Trump - ein amerikanischer Albtraum

Die apokalyptischen Szenarien seiner Werke würden bald von der Wirklichkeit übertroffen, meint der amerikanische Schriftsteller T. C. Boyle. Zum Erscheinen seines Romans "Die Terranauten" spricht er über Donald Trump, den er mit dem Diktator einer Bananenrepublik vergleicht.

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Apokalyptisch - Trump - ein amerikanischer Albtraum

Mister Boyle, bereits vor 22 Jahren beschrieben Sie in Ihrem Roman "América" ein rassistisches Szenario an der amerikanischmexikanischen Grenze. Im aktuellen Roman "Die Terranauten" geht es um den verzweifelten Kampf, die Natur zu retten. Diese Themen drohen nun Realität zu werden. Erschreckt Sie das nicht selbst?
Ich bin schockiert und schäme mich für mein Land. Das ist ein großer Sieg des Rassismus, der Frauenverachtung und der Fremdenfeindlichkeit. Meinen Roman müssen Sie so betrachten wie alle meine Arbeiten, es geht um Evolution, Ökologie, und ich gehe der Frage nach, ob es möglich ist, eine neue Welt zu erschaffen. Ein Projekt dieser Art hat es tatsächlich Anfang der Neunzigerjahre in Arizona gegeben. Man wollte damals erforschen, ob man in einer künstlich geschaffenen Welt überleben kann. Angesichts der Zerstörung unserer Umwelt und natürlich wegen der politischen Entwicklung in Amerika wird diese Frage aber relevanter, als sie es jemals sonst gewesen wäre. Aber ich konnte natürlich nicht voraussehen, was politisch passieren würde.

Haben Sie nie damit gerechnet, dass Trump Präsident werden könnte?
Ich hielt es für absolut absurd, dass überhaupt irgendjemand Trump wählen würde. Aber das zeigt, dass wir Intellektuellen hier offensichtlich den Bezug zur Wirklichkeit verloren haben. Denn man sieht doch, wie gespalten das Land ist. Ich bin als Linker so unerbittlich wie viele Rechte. Und ich kenne Leute aus der Arbeiterklasse, weil ich sehr viel Zeit in den Bergen verbringe, wo jeder ein Redneck (weißer, schlecht begüterter, reaktionärer Arbeiter, Anm.) ist. Aber ich mag diese Leute. Was uns unterscheidet, sind die politischen Ansichten. Diese Leute waren alle für Trump, und das haben sie mir gegenüber auch begründet. Ihr Enthusiasmus wurde immer stärker. Ich konnte das nicht glauben, denn das passte doch alles nicht zusammen -durch ihn würden sie doch am meisten verlieren!

Haben Sie denn nicht versucht, Ihre reaktionären Bekannten aus den Wäldern zu bekehren?
Ja, so wie ich es bei der zweiten Wahl von George W. Bush versucht habe. Aber ich habe meinen Atem vergeudet. Ich bin schockiert, wie viele sich von Trumps Propaganda manipulieren ließen.

Spiegelt dieses Wahlergebnis die amerikanische Gesellschaft wider?
Die Mehrheit hat Hillary gewählt. Es war so wie damals, als Al Gore gegen George W. Bush verloren hat. Und Bush hat das Land vergewaltigt. Er arbeitete für die Ölindustrie, er zettelte diese Kriege an, er schuf die Wirtschaftskrise, er hinterließ uns einen Scherbenhaufen. Obama hat vieles davon repariert. Aber wir werden sehen, was für ein noch viel größerer Schaden in den nächsten vier Jahren angerichtet wird.

Ist Trump schlimmer als George W. Bush?
Viel schlimmer und viel schlimmer als jeder, den wir jemals in der Geschichte Amerikas hatten. Das können Sie jetzt schon sehen, obwohl er noch nicht einmal im Amt ist. Das zeigt schon sein Kabinett. Er ist wie ein Imperator.

Werden es Andersdenkende nun schwerer haben?
Ich hoffe, dass unsere Demokratie imstande sein wird, das alles zu überleben, aber ich möchte keine Wetten darüber abschließen, wie die Zukunft aussehen wird.

Ist die Demokratie in den USA in Gefahr?
Ich habe bereits vor Jahren das System kritisiert. Denn unsere Demokratie wird von privaten Geldgebern bestimmt. Dagegen haben sich zwar nun auch Donald Trump und Bernie Sanders ausgesprochen, aber Milliardäre und Rabauken regieren das Land.

