Warum eine Affäre der Beziehung gut tun kann

Und warum Lügen zur Beziehungspflege gehört - Tipps vom Paartherapeuten

Lügen gehört zur Beziehungspflege. Und Affären können die Partnerschaft beleben. Glaubenssätze, die man nicht auf Anhieb bejahen würde. Und dennoch: Den Partner stets mit der nackten Wahrheit zu konfrontieren, kann dem Miteinander mitunter mehr schaden als nützen. Gleichzeitig ist die Beziehung mit dem Betreten von Grauzonen nicht automatisch dem Verderben geweiht. Wie also sollte man es mit der Wahrheit halten? Wie mit der Treue? Und vor allem: Wo liegt die Grenze, die man besser nicht überschreiten sollte? News.at befragte den Experten.

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Lügen erlaubt - Warum eine Affäre der Beziehung gut tun kann © Bild: iStockphoto.com

"Lügen", so der Wiener Paartherapeut Dr Michael Schmitz, "gehört zur Beziehungspflege. Das hört sich vielleicht provokant an, aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir alle zig Mal am Tag lügen." Wir sagen Dinge, um jemand anderem eine Freude zu bereiten. Wir machen Komplimente – zum Aussehen, zum Verhalten. Dabei zählt Tatsache, dass derartige Aussagen nicht immer der absoluten Wahrheit entsprechen, bekanntermaßen zu den lässlichen Sünden. "Das sind die kleinen Lügen. Die bezeichnen wir als Charme. Und das ist auch in Ordnung", beruhigt Schmitz. Denn worum es hier geht, ist dem Partner Wertschätzung entgegenzubringen. "Wenn ich meiner Frau sage: 'Das ist ein wunderbares Kleid! Du siehst klasse damit aus!', dann ist das ein ehrliches Gefühl. Egal, ob ich das Kleid schön finde oder nicht." Anders formuliert: Wer Wertschätzung zeigen will, kann auch mal sagen, was er nicht denkt.

Der Mensch - ein monogames Wesen?

Lügen ist eine Sache. Betrügen eine andere. Wie steht es also um die Treue? Dazu Schmitz: "Ich glaube nicht, dass der Mensch von seiner Biologie her auf Monogamie ausgerichtet ist." Deshalb sollte man sich dessen bewusst sein, dass es immer auch außerhalb der Partnerschaft Menschen gibt, die man attraktiv findet. Ebenso wie solche, die einen selbst attraktiv finden. "So zu tun, als dürfe das nicht vorkommen, ist Selbstbetrug. Und so zu tun, als dürfe das dem Partner nicht widerfahren, ist nicht nur Selbstbetrug, sondern der Versuch, ihn zu unterwerfen", warnt der Experte.

»Ich glaube nicht, dass der Mensch auf Monogamie ausgerichtet ist«

Fremdflirten? Ja. Aber Fremdgehen?

So lautet für viele die Devise: Fremdflirten? Warum nicht! Fremdgehen? Nein danke! Denn Sexualität ist etwas, das man nur mit dem Partner teilen will. Wenn beide in einer Beziehung diese Ansicht vertreten – schön! In der Realität sieht es, so der Experte, aber meist anders aus: Oft würde einer der beiden feststellen, dass es Verführungen gibt. Und nicht selten würde er diesen auch erliegen. Die Frage dabei wäre: Gesteht man sich das zu oder nicht? "Ich glaube, es ist realistischer zu sagen, so etwas kann passieren, und sich fragen, wie man dann damit umgeht, als sich vorzumachen: Uns passiert das nie."

© iStockphoto.com Ist der Mensch für Monogamie geschaffen?

Warum eine Affäre der Beziehung gut tun kann

"Es gibt Menschen, die, ohne an eine Affäre zu denken, mit anderen flirten, um sich als begehrenswert zu erleben. Und es gibt solche, die mehr als einen Flirt wollen." Wobei sich eine Affäre auch positiv, belebend auf die bestehende Beziehung auswirken könne. "Zu erleben, dass man für andere attraktiv ist, fördert das Selbstbewusstsein", erklärt der Experte. Zudem könnte die Liebschaft dazu inspirieren, die eigene Beziehung neu zu gestalten. Dazu Schmitz: "Es gibt Paare, die gestehen sich so etwas zu. Und es gibt Paare, die sagen: 'Das ist nichts für uns. Wir wollen lieber eine Beziehung haben, in der wir uns sexuell treu sind.' Beides ist OK."

