"Wir sind in einem Medienkrieg"

Puls-4-Chef: Staat soll "Medienmilliarde" nach journalistischer Qualität vergeben

Puls-4-Geschäftsführer Markus Breitenecker will, dass der Staat die "Medienmilliarde" nach journalistischer Qualität vergibt und fordert Solidarität im Kampf gegen die US-Giganten.

von Markus Breitenecker, Puls-4-Chef © Bild: ProSiebenSat.1 PULS 4 / Bernhard Eder

Sie starten ein digitales Projekt nach dem anderen, Inwieweit bleibt Puls 4 dabei überhaupt noch ein Fernsehsender?
Wir sind als Fernsehsender gestartet und brauchen das lineare Fernsehen für die digitale Transformation - also für die Einführung digitaler journalistischer Produkte. Ich möchte fast sagen: Wir sind im goldenen Zeitalter des Fernsehens, weil man nur durch seine Massenwirkung so viele Menschen gleichzeitig erreicht, dass man neue digitale Angebote rasch erfolgreich einführen kann.

Ihr nächstes Digitalbaby heißt 4News, ein Nachrichten- und Dokukanal, zunächst einmal für das Smartphone. Sie setzen hier auf Information - durchaus nicht selbstverständlich für einen Privatsender.
Puls 4 bietet seit Jahren viel Information. Mehr als alle anderen Privatsender. Sogar mehr als ORF eins. Public-Value-Formate sind eine unserer wesentlichen Programmsäulen. Die höchsten Quoten 2016 im Privatfernsehen hat die Berichterstattung zur Bundespräsidentschaftswahl erzielt.

Und warum startet 4News im Web und kommt erst dann ins lineare Fernsehen?
Das ist ein Perspektivenwechsel. Wir starten neue journalistische Produkte am Handy. Nicht um sie zu testen, sondern weil das in Zukunft die primäre Nutzungssituation für Video- News ist. Das Handy wird nicht Second, sondern First Screen sein. Dort wollen wir frühzeitig die Claims besetzen.

Als Vizepräsident der Privatsender kämpfen Sie auch um die Neuverteilung der öffentlichen Förderung für solchen Public Value - also Inhalte von hohem Wert für die Allgemeinheit. Stimmt Sie für eine solche Neuordnung der Personalwechsel in der Regierung optimistisch?
Ich bin optimistischer, als ich es war, weil ich einen gewissen Aufbruch spüre. Wir sind am Ende der Mediengattungen angekommen. Es gibt nicht mehr die Trennung von Print, Radio, Fernsehen usw., sondern wir finden uns alle als Apps auf dem Handy wieder und stehen dadurch direkt in Konkurrenz mit den Silicon-Valley-Giganten.

Und worin besteht die besondere Herausforderung durch globale Konzerne wie Google und Facebook?
Darin, dass sie Meta-Medien sind und Inhalte verkaufen, aber nicht in journalistische und lokale Wertschöpfung investieren. Sie lassen Inhalte gratis von Freelancern machen -den Usern, während wir unsere Journalisten bezahlen. Dieser Situation müssen wir durch eigene, attraktive, journalistische Produkte begegnen. In Konkurrenz und in Kooperation.

Im Multimedia-Wettbewerb wirkt die Teilung in Rundfunkgebühr und Presseförderung gestrig. Soll man die Medienmilliarde künftig für Public-Value-Inhalte unabhängig vom Anbieter vergeben?
Ja, diese Forderung erscheint mir sinnvoll: Diese Milliarde Euro an Rundfunkgebühren und öffentlichen Inseraten, die derzeit ins Mediensystem gegeben wird, sollte in Qualitätsjournalismus und journalistische Start-ups investiert werden. Und nicht, wie der ORF das gerne macht, in kommerzielle Inhalte, die den lokalen österreichischen Wettbewerb behindern, verzerren, vernichten.

