Bernd Schilcher gestorben

Schwarzer Kämpfer für die Gesamtschule starb kurz vor seinem 75. Geburtstag

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Steiermark - Bernd Schilcher gestorben

Schon in frühester Jugend, sagte Schilcher anlässlich seines 70. Geburtstags im Gespräch mit der APA, habe er sich mit Bildungsfragen beschäftigt. Die Trennung der Schüler mit zehn Jahren habe er erstmals infrage gestellt, als er seine drei besten Freunde durch deren Wechsel in die Hauptschule verlor; dass seine Klassenkollegen an der AHS nach dem Unterricht ins Lerninstitut gingen und nicht an der Schule gefördert wurden, erschien ihm ebenfalls absurd. "Mich haben schon immer die Strukturen und die ständischen Überlegungen interessiert", so Schilcher.

Bei der Lehrervertretung hat sich Schilcher mit seinen teils sehr anschaulichen Überlegungen wenige Freunde gemacht. Für Aufregung sorgte er etwa mit seiner Forderung nach ganztägiger Anwesenheit der Pädagogen an der Schule: "Die Zeit der 'Auspufflehrer', von denen man um elf nur noch den Auspuff gesehen hat, ist vorbei." Die Gewerkschaft sah er als reine Privilegien-Bewahrerin, von der keine inhaltlichen, sondern ausschließlich finanzielle Forderungen kämen. Auch mit der eigenen Partei ging er gerne hart ins Gericht: Die Bildungspolitik der ÖVP bestehe nur aus Standespolitik, kritisierte er etwa wiederholt.

Gerne verwies Schilcher auf die historischen Wurzeln des österreichischen Schulsystems: Dieses sei etwa deshalb so starr, weil es 1869 vom Militär aufgebaut wurde. Die vom Exerzieren kopierten 50-Minuten-Einheiten und die an die Trillerpfeife angelehnte Pausenklingel sind bis heute erhalten. Auch im Widerstand gegen die Neue Mittelschule, die er mitentwickelte, sah Schilcher Gründe in der Geschichte: Die Bildungsbürger fürchteten, "ihren Vorrang einzubüßen. Das Standesdenken ist tief drinnen bei den Österreichern."

Wegen "grauenhafter Strukturen" in den Ruhestand

Schilcher wurde am 22. Juli 1940 in Graz geboren. Dort studierte er Medizin und Rechtswissenschaften. Ab 1978 war Schilcher Ordinarius für Bürgerliches Recht an der Uni Graz, zwischen 1989 und 1996 Landesschulratspräsident der Steiermark. Er führte in dieser Zeit u.a. in seinem Bundesland einen neuen Schultyp ein, die Realschule, die den Schülern ein Kennenlernen der Arbeitswelt ermöglichen soll. Von 1996 bis Juni 2001 war er erneut Vorstand am Institut für Bürgerliches Recht der Uni Graz. Seit 2003 war er im Ruhestand - allerdings nicht, weil er nicht weiter mit den Studenten arbeiten wollte. Grund seien "die grauenhaften Strukturen" gewesen.

Anfang der 1970er war Schilcher an der Erstellung des Salzburger Programms der ÖVP beteiligt, mit dem sich die Partei ein aufgeschlossenes, modernes und problemorientiertes Profil verpassen wollte. 1976 bis 1993 saß er für die Volkspartei im steirischen Landtag, zwischen 1985 und 1989 als deren Klubobmann.

Das überraschende Ableben des ÖVP-Bildungspolitiker Bernd Schilcher hat Trauer und Betroffenheit hervorgerufen. ÖVP-Obmann und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner würdigte ihn als "große Persönlichkeit", Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) als "bildungspolitischen Visionär". Der Grüne Bildungssprecher Harald Walser sah ihn als "Vorkämpfer für ein schülergerechtes Schulsystem".

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