Der eine will, der andere nicht

Was aber, wenn der eine seine sexuellen Fantasien mit anderen Menschen ausleben will, während der andere auf 100-prozentige Treue setzt? "Das ist schwierig. Da muss man sich dann fragen: Passiert in der Beziehung so viel Gutes, dass ich mit den Verletzungen, die mir durch Affären zugefügt werden, klar komme?" Ist die Verletzung zu groß, sollte der Betroffene jedenfalls überlegen, ob nicht doch ein treuer Partner besser zu ihm passen würde. "Das kann aber nur jeder für sich selbst beurteilen." Zudem müsse man berücksichtigen, wie oft der Partner fremdgeht. "Wenn das während einer langjährigen Beziehung alle heiligen Zeiten mal passiert, kann man es eher wegstecken. Stehen die Affären dagegen auf der Tagesordnung, ist die Verletzung viel größer." Bis man sich eines Tages fragt, wie wichtig man dem Partner überhaupt noch ist.

© iStockphoto.com Diskretion steht bei einer Affäre an oberster Stelle

Seitensprung, aber richtig

Kommt es nun tatsächlich zu einem Seitensprung, sollte man die Sache auf jeden Fall diskret gestalten. Also "nicht so, dass es alle wissen, nur der betroffene Partner nicht. Das ist demütigend und beschämend", mahnt Schmitz. Außerdem müsse man nicht nur lügen, sondern auch lügen können. So bräuchte es die klare Bereitschaft zur Lüge sowie eine plausible Geschichte. Wobei man sich nicht in Widersprüche verstricken dürfe. Ist Lügen und Betrügen also in Ordnung? "Wenn man eine Beziehung nicht grundsätzlich monogam anlegt, aber trotzdem viel für sie tut und sie auch wirklich will, dann muss man sich nicht immer alles sagen. Dann muss man den anderen nicht immer genau beobachten und nachfragen. Dann kann man ihm mit einer gewissen Großzügigkeit auch Freiräume lassen." Was natürlich keine Freikarte dafür sei, nach Lust und Laune "mit anderen im Bett rumzukugeln".

»Man muss sich nicht immer alles sagen, den anderen nicht immer genau beobachten«

Wenn die Affäre zur Gefahr wird …

Doch alles hat seine Grenzen, weiß der Experte. So rät er dann aufzuhören, wenn der Lover zur fundamentalen Bedrohung für die Beziehung wird. Wenn er genauso wichtig wie der Partner selbst wird. "Es ist ein Unterschied, ob man eine Affäre lebt, die etwas Leichtes, Spielerisches und Unverbindliches hat, oder ob sich aus der Liebschaft eine heimliche Liebe entwickelt, die zu einer Nebenbeziehung wird. Da wird es heikel. Das kann man dem Partner nicht mehr guten Gewissens verheimlichen." Weil dieser, so kann man annehmen, sein Lebenskonzept auf der Grundlage der Beziehung schmiedet, während der Partner möglicherweise schon ganz andere Pläne im Kopf hat. "Dem Partner hier die Wahrheit vorzuenthalten wäre ein schwerwiegender Betrug."

"Liebe, Lust und Ehebett - Ein Buch zur Sache"* von Margot und Michael Schmitz, erschienen bei Orac Verlag. Hier geht's zur Facebook-Seite von Liebe, Lust und Ehebett.

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Keine Liebe erhält sich von selbst

Letztlich müsse jeder für sich entscheiden, ob er treu sein will und wie wichtig ihm umgekehrt ein treuer Partner ist. Man müsse sich die Frage stellen, wie viel einem die Affäre bedeute. Wie sehr die Wahrheit die Beziehung belasten würde. Und wie man die Partnerschaft – neu - gestalten könnte, wenn man die Karten nicht offen auf den Tisch legt. "Wobei ich nicht sage, dass Lügen gut ist", betont Schmitz. So oder so: "Wichtig ist, dass man die Affäre, wenn es in der Beziehung nicht mehr rund läuft, als Alarmsignal deutet, dass man sich wieder bemühen muss." So wäre es das viel größere Problem, wenn man sich nicht mehr bemüht, dem anderen nicht mehr genügend Aufmerksamkeit und Zeit schenkt, keine gemeinsamen Interessen mehr verfolgt und sich nicht mehr gegenseitig aus dem Leben erzählt", gibt Schmitz zu bedenken. Denn keine Liebe, so der Experte, erhält sich von selbst.

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