Stichwort Frühstücksfernsehen: "Café Puls" versus "Guten Morgen Österreich"?
Auch. Aber mehr noch geht es darum, dass nicht Geld aus den Rundfunkgebühren nach Hollywood und zu großen Sportrechteanbietern ins Ausland verschoben wird. Obwohl solche Sendungen in Österreich auch ohne Gebühren vom Markt finanziert werden könnten. Es ist Verschwendung, Rundfunkgebühr für die Champions League oder die Formel 1 zu verwenden, wenn ich das den österreichischen Zuschauern auch ohne Subventionen anbieten kann. Außerdem handelt der ORF mit dieser Kommerzprogrammierung kontraproduktiv, wie man an der Beinahe-Halbierung der Quote in den letzten 15 Jahren sieht. Mit qualitativen Eigenproduktionen könnte man den Quotenrückgang des ORF stoppen.

Bedeutet das dann nicht zwangsläufig eine Neu-oder Umverteilung der Rundfunkgebühr?
Nein, das heißt nicht, dass man dem ORF viel Geld wegnehmen soll. Das heißt nur, dass man dafür sorgen soll, dass der ORF dieses Geld für journalistische Qualität verwenden muss und es nicht benutzen darf, um im kommerziellen Bereich die Privaten auszubooten, indem man kaufmännisch unvernünftig viel bezahlt.

Zu diesem Thema gibt es aber auch deutlich radikalere Ansätze.
Ja, im Gegensatz zu Forderungen einiger Parlamentsparteien wie ORF-Privatisierung oder Ende der Zwangsgebühren ist meine Forderung eine ORF-freundliche, um eine Schwächung des österreichischen Medienmarkts gegen die digitalen Big Five zu verhindern - Apple, Google, Microsoft, Amazon und Facebook. Wir sollten uns als österreichische Player nicht mithilfe von staatlichen Beihilfen untereinander Konkurrenz machen, sondern dieses Geld gemeinsam verwenden, um journalistische Projekte gegen die globalen Wettbewerber zu etablieren.

Sie tragen zwar einen Hoodie von Puls 4, doch das gehört zur ProSiebenSat.1-Gruppe. Die ist zwar kein Global Player, aber nach RTL die Nr. 2 in Europa. Welche Chancen sehen Sie dadurch realistisch für Ihre "Frenemy"- Strategie - also sowohl Kampf gegen als auch Kooperation mit den globalen Anbietern?
Schritt 1 wäre, dass Global Player europarechtlich nicht mehr bevorzugt werden. Derzeit halten sie sich nicht ans Urheberrecht, nicht an den Datenschutz und haben keine Werbebeschränkung -während wir nur zwölf Minuten Werbung pro Stunde machen dürfen. Sie erzeugen lokal keine Wertschöpfung und zahlen hier keine Steuern. Wir müssen hier wenigstens die gleichen Voraussetzungen schaffen.

Puls 4 hat diesbezüglich Youtube und somit dessen Mutterfirma Google geklagt. Sind Sie mit dieser harten Konfrontation auf einer Linie mit Mathias Döpfner vom deutschen Axel-Springer-Verlag?
Ja. Denn es hat keinen Sinn, immer nur nach der Politik zu rufen. Aber ein zweiter Schritt nach der rechtlichen Gleichstellung muss sein, dass wir bessere Produkte für den lokalen Markt entwickeln und anbieten, als es die Firmen vom Silicon Valley tun. Sie sind nicht lokal verankert. Und wir haben mit richtig investiertem öffentlichem Geld bessere Chancen. Auch die Firmen aus den USA sind ja öffentlich vor-und mitfinanziert.

Dafür fehlt in Österreich jegliches Bewusstsein.
Christian Kern hat zum Glück in seiner Antrittsrede betont, dass von Apple über Google bis Facebook die Grundlagenforschung öffentlich vorfinanziert wurde. In Europa wird das viel weniger gemacht, in Österreich gar nicht. Wir müssen zumindest vorhandene öffentliche Mittel, also die Milliarde Euro an Rundfunkgebühren und Inseraten, in solche Projekte stecken und nicht für einen internen Kampf der lokalen Gartenzwerge verschwenden.

Der Präsidentschaftswahlkampf war keiner der Gartenzwerge, sondern ein Quotenbringer. Da wurde auch von allen viel ausprobiert. Aber Puls 4 bleibt trotz Elefantenrunde nur als Dritter nach dem ORF und dem unmoderierten Duell auf ATV in Erinnerung. Wie sehr schmerzt das?
Ich gönne das den Kollegen von ATV. Es wurde viel darüber gesprochen.

