufnehmen kann

"Wir haben in den letzten zwei Monaten 400.000, knapp 450.000 Menschen durch Österreich durchgeschleust -ohne größeren Wirbel. Wenn mich vor drei Monaten jemand gefragt hätte: 'Geht das?', ich hätte gesagt: 'Ihr seid wahnsinnig! Wie sollen wir das machen?' Aber es ist passiert. Und von diesen 450.000 sind 20.000 dageblieben, 20.000. So. Gestern hat der Chef des Bundesasylamtes aufgrund der vorliegenden Daten gemeint: 70.000 Asylwerber haben wir derzeit in Österreich, 95.000 werden es bis zum Jahresende noch werden. Und dann kommt immer die Frage: Ja, können wir das, schaffen wir das? Jetzt bin ich nicht die Angela Merkel, die sagt: 'Wir schaffen das.' Ich sage: Die Frage, ob wir uns das leisten können, stellt sich so nicht. Wir müssen. Wir sind Österreich 2015. Wir sind Mitglied der Europäischen Union. Wir sind Mitglied einer Solidargemeinschaft. Wir basieren auf ethischen Werten, auf christlichen Werten. Wir haben die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben. Menschen, die Schutz suchen, müssen diesen kriegen. Also, daher: Wer will, der kann. Wir müssen nur wollen."

Christian Konrad
© Ian Ehm

... auf die Frage, wie er Quartiere besorgt

"Ein Teil meiner Arbeit besteht darin, einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, damit wir die Rahmenbedingungen ändern können. Wir haben die Bauordnungen für Wohnbauten für Flüchtlinge in sehr vielen Bundesländern geändert. Jeder, der einmal ein Haus gebaut hat, weiß, welche Vorschriften da zu beachten sind und welche Fristen für die Nachbarn und ich weiß nicht, was alles -und Unverträglichkeit und Umwelt und und und. Wenn ich das alles einhalte, da brauche ich nicht nachdenken, da bin ich in einem Jahr fertig. Also die Rahmenbedingungen mussten der Situation angepasst werden, um mehr winterfeste Quartiere zu bekommen. Auch andere Vorschriften für Flüchtlingsquartiere, wie die Mindestentfernung zum nächsten Supermarkt oder zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel. Denn so geht's nicht: Private bieten Quartiere an, schöne Quartiere, in denen ihre Kinder aufgewachsen sind, und dann muss der Beamte sagen: 'Geht leider nicht, für Flüchtlinge ist das nicht geeignet.' Oder ein anderes Beispiel für Vorschriften, die uns in der derzeitigen Situation behindern: Wenn jetzt der Generaldirektor der Bundesbahn dafür kritisiert wird, dass er Flüchtlinge ohne Fahrausweis transportiert hat -dann kann ich nur lachen, nicht? Also so was gibt's auch in dem Land. Soll sein. Aber ernst zu nehmen ist das nicht. Ich lasse mich davon auch keinesfalls beirren. Ich kann auch keinen Amtsmissbrauch begehen, weil ich kein Amtsträger bin. Das hat einen gewissen Vorteil."

... schlägt vor, Zivil-und Grundwehrdiener heranzuziehen

"Ohne die Zivilgesellschaft, und das kann ich gar nicht oft genug sagen, hätten wir die ganze Situation bisher nicht bewältigt, und es wäre auch schwierig, sie in Zukunft zu bewältigen. Gar keine Frage. Trotz alledem: Man muss sehen, das alles dauert schon sehr lange und irgendwann einmal gibt's da einen Erschöpfungszustand. Manche haben sogar ihre Existenzen aufs Spiel gesetzt, das Studium abgebrochen oder Jobs aufgegeben, um zu helfen. Die haben im wahrsten Sinn des Wortes alles liegen und stehen lassen und sind helfen gekommen. Das gibt's, und zwar in großer Menge. Das ist etwas, was mich immer wieder motiviert, wenn ich mir denke: 'Du bist guten Willens und versuchst allerhand und stößt auf taube Ohren.' Aber ich würde meinen, da gibt's schon noch ein paar Möglichkeiten. Also wir haben Zivildiener in dem Lande, die kann man ja für die Flüchtlingshilfe einsetzen. Und dann gibt's Grundwehrdiener. Jedes Jahr werden 20.000 Jungmänner zum Dienst an der Waffe eingezogen und ich weiß nicht, ob die Sicherheitslage Österreichs dramatisch schlechter wird, wenn 10.000 davon nicht an der Waffe ausgebildet, sondern für humanitäre Zwecke eingesetzt werden."