Wann werden die Amerikaner erkennen, welchen Präsidenten sie mit Trump wirklich gewählt haben?
Sobald die Wirtschaft zusammenbricht. Und das wird in zwei Jahren passieren. Denn wie jeder Diktator einer Bananenrepublik wird Trump nur darauf achten, dass Geld in seine Taschen und in die seiner Spießgesellen fließen wird. Er verfolgt sonst keine Politik. Die Leute, die er eingesetzt hat, werden uns alle bezahlen lassen. Und von all diesen Idioten, die ihn gewählt haben, wird es vor allem die aus der Arbeiterklasse am stärksten treffen. Denn die haben sich von der rechten Propaganda dazu bringen lassen, genau gegen ihre eigenen Interessen zu wählen. Sie werden keine Arbeit mehr haben, weil ihre Jobs ins Ausland ausgelagert worden sind.

Trump kündigte an, dass er keine Kriege im Ausland führen will. Gibt das nicht Hoffnung, dass zumindest nicht alles, was von Trump kommt, schlecht ist?
Er ist ein Albtraum, eine Wunde, die sich die Amerikaner selbst zugefügt haben. Über ihn kann ich gar nichts Gutes sagen.

Aber Sie fanden ihn doch einmal ganz sympathisch. Sie nannten ihn einen Punk. Oder ist das ein Gerücht?
Ich habe ihn nur einmal getroffen. Das war 1990 auf einer Buchmesse. Wir sind beide ungefähr im selben Alter. Und damals waren wir beide irgendwie Punks. Wir haben uns an keine Regeln gehalten. Aber damals hatte ich noch keine Ahnung, was der einmal im Leben machen würde. Als er dann später ankündigte, dass er kandidieren würde, hielt ich das für einen Scherz. Aber dieser Scherz wird schreckliche Auswirkungen für uns alle auf dieser Erde haben.

Viele meinen, Trumps Tochter Ivanka, die bei seinen öffentlichen Auftritten als die eigentliche First Lady agiert, sei die Einzige, die ihn in die Schranken weisen kann. Sehen Sie das auch so?
Ach, mich deprimiert das alles so. Das Einzige, was ich erhoffe, ist, dass diese vier Jahre so rasch wie möglich vergehen. Er kräht zwar schon herum, dass er acht Jahre bleiben will, aber ich bezweifle, dass das möglich ist. Wenn die Leute, die ihn gewählt haben, so enttäuscht worden sind, ist eine Revolution der nächste Schritt.

Meinen Sie eine Revolution wie 1968? Sind denn die Linken von heute überhaupt stark genug, um eine Revolution anzufachen?
Man muss nur auf die Zeit der Hippies und des Vietnamkriegs zurückblicken, da gab es eine Widerstandsbewegung. Hoffen wir, dass sich so etwas in den nächsten vier Jahren entwickelt.

Trump hat vor allem Industrielle, die sich keinen Deut um den Klimawandel kümmern, in seinem Kabinett versammelt. Werden die katastrophalen Szenarien von aussterbenden Tierarten, der Zerstörung der Natur wie in Ihrem Roman "Ein Freund der Erde" aus dem Jahr 2000 nun Realität? Die Katastrophen, über die ich schreibe, werden von der Realität noch übertroffen werden.

Was wird passieren?
Schauen Sie sich die Flüchtlingskrise an! Heute werden ganze Länder von Banden kontrolliert. Das aber wird noch schlimmer werden. Denn man wird bald um Lebensräume kämpfen müssen. Die Gletscher gehen zurück, Länder werden überflutet, Inseln bei Alaska sind bereits evakuiert worden. Wenn man dieses Szenario auf die Zukunft projiziert, muss man sich vorstellen, dass einmal ganz Bangladesch überflutet sein wird. New York allerdings auch.

New York?
Schon jetzt halten riesige Pumpen das Wasser ab, denn New York liegt nah am Meeresspiegel. In den kommenden Jahrzehnten wird es Hunderte Millionen von Klimaflüchtlingen geben. Wo sollen wir die alle unterbringen? Wie sollen wir die ernähren? Es wird einen Kampf um Ressourcen geben. Und es wird noch schlimmer, denn es wird auch bald nicht mehr genug Lebensraum geben. Die ISIS-Krieger in Syrien werden uns dann wie eine Bande vorkommen, die die Kontrolle über ein Land übernommen hat. Man wird nach einem Sündenbock suchen, alles, was wir hassen, wird an die Oberfläche kommen. Ich sehe keine Möglichkeit, das einzudämmen. Das Ende scheint nun näher, als es jemals war.

