Gift-Fallen in NÖ:
Diese Gefahr droht

Jährlich sterben in Österreich rund 20 Greifvögel an von Menschen ausgelegtem Gift. Die Dunkelziffer ist vermutlich weit höher. Unter den Tieren solche, die hierzulande streng geschützt sind. Das Gift, das dabei zum Einsatz kommt, ist auch für den Menschen tödlich. Wie kann man sich schützen? Und was ist das Motiv für solch eine Tat?

von Lebensgefahr - Gift-Fallen in NÖ:
Diese Gefahr droht © Bild: iStockphoto.com

Tatort Frauenkirchen im Burgenland. Hier kamen erst im April sieben Greifvögel zu Tode. Darunter ein Seeadler, der als weltweit gefährdete Art gilt und von denen es in ganz Österreich derzeit nur 35 Brutpaare gibt. Rund um Zistersdorf im Bezirk Gänserndorf wurden seit 2016 über 40 geschützte Greifvögel vergiftet. "Das Gebiet rund um Zistersdorf in Niederösterreich stellt seit Jahren den Hotspot illegaler Greifvogelverfolgung dar: In keiner anderen Region Österreichs wurden mehr Giftköder und vergiftete Greifvögel aufgefunden", heißt es in einer Aussendung von BirdLife Österreich.

© BirdLife Greifvogelexperte Matthias Schmid hält einen toten Mäusebussard in den Händen

Vier Köder, offensichtlich mit Carbofuran versetzt, wurden in Frauenkirchen sichergestellt. Doch nicht nur dort. Immer wieder kommt das hochtoxische Nervengift zum Einsatz. Und das, obwohl es seit 2008 EU-weit verboten ist. Aus gutem Grund. Das früher als Pestizid verwendete Gift wirkt so schnell, dass ein Vogel nach dem Verzehr kaum noch fliegen kann. Ein qualvoller Tod ist ihm vorausbestimmt. Schon geringe Mengen können auch für den Menschen oder dessen vierbeinigen Begleiter tödlich sein. Mitte Mai musste in der Oststeiermark eine Katze eingeschläfert werden. Sie hatte violettes Nervengift gefressen. Dieselbe Farbe weist für gewöhnlich Carbofuran auf.

Wie wirkt Carbofuran?

In den meisten Fällen werden tote Tiere mit dem Gift präpariert. Sie sollen als Fraßköder fungieren. Wie aber wirkt das Gift auf Tier und Mensch? Erste Symptome sind Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. In weiterer Folge können Muskelzuckungen, Krämpfe und eine Versteifung der Muskulatur - vor allem im Bereich des Gesichts und des Nackens - auftreten. Auch psychische Veränderungen, Verwirrtheit und Bewusstseinsstörungen sind möglich. Schließlich kann es zu einer Lähmung der Atmung kommen, die zusammen mit dem Abfall des Herzschlags und des Blutdrucks zum Tod führen kann.

© BirdLife Das Nervengift Carbofuran

Carbofuran zählt zur Gruppe der Kontaktgifte. Das bedeutet, dass die Substanz auch über die Haut aufgenommen werden kann. Wie gefährlich der Hautkontakt ist, hängt von der Einwirkungsdauer sowie der Größe der betroffenen Fläche ab. "In größerem Ausmaß könnte es auch über die Haut aufgenommen tödlich sein", sagt Dr. Angelika Holzer von der Vergiftungsinformatinszentrale Wien. Und wie schnell wirkt das Gift, wenn es oral eingenommen wird? "Das hängt von der Dosis ab und davon, wie schnell die Verdauung arbeitet", so die Expertin. Ein paar Stunden können bis zum Einsetzen der Symptome aber schon vergehen.

Wer legt die Giftköder aus?

Stellt sich die Frage, wer für derlei Taten verantwortlich ist. Wer legt ein Gift aus, die sowohl für Tier als auch für Mensch tödlich sein kann? Und warum tut man so etwas? Dazu Christina Wolf-Petre vom WWF Österreich: "Vor allem im Siedlungsbereich sind Tierhasser, die ein Problem mit Hunden haben, ein Thema." In freier Wildbahn könnte ein anderer Beweggrund eine Rolle spielen: der Konkurrenzgedanke. Greifvögel, wie der Seeadler einer ist, fressen Niederwild wie Hasen und Fasane. Damit kommen sie jenen Menschen in die Quere, die diese Tiere jagen wollen.