... auf die Frage, warum etwa die Kaserne in Baden bei Wien nicht als Flüchtlingsquartier genützt wird

"Das hat technische Gründe -so war jedenfalls die Auskunft. Man muss bedenken, dass das Lager Traiskirchen nur einen Steinwurf von Baden entfernt ist, der Bezirk Baden ist also ohnedies überfüllt. Es geht ja nicht nur um das Dach über dem Kopf. Die Leute bleiben zum Teil deshalb in Österreich, suchen hier um Asyl an und ziehen nicht weiter nach Deutschland, weil sie krank sind. Wir haben auch viele Schwangere in Traiskirchen. Das heißt, es geht auch um die medizinische Betreuung. Im Krankenhaus Baden musste der tägliche Operationsplan schon mehrfach wegen Notfällen geändert werden. Die Dialysestation war überlastet und und und. Also da gibt's schon mitunter dahinter Dinge, die man auch sehen muss. Es handelt sich ja um Menschen und nicht um Akten. Aber es ist eine spannende Aufgabe, mit einem ständigen Tropfen diesen Stein zu erweichen."

... auf die Frage, ob die Kirchen und Klöster nicht mehr helfen sollten

"Ich habe zu einem Abt gesagt:,Also, wenn deine Hilfe im Beten des Rosenkranzes besteht, dann wird das nicht genügen.' Aber die Kirche ist ja bekanntlich eine Institution, die in Jahrtausenden denkt, daher ist sie auch so alt und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich der eine oder andere Abt noch mehr engagiert. Aber man muss ja auch sagen, dass sich in vielen Pfarren schon einiges getan hat. Auch der Herr Kardinal hat gesagt, er nimmt eine Familie am Stephansplatz auf. Es geht immer um dasselbe: Quartiere, Quartiere, Quartiere, auch private Quartiere. Wir waren heute auf einer Veranstaltung des Verbandes der Wohnbauträger, gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften, um sie zu ermuntern, Siedlungen zu bauen mit Fertigteilhäusern, die man dann auch anders verwenden kann. Dazu brauchen wir auch Liegenschaften. Wir werden die Bürgermeister zu zwei Veranstaltungen einladen, um die zu motivieren, Liegenschaften herzugeben. Es gibt ja immer noch Bürgermeister, die sich fürchten. Aber selbst wenn wir 90.000 Asylwerber in dem Land haben bei 8,5 Millionen Einwohnern, dann kommt auf hundert einer. Wovor fürchten wir uns?"

... über das Krisenmanagement der Bundesregierung

"Also, ich bin Koordinator und nicht Kommentator der Bundesregierung, damit das klar ist. Aber ich habe natürlich eine Meinung zu Zäunen. Ich glaube, dass die Debatte der Sache nicht gerecht wird. Die Bundesregierung ist sich, da gibt's, glaube ich, keinen Zweifel, darüber selbstverständlich einig, dass es kein Aussperren, kein Zumachen gibt. Die Frage ist nur: Wie sorge ich für Ordnung an den Grenzübergängen? Das sollen sie entscheiden. Punkt. Und wir nehmen das zur Kenntnis."

