Neue Brücke zwischen Asien und Europa

Mega-Infrastrukturprojekt in rekordverdächtiger Zeit fertiggestellt

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Noch im Frühjahr vergangenen Jahres standen allein die beiden mächtigen Pylone in der Meerenge, ragten als gewaltige Betonkolosse in den Himmel. Jetzt also, nach einer Bauzeit von weniger als vier Jahren, ist die Brücke fertig und mit ihr die zugehörigen achtspurigen Autobahnverbindungen auf europäischer und asiatischer Seite.

Das nach dem osmanischen Sultan Selim I. ("dem Gestrengen" oder "dem Gerechten") benannte Bauwerk (Yavuz-Sultan-Selim-Brücke) ist die dritte Bosporusbrücke, die Asien mit Europa verbindet. Mit ihr dehnt sich der Moloch Istanbul mit seinen geschätzten 15 Millionen Einwohnern bis an das Schwarze Meer aus. Von hier aus sind es rund 30 Kilometer Luftlinie bis zum historischen Zentrum der Stadt - mit Hagia Sophia, Blauer Moschee und dem alten Sultanspalast Topkapi, der den Bosporus an der südlichen Einmündung in das Marmarameer überragt.

Die neue Straßenverbindung soll dazu beitragen, den Verkehrsinfarkt in der Millionenmetropole abzuwenden, indem sie das eigentliche Stadtgebiet von Istanbul in einem großen Bogen im Norden umgeht. Gegner des Projekts kritisierten, durch die mit dem Bau einhergehende Verstädterung werde der Verkehr zu- und nicht abnehmen. Umweltschützer beklagten zudem die Zerstörung von Wäldern im Norden Istanbuls.

Über die Meerenge führten bisher schon die 1973 eröffnete Bosporus-Brücke (Bogaz Köprüsü) und die 15 Jahre später fertiggestellte Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke, die nach Mehmed dem Eroberer benannt ist. Seit dem Putschversuch von Mitte Juli wurde die älteste von den Dreien in "Brücke der Märtyrer des 15. Juli" umbenannt - in Erinnerung an den zivilen Widerstand gegen die Putschisten, die die Brücke mit Panzern blockiert hatten. Wurde sie früher nachts in wechselnden Farben angestrahlt, so leuchtet sie seither allein in Rot, der Grundfarbe der türkischen Nationalflagge.

Für Erdogan dürfte die Eröffnung der neuen Brücke vor dem Hintergrund des Putschversuches und der aktuellen Serie von Terroranschlägen im Land ein willkommener Anlass sein zu zeigen, dass es trotz aller politischen Widrigkeiten vorangeht. An ehrgeizigen Plänen, gerade im Infrastruktur-Bereich, mangelt es mit Blick auf den 100. Jahrestag der Gründung der Türkischen Republik im Jahr 2023 nicht.

So will man bald einen Autotunnel unter dem Bosporus eröffnen. Ein auf dem Meeresgrund verankerter Eisenbahntunnel ("Marmaray") verbindet Europa und Asien bereits seit 2013. Diese Röhre ist 13,6 Kilometer lang. 1,4 Kilometer davon verlaufen in einer Tiefe von 56 Metern quer durch den Bosporus. Der Tunnel ist nach Angaben der Konstrukteure auch bei schweren Erdbeben noch sicher, woran unabhängige Experten vor der Eröffnung allerdings Zweifel äußerten. Istanbul ist stark erdbebengefährdet.

In der fast fertiggestellten Autoröhre ("Avrasya-Tunnel") sollen die Autos auf zwei Ebenen unter dem Bosporus hindurchfahren, auf der einen in Richtung Europa, auf der anderen in Richtung Asien. Und natürlich wird es sich Erdogan nicht nehmen lassen, auch dieses Megaprojekt höchstpersönlich zu eröffnen. Noch vor Ende dieses Jahres soll es soweit sein, wie der Nachrichtensender CNN Türk dieser Tage berichtete.

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