Ist der Klimawandel demnach eine größere Bedrohung als Terror?
Terrorismus ist ein Produkt davon. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir komplett hilflos sind. Obwohl es unter den Demokraten Bestrebungen gegeben hat, die Umwelt zu schützen, hat sich die Erderwärmung ständig gesteigert.

Gibt es denn gar keine Lösungen?
Ich biete keine Lösungen an, ich bin Romancier. Alles, was ich mache, ist, die Probleme, die mich schon mein ganzes Leben beschäftigen, präzise zu betrachten.

In Ihrem Roman "Die Terranauten" bieten Sie aber eine Lösung an. Sie beschreiben darin ein Projekt, das sich mit der Erforschung neuer Lebensräume befasst. Und das scheint dann auch noch zu funktionieren, wie Sie an der Romanfigur Dawn zeigen. Sie ist eine der Testpersonen, die in dieser künstlichen Welt leben, und wird sogar Mutter eines Kinds. Am Ende weigert sich diese Frau, in ihr früheres Leben zurückzukehren. Ist das ein Plädoyer für eine neue Welt?
Als ich den Roman begonnen habe, wusste ich noch nicht, wie sich diese Figur entwickeln würde. Denn ich erzähle von einem Forschungsprojekt, das ja tatsächlich Anfang der Neunzigerjahre in Arizona stattgefunden hat. In Perioden von zwei Jahren sollten Testpersonen erforschen, ob man in einer künstlich angelegten Welt leben kann. Das Projekt war auf hundert Jahre angelegt, musste aber anders als in meinem Roman bereits in der zweiten Periode eingestellt werden, weil sich einer der Sponsoren zurückgezogen hat. Das ist sehr schade, denn es wäre wirklich interessant gewesen herauszufinden, ob man selbst Lebensräume schaffen kann.

Andererseits war dieses Projekt sehr umweltfeindlich. Sie beschreiben im Roman, wie viel Strom man verbraucht hat, um acht Menschen in einer künstlichen Landschaft am Leben zu erhalten. Das ist doch ein Widerspruch, wenn man die Natur ausbeutet, um sie zu retten! Ähnlich ist es doch, wenn Veganer behaupten, die Natur zu schützen, und dabei immer mehr Plastik erzeugen, weil sie keine Lederschuhe tragen wollen. Was sollen die tun?
Blätter und Gras essen und nackt herumlaufen.

Alle Ihre Romane sind Bestseller, obwohl Sie keinen Trash erzählen, sondern anspruchsvolle Themen behandeln. Demnächst bringt Amazon Ihren Roman "Grün ist die Hoffnung" als Serie heraus. Zeigt das nicht, dass die Welt gar nicht so schlecht ist, wie Sie sie beschreiben?
Wie sonst als mit Literatur, Filmen und Musik ließen sich die Seelen der Menschen berühren? Mit Slogans kann man niemanden überzeugen. Ich glaube total an die Kraft der Kunst. Und die kann sich auch auf das Verhalten der Menschen auswirken. Andererseits bin ich mir sicher, dass Trump-Wähler keines meiner Bücher und wahrscheinlich überhaupt kein Buch gelesen haben. Fox News ist alles, was sie kennen. Sie sind die Faschisten des 21. Jahrhunderts. Denken Sie doch an all die faschistischen Bewegungen im 20. Jahrhundert. Hitler wurde gewählt, Mussolini wurde gewählt, aber von Menschen, die von Hass und der Suche nach einem Sündenbock manipuliert worden sind. Aber diese Menschen wurden am Ende hereingelegt. So wie Bush seine Wähler hereingelegt hat und Trump seine Wähler hineinlegen wird.

Wie blicken Sie auf 2017? Was erhoffen Sie?
Das Einzige, was mich wirklich begeistern kann, ist meine Arbeit.

Zur Person: Tom Coraghessan Boyle wurde 1948 in Peekskill bei New York City geboren und zählt zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart in den USA. Sein Roman "World's End", eine scharfe Analyse der amerikanischen Gesellschaft am Beispiel einer holländischen Einwandererfamilie in Nordamerika, machte ihn international bekannt. Zentrale Themen seiner Romane sind Gesellschaftspolitik und die Zerstörung der Natur. Boyle lebt mit seiner Frau, mit der er drei Kinder hat, in Montecito in Kalifornien.

Kommentare

Roland Mösl

Ein Traum, Donald Trump. Friede und Kooperation mit Russland hat zuletzt der Präsidentschaftskandidat Wallace 1948 gefordert. Wie würde die Welt heute aussehen, wenn ab 1948 das US-Militärbudget und in Folge auch das Militärbudget vieler anderer Länder 70% niedriger gewesen wäre?

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