Wie Tom zu Conchita Wurst wurde

Lebensweg der Sängerin als sinnierender Rückblick abseits des Schlüssellochs

Im Alter von vier Jahren eine Autobiografie zu veröffentlichen ist wohl Rekord. Aber eigentlich steht hinter "Ich, Conchita" ja auch nicht die 2011 entstandene Popdiva, sondern Tom Neuwirth, der schon 26 Jahre zählt - was immer noch früh für den Rückblick aufs eigene Leben scheint. Dieser Blick ist aber mehr als ein Marketingvehikel, sondern bietet tiefe Einblicke abseits des Schlüssellochs.

von
Biografie - Wie Tom zu Conchita Wurst wurde

So handelt es sich bei der Conchita-Autobiografie nicht um die fiktive Lebenswelt einer Kunstfigur, sondern um den teils steinigen Weg eines Buben aus der steirischen Provinz entgegen zahlreicher Widerstände zum umjubelten Star auf den Bühnen der Welt. Dabei gelingt es, über die persönliche Biografie hinaus eine paradigmatische Jugendgeschichte nachzuzeichnen, die in vielerlei Hinsicht auf Menschen der gleichen Generation zutrifft.

Die Kinderjahre

Formal ist "Ich, Conchita" streng chronologisch konstruiert, beginnend bei den Kinderjahren in der "Grünen Höhle", der Jugendherberge der Eltern in Ebensee und der traumatischen Schulzeit in Bad Mitterndorf, die von Ausgrenzung des vermeintlich so anderen Buben geprägt ist. Eigentlich komme Tom "aus einer Gegend, wohin Menschen in Urlaub fahren, weil dort die Welt, wie sie sagen, noch in Ordnung ist. Wenn das zutrifft, warum gab es dann Conchita?". Nach gerade einmal zehn Seiten ist bereits Graz erreicht, wobei sich die erträumte Weltmetropole mit ihrer Modeschule als weiterer Hort von Ablehnung entpuppt.

© Tv Media Schaur Irene Tom Neuwirth

Das Outing

Im schnellen Lauf wird das Outing im Interview als Übersprunghandlung geschildert sowie der darauffolgende "Gang nach Canossa", der Offenbarung gegenüber den Eltern. Neben den ersten Gehversuchen in der Bühnenwelt mit "Starmania" nimmt die Verwandlung in die Kunstfigur Conchita breiteren Raum ein. "Was in uns steckt, können wir nicht unterdrücken", paraphrasiert Tom hier C.G. Jung.

© Tv Media Schaur Irene Tom Neuwirth

Einschneidende Begegnung

Es folgt die einschneidende Begegnung mit dem Mentor Rene Berto, mit welchem der generalstabsmäßige Plan für den Weg zum Weltstar entworfen wird, auf dem der Sieg beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen den vorläufigen Höhepunkt darstellt. Er zieht das Schnuppern in die Modewelt als Modell für Jean Paul Gaultier und ein Leben als Hotelnomade zwischen Talkshows in London, Auftritten vor dem EU-Parlament in Brüssel oder im Crazy Horse in Paris nach sich. Und auch die Versöhnung mit der Heimat bleibt nicht außen vor: "Als mir 2014 die Ehrenbürgerschaft von Bad Mitterndorf angetragen wurde, konnte ich sie annehmen, weil ich nicht verbittert war."

Der Text ist bei all dem keine unbeholfene Glorifizierung eines Starlebens, sondern überraschend reflektiert. Auch wenn Ghostwriter Daniel Oliver Bachmann für die Niederschrift verantwortlich zeichnet, hört der Conchita-Kenner aus den Zeilen die markante, geschliffene Diktion der Popdiva. Und so wird die vermeintlich chronologische Schilderung mit kleinen Gedankensplittern, Metaphern sowie philosophischen Exkursen aufgebrochen.

Frieden, Akzeptanz und Liebe

Dabei nehmen auch politischen Stellungnahmen breiten Raum ein, stehe Conchita der Politik doch als solches offen gegenüber: "Für mich ist sie eine Notwendigkeit: Wollen wir Frieden, Akzeptanz und Liebe, können wir nicht darauf warten, dass alles vom Himmel fällt." Und zum Ende überrascht die weltoffene Diva noch sich selbst mit einem patriotischen Bekenntnis, als sie die Rot-Weiß-Rote Fahne auf dem Hotel Imperial erblickt: "Die Flagge, das Sinnbild meiner Heimat. Mit ihr bin ich vertraut, denn hier bin ich geboren, hier bin ich zu Hause, hier lebe ich gut und gerne, und wenn es sein muss auch gegen alle Widerstände."

