Die besten Filme des Jahres 2016

Von Oscar-Preisträger über den "Sieger der Herzen" bis zu feministischen Plädoyers

Das Kinojahr 2016 war ein durchwegs spannendes - und gelungenes. Hollywood zeigt sich etwa mit "The Revenant" oder "Sully" von seiner starken Seite und auch österreichische (Ko-)Produktionen ließen aufhorchen, wie etwa der "Sieger der Herzen" aus Cannes "Toni Erdmann". Aber auch kleinere Werke wie "Mustang" oder "Tschick" erfreuten dieses Jahr das Kinopublikum. Hier die besten Filme des Jahres 2016:

von Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind © Bild: 2016 WARNER BROS ENTERTAINMENT INC. ALL RIGHTS RESERVED

The Revenant - Der Rückkehrer

Es ist eine kalte Welt, durch die sich Leonardo DiCaprio in "The Revenant" kämpft: Menschlich und von den Temperaturen her. Als schwerverletzter Trapper, der, von den Kollegen verlassen, alleine durch die kanadische Wildnis zurück in die Zivilisation finden muss, robbte sich der 41-Jährige seinem ersten Oscar entgegen.

Als Spiegel und zugleich Gegenbild zum kaltherzigen Geschehen zwischen den Menschen fungieren in "The Revenant" die Naturaufnahmen, für die Kameramann Emmanuel Lubezki verantwortlich zeichnet. Ohne künstliches Licht rückt er nicht idyllische Weiten freier Natur ins Bild, sondern den harten Überlebenskampf in einer unwirtlichen Umgebung. Die Kälte in den Naturpanoramen wird für den Zuschauer förmlich körperlich spürbar. Die Einstellungen erinnern dabei streckenweise an Gemälde, bisweilen an "Universum"-Dokumentationen. Doch immer wieder wird die Kamera mobil und rückt den Protagonisten auf die Haut.

Unter die Haut dürften dem Team auch die Dreharbeiten in der kanadischen Wildnis gegangen sein: Mehrere Crewmitglieder ließen die Arbeit wegen Überanstrengung sausen, und auch zwischen Regisseur Inarritu und seinem Produzenten Jim Skotchdopole kam es angesichts massiver Budgetüberschreitung zum Konflikt. Im Endeffekt hat sich "The Revenant" aber in jeder Hinsicht für alle Beteiligten ausgezahlt.

Maikäfer flieg

Mirjam Ungers Verfilmung von Christine Nöstlingers autobiografischem Jugendbuchklassiker über das Aufwachsen der neunjährigen Christine während des Krieges feiert die kindliche Unangepasstheit und fordert zugleich politische Haltung ein.

Dabei schafft es "Maikäfer flieg“ sich trotz des ernsten Themas den Witz und die Leichtigkeit der 1973 erschienenen Vorlage "Maikäfer, flieg! Mein Vater, das Kriegsende, Cohn und ich" zu bewahren. Unger hält in ihrer unaufgeregten Erzählung die Waage zwischen Humor und Tragik, vermittelt glaubwürdig die von Erwachsenen und Kindern so unterschiedlich erlebte Besatzungszeit.

Mustang

Fünf türkische Schwestern kämpfen gegen gesellschaftliche Konventionen an. Trotz all der Tragik, die in dem Stoff liegt, schafft es die franko-türkische Regisseurin Deniz Gamze Ergüven durch die Erzählperspektive der unbedarften Lale sowie sonnendurchflutete, wunderschön fotografierte Aufnahmen zwischen den Schwestern eine erbauliche Leichtigkeit aufrecht zu erhalten. Genau dadurch entsteht statt einer Anklage mit dem Zeigefinger vielmehr ein feministisches, hoch aktuelles Plädoyer für die Bewahrung der Lebensfreude und das Recht eines selbstbestimmten Lebens. Und das ist nicht nur der Regisseurin, sondern auch dem herausragenden, jungen Cast zu verdanken, mit dem man lacht, weint, hofft und sich ärgert. Ein außergewöhnlicher Coming-of-Age-Film, der einen Einblick in eine uns unbekannte, rückschrittliche Welt bietet und dessen Heldinnen einen nachhaltig beeindrucken.

