"Krebs ist keine Strafe"

Zwei Patientinnen im Gespräch über den eigenen Körper, Todesangst und Hoffnungen

Knapp drei Wochen sind sie bereits hier: Die Kärntner Volksschullehrerin Christina Albl, 41, und die Wiener Uni-Lehrerin Astrid Leithner, 46. Beide wussten vor einem Jahr noch nicht, dass sie Brustkrebs haben. Nun haben beide Patientinnen ihre primären Krebstherapien hinter sich und sind zur onkologischen Rehabilitation im Humanomed Zentrum Althofen nahe Klagenfurt. LEBEN traf die zwei Frauen dort zu einem berührenden Gespräch über Diagnosen, das Gespür für den eigenen Körper, Todesangst und Hoffnungen.

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Die Krebspatientinnen Astrid Leithner (links) und Christina Albl tanken im Zentrum Althofen neue Kraft. © Bild: Martin Assam

Frau Albl, Sie wirken so fröhlich. Fühlen Sie sich hier eigentlich als Krebspatientin?
Christina Albl: Nein, ich fühle mich als Mensch. Für mich ist es eine große Erholung hier, weil ich drei Kinder (10, 6 und 4) zu Hause habe. Ich habe also endlich einmal Zeit für mich. Es ist auch toll, dass hier auf so viel Verschiedenes eingegangen wird: Es gibt Bewegungstherapien, Vorträge über Hintergrundinfos zur Erkrankung, aber auch Tipps, was man machen kann bei Stress, wie man sich selber wieder rausnimmt aus dem Alltag.

Ihre Krebserkrankung ist in diesem Reha-Zentrum also gar nicht das wichtigste Thema?
Albl: Es geht schon auch um die Erkrankung. Man trifft ja auch andere (Brust-)Krebspatienten und tauscht sich aus. Etwa über Möglichkeiten, damit umzugehen oder über Behandlungen der Alternativmedizin. Aber es ist wichtig, dass es nicht nur das ist. Mit einer Patientin treffe ich mich immer wieder zum Walken, mit einer anderen tausche ich mich über den Glauben aus.

Astrid Leithner, 46. Die Wiener Uni-Lehrerin wollte nach ihren Brustkrebs-Therapien nach Althofen.
© Martin Assam Astrid Leithner, 46. Die Wiener Uni-Lehrerin wollte nach ihren Brustkrebs-Therapien nach Althofen.

Frau Leithner, Sie sind nun ebenfalls fast drei Wochen hier. Ihr Resümee?
Astrid Leithner: Rundum gestärkt, würde ich mal sagen. Ich bin mit meinem Mann gemeinsam hier, der auch gleichzeitig eine orthopädische Rehabilitation macht. Insofern ist es auch schön, dass wir gemeinsam eine Auszeit haben können vom Alltag. Noch dazu, wo wir aus der Stadt kommen und uns hier in der Gegend erholen können. Ich wollte das bewusst mit meinem Mann erleben. Er war in der Zeit der Erkrankung eine große Stütze für mich. Jetzt gehen wir diesen Schritt auch gemeinsam.

»Mir hat mein Glaube sehr geholfen.«

Wie haben Sie von Ihrer Erkrankung erfahren?
Leithner: Letzten Oktober habe ich eine Veränderung an der Brust bemerkt: Da war so ein kleiner Einzug. Mein Gynäkologe hat aber nur gemeint, das sei eine hormonelle Angelegenheit und ich solle in zwei Monaten wieder kommen. Mir hat das aber keine Ruhe gelassen und ich habe auf einer Mammografie bestanden. Und so ist man draufgekommen.

Sie waren also hartnäckig...
Leithner: Ja. Das war mein Glück, dass ich selber so ein gutes Körpergefühl habe und wusste: Da stimmt etwas nicht. Und man hat dann tatsächlich einen Tumor festgestellt, der die Grenzen des Milchgangs schon verlassen hat - also eine sehr aggressive Art von Brustkrebs, die aber auch gut behandelbar ist. Ich wurde noch vor der Operation mit Chemotherapie behandelt und habe auch Antikörper bekommen. Nach drei Chemotherapien war der Tumor zum Glück weg.
Albl: Bei mir war das ähnlich. Ich habe die Veränderung auch selber bemerkt: Bei mir hat es aus der Brust getropft. Mein Frauenarzt hat gesagt, dass das eine Entzündung des Milchgangs sei, also nichts Gravierendes. Ich wollte aber eine Mammografie - und die war in Ordnung. Ich habe aber nicht lockergelassen, bis ein Befund vom Sekret gemacht wurde. Der war aber "nicht Fisch und nicht Fleisch", also ging es weiter zur Magnetresonanztomografie. Dabei sah man nur eine diffuse Fläche. Erst nach der Gewebeprobe (Biopsie) war klar: Ich habe Brustkrebs. Ich kann daher Frauen auch nur raten: Hartnäckig sein und dranbleiben!

Christina Albl, 41. Die Mutter von drei Kindern ist seit fast drei Wochen in Althofen zur Onko-Reha.
© Martin Assam Christina Albl, 41. Die Mutter von drei Kindern ist seit fast drei Wochen in Althofen zur Onko-Reha.

Wenn man hört: "Sie haben Brustkrebs" - welcher Gedanke kommt einem als Erstes in den Sinn?
Albl: Mein erster Gedanke war: Was heißt das jetzt für meine Tochter? Ich habe zwei Buben und ein Mädchen. Ich habe mich nie gefragt: "Warum gerade ich?" Ich kann es ohnedies nicht ändern. Ich war immer schon optimistisch, habe mich gefragt: Wie jetzt, was jetzt, wie geht es weiter, was kommt, was kann ich machen, was ist zu tun? Natürlich gibt es auch Phasen, wo man Einbrüche hat. Aber ich bin irrsinnig froh, dass ich in Österreich lebe, wo es diese hervorragenden medizinischen Möglichkeiten gibt.