Nicht ganz ohne Glanz und Glitter

Bei aller Introspektion kommt ein Conchita-Buch dann aber natürlich doch nicht ganz ohne Glanz und Glitter aus. So wird jedes Kapitel mit einer thematischen Liedzeile aus einem Musical eingeläutet. Auf 63 Seiten findet sich dezent in den Anhang verbannt eine fotografische Dokumentation zwischen Ebensee und Paris. Und wer kann schon mit einem Vorwort von Jean Paul Gaultier aufwarten, der sich als "bedingungslosen Fan" bezeichnet und seinen Eindruck schildert, als er Conchita das erste Mal im Fernsehen sah: "Es traf mich wie ein Schlag, ein Schock, gleichzeitig war es eine Offenbarung."

Ich, Conchita
© LangenMüller

Conchita Wurst:
Ich, Conchita - Meine Geschichte. We are unstoppable

192 Seiten
LangenMüller Verlag
gesehen um 20 Euro

Kommentare

Unterm Deckmantel der Kunst ist vieles möglich. Das internationale Bild Österreichs wird aber immer mehr ramponiert. Früher waren wir bekannt für Neujahskonzert, Lippizaner und Mozart, heute wird man angesprochen auf Fritzl, Kampbusch und Wurst. Und nein, damit möchte ich diesen bärtigen Travestiekünstler nicht auf eine Ebene mit perversen Sexualverbrechern stellen.

GudRod
GudRod melden

Bin aus Bad Mitterndorf und unglaublich beeindruckt von seinem Weg. Es ist bei Gott nicht leicht, in unserer Landidylle "anders" zu sein, umso mehr gönne ich ihm jetzt diesen Mega-Erfolg. Kaum eine meistert den Gang am Show-Parkett und in der Medienlandschaft so elegant wie Conchita, hat keinen einzigen Sager unterhalb der Gürtellinie nötig und schafft es trotzdem, schwierige Themen anzuschneiden.

Klaus Pasel
Klaus Pasel melden

und trotzdem nervt er ;)

GudRod
GudRod melden

Jo, aber das tun Baumgartner, Sarkissova, Lugner, Justin Biber & Co. und alle anderen, mit denen NEWS seine Seite täglich füllt ja auch :) und was man nicht vergessen darf: Wenn solche Seiten jeden Schnipsel und jede noch so uninteressante Meldung groß auf die Startseite stellen, ist das ja nicht nach Anweisung dieser (un)interessanten Persönlichkeiten, sondern halt die "Blattlinie" von NEWS.

Oberon
Oberon melden

Kein vernünftiger Mensch wird ernsthaft glauben, dass ein Neuling im Business - wie Tom Neuwirth - sich selber den Medien als Schreibobjekt anbietet, dafür ist sein Management verantwortlich. Kann sein, dass ihm das gefällt, ständig präsent zu sein, oder auch nicht. Dem
Zeitgeist entsprechend wird er bis an die Schmerzgrenze - übrigens auch unsere - vereinnahmt, weil mit ihm gut Kohle zu ...

Oberon
Oberon melden

2.) ... machen ist. Da muss er durch und er muss auch lernen, mit mangelnder Sympathie für sein besonderes(!) Auftreten umzugehen. Die Medien freut's, sich bei ihren Artikeln nicht anstrengen zu müssen, somit haben alle was davon und was die Leser wollen, interessiert anscheinend sowieso niemanden.
Anm.: Weniger (auffallen) ist manchmal mehr!

Oberon

WAS darf man hier überhaupt schreiben? Positives fällt mir nichts ein, aber dieses.... Man kann es mit der Werbung auch übertreiben. Inzwischen nervt es! Entweder wird dieser "Film" extrem beworben oder das Buch von T.N. alias C.W.
Obwohl ich Prozente bekomme, kaufe ich mir dieses Buch sicher nicht und werde es auch für keinen meiner Bekannten besorgen. :-)

Gelberdrache

Langsam habe ich genug von der Wurst.Der Kerl macht ja alles zu Geld und die Reporter helfen Ihn noch dabei.

Klaus Pasel

jetzt geht der Scheiß schon wieder los, wen interessiert so etwas??

Seite 1 von 1