... auf die Frage, warum die Politik beim Thema Flucht so entscheidungsschwach wirkt

"Also in der Wirtschaft gibt's eine klare Struktur, da gibt's Eigentümer und Beauftragte, Bevollmächtigte und mit Kompetenz Ausgestattete. In der Politik gibt es eine Demokratie. Die Alternative wäre die Diktatur. Und dann haben wir in unserem Land auch noch eine Koalition. In Deutschland ist es sogar eine Koalition aus dreien, wovor wir bisher bewahrt worden sind. Wenn ich mir das vorstelle: Das zu koordinieren wäre noch schwieriger. In der Demokratie dauern manche Dinge halt etwas länger."

Christian Konrad
© Ian Ehm

... über das Konrads Meinung nach größte Problem

"Ein wichtiges Thema sind die UMFs, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Wenn die nicht betreut werden - und da hinken wir hintennach, da fehlt's am Bewusstsein der Verantwortlichen - könnte das ein gesellschaftspolitischer Sprengstoff werden. Jugendliche, die keinen Sinn sehen, die nicht geführt werden, die keine Ausbildung haben, die keinen Job haben, die könnten sich gegen die Gesellschaft wenden. Das wollen wir alle miteinander nicht. Das Thema brennt den Leuten heute nicht unter den Nägeln, aber das kann in vier, fünf, sechs Jahren eine ganz andere Dimension bekommen. Daher muss man heute anfangen. Aber man sieht nicht gleich einen Erfolg. Das macht die Sache schwierig, zu motivieren, dass da etwas geschehen muss, dass man da investieren muss. Für mich ist das ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben 2.000, 4.000,5.000 solche Jugendliche im Land, und die gehören ordentlich betreut.

Man kann natürlich nicht 150 Leute auf einem Fleck belassen, sondern sie müssen in kleineren Gruppen betreut werden. Da gibt es genügend positive Beispiele, in vielen Bundesländern, nicht allen, aber in Wien gibt es zum Beispiel eine Reihe von Häusern, wo 30,35,40 Jugendliche in einem Haus, unter einem großen Dach untergebracht sind, wo sie ihre Individualität behalten und ordentlich betreut werden. Sie leiden darunter, dass ihre Verfahren so lange dauern. Und man muss ihnen die Möglichkeit zur Bewegung geben. Ein 17-, 18-jähriger Bursch kann nicht den ganzen Tag sitzen und fernsehen. Und nur Deutsch lernen wird er auch nicht wollen. Der wird sich bewegen müssen. Wie ein junger Hund."

Zur Person
Christian Konrad Geboren 1943 in Wolkersdorf im Weinviertel, stieg er unmittelbar nach Abschluss seines Studiums in die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien ein. 1994 folgte der Aufstieg zum Generalanwalt des Verbandes. Er war mächtiger Manager mit besten Polit-Kontakten. Über zwei Jahrzehnte war er auch Niederösterreichs Landesjägermeister und Organisator von Spenden-Wallfahrten nach Mariazell. Im August 2015 bestellte ihn die Bundesregierung zu ihrem Flüchtlingskoordinator.

* Einblick in die Arbeit im Auftrag der Regierung gab Christian Konrad im "Management Club" in Wien. Die Diskussion leitete "Profil"-Redakteur Otmar Lahodynsky.

Kommentare

Oberon

Schade, dass man das lustige Foto mit Geweih am Kopf entfernt
hat. :-)

Elcordes melden

Wann wird dieser Regierung endlich eine Ende gesetzt. Zeigen Sie Charakter und hauen endlich ab. Wir wollen solch Typen nicht.

christian95 melden

"Wollen" müssen wir sie nicht, es genügt wenn wir sie immer wieder wählen. So lange weiterhin über 50% solche Typen wählen darf man sich nicht wundern wenn sich nichts ändert. Wer etwas ändern will muss so wählen damit sich etwas ändert. So funktioniert Demokratie.