Future Baby

Der Reproduktionsmedizin und des damit verbundenen lukrativen Geschäftszweiges widmete sich Regisseurin Maria Arlamovsky in „Future Baby“. Dabei wertete die Filmemacherin nicht, stellte schlicht Befürworter, Skeptiker und Neutrale gegenüber und ließ teils überraschende Argumente ineinandergreifen um aufzuzeigen, wie schnell das eine zum nächsten führt - bis hin zur kontroversen genetischen Selektion.

Immer wieder jagt es einem dabei den kalten Schauer über den Rücken, wenn vom Baby mit Warencharakter oder der gruseligen Aussicht auf künstliche Gebärmütter die Rede ist.

„Future Baby“ wurde so zu einer aufschlussreichen, stellenweise besorgniserregenden Bestandsaufnahme, die es dem Zuseher überlässt, seine eigenen Grenzen abzustecken, und die gesamte Gesellschaft ermahnt, juristische und ethische Fragen abzuklären, bevor sie von den Entwicklungen überrascht wird.

Ghostbusters

Bei Remakes von Klassikern ist immer mit Empörung zu rechnen. Was auf das Team der "Ghostbusters"-Neuauflage eingeprasselt ist, sucht aber seinesgleichen und richtete sich einzig gegen die Entscheidung, die Rollen der Geisterjäger mit Frauen zu besetzen. Dabei brauchen Männer wahrlich keine Angst vor Frauen zu haben - Geister hingegen schon, wie der fulminant-spaßige Film gezeigt hat. Dass die Neuauflage des Filmklassikers berührt und aufwühlt, betroffen und wütend macht, ist nicht zuletzt den authentischen Hauptdarstellern zu verdanken.

Tschick

Sechs Jahre nach dem Erscheinen von Wolfgang Herrndorfs fabelhaftem Abenteuerroman "Tschick", der mittlerweile mehr als zwei Mio. Leser gefunden hat, schaffte es 2016 auch die Verfilmung ins Kino. Nach einem Drehbuch von Lars Hubrich, einem Freund und Vertrauten des 2013 verstorbenen Autors, hat Fatih Akin die Odyssee zweier jugendlicher Außenseiter durch den wilden Osten kongenial verfilmt. In keiner einzigen Sequenz driftet dieses kurzweilige Roadmovie in seichte deutsche Comedy-Gefilde ab. Stattdessen ist es überzeugend gelungen, den Geist des preisgekrönten Romans in das Medium Film zu übertragen, ohne sich sklavisch an die Vorlage zu klammern. Toll!

Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind

Harry Potter ließ dieses Jahr wieder einmal die Kinobesucher grüßen. Zwar kehrte der Held nicht höchstpersönlich auf die Leinwand zurück, schickte mit „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ aber einen würdigen Vertreter. Erneut verzauberte die magische Welt aus der Feder von J.K. Rowling die Zuseher – sowie auch Eddie Redmayne als verschmitzt-schüchterner Titelheld Newt Scamander. Ein wirklich gelungenes Spin-off, das Lust auf mehr gemacht hat.

Ich, Daniel Blake

Als prägender Vertreter des sozial engagierten Films prangert der britische Regisseur Ken Loach seit Jahrzehnten gesellschaftliche Missstände an. So auch im großartigen Sozialdrama "Ich, Daniel Blake". Darin widmet sich der 80-Jährige einmal mehr der englischen Arbeiterklasse. Der Witwer Daniel Blake (großartig Dave Johns), der sein Leben lang gearbeitet und Steuern gezahlt hat, ist nach einem Herzinfarkt erstmals auf Sozialhilfe angewiesen, doch die will ihm der Staat nicht gewähren, denn er ist laut „Punktesystem“ sehr wohl arbeitsfähig. In der alleinerziehenden, arbeitslosen Mutter Katie findet er eine nicht minder gebeutelte Mitstreiterin. Immer weitern rutschen die beiden aufgrund von neuen Hürden wie konfuse Zuständigkeiten und Bestimmungen am Amt in die Armut ab. Loach erhielt für das wahnsinnig starke wie eindringliche Werk in Cannes verdient seine zweite Goldene Palme.„Ich, Daniel Blake" ist ein kraftvoller sowie niederschmetternder Appell für eine andere Welt.