Mit Puls 4 in Verbindung gebracht wird Corinna Milborn, die als Info-Chefin dem Sender auch einen persönlichen Stempel aufgedrückt hat. Auch beim klar akzentuierten Kurs in der Flüchtlingsfrage. Wie weit ist das mit der Geschäftsführung abgestimmt, und unterstützt diese eine solche Position?
Klar, ich verstehe mich da blind mit Corinna. Eine andere Haltung als jene auf Grundlage der Menschenrechte ist für mich gar nicht denkbar. Ich halte das für keine Schlagseite, sondern für ausgewogen auf Basis der Verfassung und der Flüchtlingskonvention. Wer das als einseitig empfindet, der ist vielleicht mit unserer Verfassungslage nicht zufrieden. Ich bin stolz darauf, dass wir das Konzert "Voices for Refugees" übertragen und die Veranstalter als "Game Changer of the Year" ausgezeichnet haben. Das ist aber kein einseitiges politisches Statement.

Das heißt, die Konzernführung lässt Ihnen auch die Freiheit, hier so zu agieren?
Wir haben die volle Freiheit, das in Österreich zu tun.

Welchen Stellenwert hat aus betriebswirtschaftlicher Sicht -als Teil des Gesamtprogramms - die Glaubwürdigkeit politischer Information für einen Privatfernsehsender?
Wirtschaftlich geht es einem Privatsender umso besser, je besser die Quoten sind. Puls 4 ist der größte österreichische Privatsender. Und ein Vollprogramm braucht eine starke Informationssäule. Es gibt aber einen zweiten Aspekt: Ich glaube, dass es in Zeiten, in denen sich die Mehrheitsverhältnisse radikal verändern, für Österreich sehr gesund ist, wenn es neben einem von staatlichen Beihilfen abhängigen öffentlich-rechtlichen Sender auch einen von solchen Subventionen unabhängigen Anbieter gibt.

Sie definieren sich aber vor allem über die sogenannte werberelevante Zielgruppe der 14-bis 49-Jährigen: Nicht nur angesichts Ihres Alters - Sie sind ja 47: Wie zielführend ist das noch angesichts einer alternden Gesellschaft und der ohnehin immer stärkeren Risse innerhalb der Gesellschaft?
Die über 50-Jährigen schauen sowieso viel fern, auch auf unseren Sendern. Deshalb konzentrieren wir uns auf die schwerer zu erreichenden unter 50-Jährigen. Wenn wir die haben, haben wir die Älteren auch. Außerdem ist der ORF bei den über 50-Jährigen stark. Deshalb wollen wir Marktführer bei den unter 50-Jährigen sein.

Was macht es für Sie hier noch spannend in den nächsten Jahren?
Die digitale Transformation. Können wir als lokale Medien so zusammenarbeiten, dass wir die internationalen Herausforderungen überleben? Wir sind in einem Medienkrieg mit Amerika. Den gilt es zu gewinnen. Egal ob in Konkurrenz oder in Kooperation. Ich habe Puls 4 als Fernsehsender gegründet und will, dass er auch im digitalen Zeitalter seine Position halten kann.

Sie machen das seit 18 Jahren. Wo steht Puls 4 in 18 Jahren?
Keine Ahnung, ich kann nicht einmal 2017 vorhersagen. Ich glaube, die nächsten drei Jahre werden entscheiden, wer die digitale Transformation bewältigen konnte. Ich will, dass wir Marktführer werden und bleiben.

ZUR PERSON
Markus Breitenecker (47) ist seit 18 Jahren Geschäftsführer der heutigen ProSiebenSat.1 Puls 4 GmbH. Nach einem Jusstudium und einer Fortbildung an der London School of Economics war er Assistent von Medienmanager Rudi Klausnitzer. 1996 wurde er als Geschäftsführer des "Wetterkanals" vom damaligen ProSieben-Chef Georg Kofler abgeworben. 1998 kehrte Breitenecker nach Österreich zurück, als hier flächendeckend Privatradio startete und ProSieben die Mediagruppe Austria gründete.

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