Ach ja da werden Gesetze ausgehebelt damit die Busfahrer Nonstop Flüchtlinge transportieren können. Alles geht anscheinend Mister Oberschlau wenn man Gesetze verdreht wie man sie braucht. Warum muss ich auf der Autobahn eine Geschwindigkeit von 130 akzeptieren. Warum muss ich einen Job im Ausland annehmen wenn gleiche Jobs von Ausländern bei uns besetzt sind. Ein Offenbarungseid der Regierung.

Ach dahin ist die Demokratie gekommen: Die Regierung beauftragt wen, gewollte Dinge zu tun, die sie selbst aus „politischen“ (weil dem Volkswillen widersprechenden) oder gar gesetzlichen Gründen nicht tun darf/sich nicht traut. Was sonst ist das, wenn nicht der Probelauf zum Putsch –heute aus Gründen der Humanität, morgen um das Wetter („Klima“) zu retten oder einen IS besser beobachten zu können.

".......und nur Deutsch lernen wird er auch nicht wollen......"
Sollte er aber !!
Oder geht man eh davon aus dass diese Personengruppe NIEMALS einen Job bekommen wird.

Rumor13 melden

Ja ja der "Ziehvater" vom (linkslinken) Profil-Chefredakteur Christian Rainer.........
Warum genau MÜSSEN wir rund 100.000 pro Jahr aufnehmen wenn es praktisch alle anderen EU-Länder (bis auf D) nicht tun und es immer mehr Arbeitslose in Ö gibt ????

christian95 melden

Weil Asyl und Zuwanderung für Gutmenschen ein gutes Geschäft ist. Manche verdienen sich damit eine goldene Nase. Zahlt ja ohnehin alles der Steuerzahler.

Rumor13 melden

Exakt.
Und weil wir Politiker ohne Rückgrat an der Macht haben die auf die Anliegen der Mehrheit der Österreicher pfeiffen und uns mit Unterstützung fast aller Medien eine heile Welt vorgaukeln......

christian95 melden

@Rumor13
Über 50% der Wähler, - und das ist die Mehrheit, wählen solche Typen immer wieder. Wer einen Faymann oder Spindelegger/Mitterlehner wählt kann sich keinen Orban erwarten.

Solche Jobs bekommt man nur mit einem "richtigen" Parteibuch. Dabei ist das System DDR schon seit über 20 Jahre Geschichte. Bei uns noch lange nicht. SPÖ+ÖVP haben sich seit dem Krieg den gesamten Staat untereinander im Proporz aufgeteilt. Sie verhalten sich so als ob ihnen der gesamte Staat gehören würde! Sogar einen eigenen Staatsfunk haben geschaffen. Ob man in hört/sieht ist egal,...

Oberon
Oberon melden

Der Bezirk(!) Baden, aber nicht die Stadt Baden ist überfüllt. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Hat man etwa gar Angst, großkopferten Villenbesitzern durch das Einquartieren von Flüchtlingen zu Nahe zu
treten? Ich bin dafür, Flüchtlinge auch in noblen Wohngegenden anzusiedeln, denn - schließlich sollen alle was davon haben, nicht nur das Fußvolk!
Die hier angegebenen Zahlen der .......

Oberon
Oberon melden

Asylwerber bezweifle ich, ich würde noch ein Drittel drauf schlagen,
dann passt es.
Einsetzen von Grundwehrdienern. Konrad: "...ob die Sicherheitslage Öst dramatisch schlechter wird..?". Das ist eine Suggestivfrage, daher abgelehnt. Außerdem, es sollten ausgebildete Soldaten zur Flüchtlingsbetreuung und zu unserer Sicherheit eingesetzt werden, keine Anfänger.
* Das Hirsch-Foto hat was. :-)

Hat er nicht als aufgeblasener Bankenbonze genug Geld gescheffelt? Weg - und den aufgesetzten Möchtegern-Koordinations-Schmarrn glaubt dem doch eh niemand! BaBa und fall ned!

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