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Möglicherweise richtet sich der Fokus der Täter aber auch gar nicht auf Greifvögel, sondern auf Raubwild wie Dachse oder Füchse. Auch sie machen der Jägerschaft Konkurrenz. In Ungarn etwa, so Wolf-Petre, sind Greifvögel in der Nähe von Hühnerfarmen oder Taubenzuchten nicht gern gesehen. Solange kein Täter ausfindig gemacht werde, könne man aber nur mutmaßen. "Nachzuvollziehen, wer den Köder ausgelegt hat, ist nicht ganz einfach", weiß die Umweltorganisatorin. Doch nicht unmöglich. "Wir wissen von fünf Fällen, in denen es tatsächlich zu Verurteilungen gekommen ist."

»Nichts angreifen, das ungewöhnlich aussieht!«

So sei zum Beispiel ein vergiftetes Tier in der Tiefkühltruhe eines Präparators gefunden worden. Weit komplexer gestaltete sich dagegen ein Fall, der erst letztes Jahr Windisch-Baumgarten bei Zistersdorf in Atem hielt. Mehr als 35 tote Tiere lautete die traurige Bilanz, wobei erstmals die Jagdaufsicht in die Verantwortung genommen wurde. "Man konnte nicht nachvollziehen, dass die Jagdaufsicht von den Machenschaften nichts bemerken hätte können", erinnert sich Wolf-Petre. Die Verurteilten erhielten eine Geldstrafe. Der Vergiftungstäter selbst konnte allerdings nicht ausgeforscht werden.

Woher weiß ich, dass Gift im Spiel ist?

Besonders viele Vergiftungsfälle werden im Flachland, vor allem im Osten Österreichs, gemeldet. Doch woher weiß man, dass Gift im Spiel ist? "Carbofuran ist ein Insektizid. Dementsprechend viele tote Käfer finden sich auf dem oder um das Vergiftungsopfer herum", erklärt Wolf-Petre. "Weil es die Käfer sofort umbringt." Handelt es sich bei dem Vergiftungsopfer um einen Vogel, so wirkt es, als wäre dieser vom Himmel gefallen. Auf den ersten Blick lässt sich keinerlei Todesursache feststellen. Einzig die verkrampften Krallen weisen auf den unnatürlichen, qualvollen Tod hin. Die Expertin warnt: "Nichts angreifen, das ungewöhnlich aussieht!"

© Beate Wendelin Ein toter Seeadler

Wer auf einen Giftköder oder ein Tier, das möglicherweise vergiftet wurde, stößt, sollte dies umgehend melden. Etwa bei "Birdcrime" (0660 8692327) - der Hotline des Vereins "BirdLife Österreich" -, bei der Hotline des WWF Österreich (0676 4446612) oder bei der Polizei. Der Fundort sollte belassen werden, wie er ist. "Werden Ermittlungen eingeleitet, dann wird der Fundort zum Tatort", erklärt Wolf-Petre. Auf keinen Fall sollte man das tote Tier beziehungsweise das Gift mit der bloßen Haut berühren. Zudem gilt es darauf zu achten, Kinder ebenso wie Hunde von der potenziellen Gefahr fernzuhalten.

Was tun bei Kontakt mit dem Gift?

Ist man trotz aller Vorsichtsmaßnahmen mit dem Gift in Berührung gekommen, sollte man die betreffende Körperstelle gründlich mit Wasser und Seife waschen. Bei der Vergiftungsinformatinszentrale Wien (01 4064343) kann man sich beraten lassen. Treten Beschwerden wie etwa Übelkeit, vermehrtes Schwitzen und Krämpfe auf, rät Holzer von der Vergiftungsinformationszentrale zu einem Krankenhausbesuch. Dort könne man mittels Bluttest eruieren, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Mit dem Gegengift Atropin ließe sich eine Carbofuran-Vergiftung gut behandeln.

Was aber noch lange nicht heißt, dass man, wenn man die akute Vergiftung erst einmal überstanden hat, automatisch über den Berg ist. In der Giftdatenbank "gifte.de" wird vor dem "Tod durch Nichtbeherrschung der Sekundärkomplikationen" gewarnt. Es gilt, ein "strenges Augenmerk auf die Leber- und Nierenparameter zu richten. Funktionsschäden des Nervensystems sind nicht ausgeschlossen". Zwar dürften Komplikationen wie diese in erster Linie infolge der oralen Einnahme des Gifts auftreten, Vorsicht ist aber in jedem Falle geboten.