Sully

Der „Held vom Hudson“ hat es ins Kino geschafft: Clint Eastwood verfilmte die Geschichte des Piloten Chesley Sullenberger, der im Jänner 2009 ein Flugzeug mitten im New Yorker Fluss landete und damit 155 Personen das Leben rettete. Doch ein gefeierter Held war er nicht für alle, musste er anfangs seine Tat sogar noch rechtfertigen. Und auf diesen Aspekt stürzt sich Eastwood in seine Hommage an den Piloten. Großartig porträtiert er diese innere Zerrissenheit. Immer und immer wieder poppt die Frage – beim Kapitän, bei seiner Umgebung, beim Zuseher – auf: Wäre eine sichere Landung am Flughafen doch möglich gewesen? Und großartig ist der Film vor allem, weil dieser trotz der für Hollywood aufgelegten Geschichte eben nicht zum großen Drama wird, das den Zuschauer im Emotionen-Karussell schwindlig werden lassen könnte, sondern es im Gegenteil schafft, gerade trotz dieses Dramas die Ruhe zu bewahren. Ganz wie sein Protagonist.

Manchester by the Sea

Nur selten vermag es ein Film, uns bis ins Mark zu erschüttern und auch lange nach dem Abspann nicht loszulassen. "Manchester by the Sea" ist so ein Film. Der gebürtige New Yorker Kenneth Lonergan erzählt darin vom traumatisierten Handwerker Lee (Casey Affleck), der nach dem Tod seines Bruders die Vormundschaft für dessen Teenagersohn übernimmt. Das außergewöhnliche Drehbuch, nach einer Idee von John Krasinski und Matt Damon ursprünglich für Damon als Regisseur geschrieben, strotz vor wahrhaftigen Dialogen, Liebe zum Detail und kleinen, zarten Momenten, die ein Leben ausmachen. Und Hauptdarsteller Casey Affleck liefert mit seinem nuancierten, schmerzerfüllten Spiel zweifellos die beste Performance seiner Karriere ab.

Toni Erdmann

Es ist wohl DER Film abseits von Hollywood, der die Kinobranche dieses Jahr verzückte. Und nicht nur die Kinobranche. Das Publikum reagierte euphorisch, die Kritiken waren hymnisch. Umso überraschender, war es, dass „Toni Erdmann“ in Cannes leer ausging. Dennoch blieb die , österreichisch koproduzierte Tragikomödie der deutschen Regisseurin Maren Ade mit Peter Simonischek in der Hauptrolle der „Sieger der Herzen“. Die Geschichte über eine schwierige Vater-Tochter-Beziehung ist so lustig wie berührend, so menschlich wie schräg, so klug wie sensibel; ein Geschenk von einem Film, und mit über drei Stunden keine Minute zu lang.

Spotlight

Tom McCarthy erzählt in „Spotlight“ von Journalisten, die den systematischen Missbrauch in der katholischen Kirche in Boston und darüber hinaus aufdecken.Was ein schwer verdauliches Missbrauchsdrama hätte werden können, wurde jedoch zu einem hochspannenden, detektivischen Thriller, bei dem die Zuseher stets auf demselben Wissensstand wie die Reporter sind, sich mit ihnen über Meilensteine freuen und bei Erkennen des Ausmaßes zwischen Schock, Rührung und Rage wandeln. Die emotionale Wucht entfaltet sich nicht zuletzt dank der starken, einander ebenbürtigen Darsteller, deren Figuren nicht als Helden verherrlicht, sondern in all ihrer Ambivalenz, journalistischen Leidenschaft und Menschlichkeit gezeigt werden. „Spotlight“ gewann den Oscar für den „besten Film“ sowie das „beste Originaldrehbuch“.

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