Bergisel-Drama: Gericht sieht Schuld bei Stadt & Land

4.12.1999: Fünf Tote bei "Air & Style"-Event bei Innsbruck Richter: Veranstaltung hätte gar nicht stattfinden dürfen!

Bergisel-Drama: Gericht sieht Schuld bei Stadt & Land

Das strafrechtliche Verfahren steht vorerst wegen eines fehlenden Gutachtens noch aus. Wie Richter Werner Engers erklärte, sei bisher noch nicht klar, ob etwa auch die Republik Österreich sowie der damals zuständige Sicherheitsdienst haften müssen. Erste Stellungnahme des neuen Tiroler Landeshauptmanns Herwig van Staa (ÖVP): "Jeder Spruch eines Gerichts ist zu respektieren." Darüber hinaus müsse "jede Hilfestellung für die in Not geratenen Familien erfüllt werden, bis ein rechtskräftiges Urteil vorhanden ist".

Klägerin ist Pflegefall
Angestrengt wurde diese Musterklage (eine weitere läuft bereits seit Sommer 2001) von den Vertretern der mittlerweile 19-jährigen Judith S. aus dem Bezirk Innsbruck-Land. Die junge Frau ist seit dem Unglück ein Pflegefall, genauso wie vier weitere Besucher der Snowboard-Veranstaltung. Sie waren am 4. Dezember 1999 von den abströmenden Menschenmassen nahezu erdrückt worden. Fünf Besucher erlagen in der Folge ihren schweren Verletzungen.

Ganze Veranstaltung fehlerhaft
Der Richter: Das Unglück sei im Zug einer "völlig ruhig verlaufenden" Veranstaltung entstanden. Der "Air and Style Contest" sei durch den Auflagenbescheid des Veranstaltungsamtes der Bundespolizeidirektion Innsbruck genehmigt worden. Da es sich dabei um ein Großereignis von überregionalem Interesse gehandelt habe, habe das Amt im Auftag des Landes entschieden.

Sowohl das Veranstaltungsamt als auch die Stadt Innsbruck hätten zumindest seit 1995 gewusst, dass das Bergisel-Stadion "als Betriebsanlage für Großveranstaltungen eine sehr problematische, teilweise auch ungeeignete Betriebsanlage ist", hieß es in der Klagsschrift. "Niemand hat sich darum gekümmert, ob die Veranstaltung in dem Stadion in dieser Art und Weise durchgeführt werden kann".

Weiterer Punkt der Verhandlung war die Frage, ob es für die Bauweise und Sicherheitsbestimmungen von Stadien internationale Normen gibt. Der Vertreter des Landes Tirol, Paul Bauer, beantragte dazu ein Gutachten, das aber vom Richter abgelehnt wurde.

Die Gesamtschadenssumme der fünf schwer verletzen Jugendlichen, die vermutlich Zeit ihres Lebens Pflegefälle sein werden, könnte sich, so ein Anwalt, auf 15 bis 20 Millionen Euro belaufen.

Verfahrens-Chronologie
Die erste Verhandlung fand Mitte November 2001 statt. Damals musste sich Gerald Falger, Chef der damals zuständigen privaten Sicherheitsfirma, am Innsbrucker Landesgericht vor dem Einzelrichter Peter Friedrich wegen "fahrlässiger Gemeingefährdung" verantworten. Er hatte sich als "nicht schuldig" bekannt. Der Prozess wurde auf Anfang 2002 vertagt, da der Verteidiger Hansjörg Mader weitere schriftliche Beweisanträge zum Unfallhergang gefordert hatte.

Am 25. Jänner 2002 ging der Fall in die zweite Runde, in der sich Falger erneut vor dem Innsbrucker Gericht verantworten musste. Der Prozess wurde neuerlich vertagt - diesmal auf unbestimmte Zeit. Es sei noch die Einvernahme von mindestens fünf weiteren Zeugen sowie von zwei Sachverständigen beantragt worden, hatte Koll damals erklärt.

Zu dem Unglück war es am 4. Dezember 1999 im Anschluss an das Snowboard-Spektakel "Air & Style" gekommen. Vier Tirolerinnen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren und eine 21-jährige Australierin waren dabei ums Leben gekommen, fünf weitere Jugendliche wurden schwer verletzt. Insgesamt mussten 38 Verletzte in Krankenhäusern versorgt werden. Das Unglück ereignete sich noch vor der offiziellen Siegerehrung in unmittelbarer Nähe des westlichen Stadionausgangs.