»Mein erster Gedanke war: Was heißt das jetzt für meine Tochter?«

Hatten Sie nie Angst, womöglich zu sterben?
Albl: Natürlich kommt der Gedanke. Im Dezember ist meine Tochter aus dem Kindergarten gekommen und hat gesagt: "Die Mama vom D. ist so krank, sie wird sterben." Das war zu einem Zeitpunkt, wo ich schon verschiedene Untersuchungen gemacht hatte, aber noch nicht wusste, dass ich Krebs habe. Diese Aussage hat mich sehr beschäftigt und einiges in Gang gesetzt in meinem Kopf.

Wie haben Sie Ihren Kindern gesagt, dass Sie Krebs haben?
Albl: Ich habe ihnen gesagt, dass in meiner Brust was drinnen ist, was nicht reingehört und dass das im Krankenhaus wieder weggemacht wird. Meine Kinder kennen das Krankenhaus als Ort, wo einem geholfen wird, wo Babys auf die Welt kommen, also etwas Positives. Das war auch jetzt so. Aber ich habe bei meinem Großen natürlich gemerkt, dass es ihm schwerfällt, darüber zu reden und Fragen zu stellen. Meine Tochter hatte in der Nacht Phasen, wo sie nicht so gut geschlafen hat, sie wollte mehr mit mir kuscheln, hat Körperkontakt gebraucht. Und immer wieder hat sie gesagt, dass es ihr großer Wunsch ist, dass die Mama wieder gesund wird. Nach den Bestrahlungen habe ich ihr, obwohl es mir noch gar nicht so gut gegangen ist, gesagt: "Ich bin jetzt gesund." Ich weiß natürlich nicht, wie es weitergeht. Es kann passieren, dass ich wieder krank werde. Aber JETZT bin ich gesund. Und das hat sie irrsinnig gefreut.

Die Brustkrebs-Patientinnen Christina Albl (links) und Astrid Leithner im Zentrum Althofen.
© Martin Assam Austausch. Die Brustkrebs-Patientinnen Christina Albl (links) und Astrid Leithner im Zentrum Althofen.

Haben Sie Ihre Kinder in den drei Wochen hier vermisst?
Albl: Sie waren zu Besuch am Wochenende und wir haben auch geskypt. Aber ich habe gemerkt, dass die Zeiten ohne sie mir einiges an Kraft wiedergeben. Und wie angespannt ich davor war, auch im Umgang mit ihnen. Durch die Erkrankung purzelt man aus dem Laufrad des Alltags. Aber natürlich macht man weiter den Haushalt. Das fällt hier alles weg.

»Die Diagnose war ein Schock.«

Und wie ist es Ihnen nach der Diagnose ergangen?
Leithner: Es war so ein Schock. Ich habe unmittelbar danach zum ersten Mal in meinem Leben eine Lehrveranstaltung vergessen. Der Boden unter den Füßen war plötzlich weg. Und dann, so ab Jänner, war eine Zeit großer Anspannung: Ängste, was noch alles sein kann. Ich habe viel im Internet gelesen und in der Zeit auch kaum geschlafen. Anfang Februar hat endlich die Chemotherapie begonnen und das war ein Wendepunkt. Von da an ist es eigentlich nur mehr bergauf gegangen, obwohl die Behandlung an die Substanz gegangen ist. Ich habe großes Vertrauen in die Medizin gehabt.

Hatten Sie durch Ihre Erkrankung das Gefühl, etwas in Ihrem Leben verändern zu müssen?
Leithner: Von außen wird so etwas immer erwartet: Ich habe eine schwere Erkrankung, also muss ich mein ganzes Leben umkrempeln. Es ist aber nicht so. Natürlich muss ich meine Tage nun anders organisieren. Aber ich habe nichts falsch gemacht und muss daher keine komplette 180-Grad-Wende machen. Krebs ist keine Strafe.
Albl: Ich sehe das auch so. Das "Warum" ist vollkommen egal. Wichtig ist, was kommt. Was ich durch die Erkrankung entdeckt habe, ist das Walken. Und am meisten geholfen hat mir mein Glaube. Das Wissen, dass viele Leute an mich denken und für mich beten.

Spürt man das?
Albl: Auf jeden Fall. Auch, wenn man SMS bekommt wie "Alles Gute" oder "Wie geht es dir?", baut einen das irrsinnig auf.
Leithner: Ich kann das nur bestätigen. Ich bin zwar jetzt nicht in einem Glauben eingebettet, aber in einem sehr guten sozialen Netz. Sich von Freunden, Familie und dem Partner getragen zu fühlen, ist wahrscheinlich das Wichtigste.

Wir danken für das Gespräch.

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Kommentare

Oberon
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Aufleben, Gebet vor einer Operation (gekürzt).
"...Gott, ich vertraue dir. Du bist bei bei mir. Deine Hand hält mich in jeder Dunkelheit. Lass' mich nicht versinken in meiner Angst. Gib den Ärzten ruhige und sichere Hände, dass sie mir helfen können. Ich vertraue mich ihnen und dir an."

Dieser Text stammt von einer der vielen im Spital/Onkologie ausgelegten Karten. Meine Bekannte ist, so...

Oberon
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... wie ich, nicht gläubig, aber wir beide haben alle Lesezeichen und Karten, die Mut machen sollen, gesammelt. Die sensiblen Worte haben ihr geholfen, denn - wer den Boden unter den Füßen verliert, geht einen Schritt auf Gott zu.

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