Bela B verabschiedet sich zurück

Der Ärzte-Star über seine neue Soloplatte "Bye", Country auf Deutsch und Protest-Songs

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NEWS.AT: Deine neue Platte heißt „Bye“? Wovon verabschiedest du dich?
Bela B: Das ist ein Aufbruch an neue Ufer. Ich probiere mich in eine andere Richtung aus, gehe Experimente ein und wenn man zu irgendetwas aufbricht, fährt man von irgendetwas weg und höflicherweise verabschiedet man sich. Ich hatte vorher „Beutekunst“ als Arbeitstitel, was ich ganz gut gefunden hätte, wenn man sich rückwärtsgerichtet in der Vergangenheit bedient bei Country, Americana und Folk-Musik, aber das klang dann doch zu sehr nach Putin.

Bela B - Bye
© Wohnzimmer Records Bela B - "Bye"

NEWS.AT: Aber wenn du dich verabschiedest, heißt das, du kommst nicht mehr zurück?
Bela B: Nein, das heißt es gar nicht. Sonst würde das Album vielleicht „Adieu“ heißen. (lacht.) Ich werde natürlich als ein anderer wiederkommen, das ist klar. Jede neue Platte, sei es jetzt, mit den Ärzten oder jedes Projekt in dem ich irgendwie involviert bin, verändert mich.

NEWS.AT: Auf „Bye“ gehst du eine ganz neue Musikrichtung an: Country…
Bela B: (zögert) …Country ist ein Wort, das gleich zu Klischeebildern im Kopf führt, vor allem beim deutschsprachigen Country. Also so reinrassig Country ist das tatsächlich nicht. Es ist im weitesten Sinne Americana, Folk-Musik.

NEWS.AT: Wie bist du dazu gekommen? Warst du immer schon Americana-/Folk-Fan?
Bela B: Ich hab als Jugendlicher mal Johnny Cash in St. Quentin gesehen, den Konzertfilm, der mich extrem beeindruckt hat und als ich später mit Farin Urlaub zusammen eine WG hatte, da haben wir viel zusammen rückwärtsgewandt Musik entdeckt wie zum Beispiel Eddie Cochran, der auch Blue Grass und Folk Sachen gemacht hat. Das hat uns immer interessiert. Als ich dann zum ersten Mal Lee Hazelwood und Nancy Sinatra gehört habe, da war ich gerade 19 oder 20, hat mich das nachhaltig beeinflusst und bis heute ist das meine größte Liebe in der Musik, weil man immer wieder Dinge entdecken kann und seine Art zu texten, verbunden mit Musik, ganz speziell ist.

NEWS.AT: Gibt es Parallelen zwischen Folk und Punk?
Bela B: Durchaus. Also vorweg einmal: So ein Album zu machen ist schon nicht ganz die Nummer sicher! Das finde ich schon mutig. So klassische, klischeehafte verzerrte Achtelgitarren wird man auf "Bye" nicht finden. Aber dafür habe ich mir auch eine Country-/Americana-Band ins Studio geholt, Smokestack Lightnin‘, mit einem eigenen Sound. Die hole ich mir nicht, um zu sagen: „So, jetzt spielt mal Punkrock.“ Das hätte ich mit meiner alten Soloband machen können.

NEWS.AT: Wie hat das funktioniert mit der existierenden Band? Wie habt ihr euch zusammengefunden?
Bela B: Ich hatte die Idee, ein authentischeres Album zu machen, statt mich immer nur diverser Elemente zu bedienen und deshalb eine Band aus diesem Bereich zu nehmen. Smokestack Lightnin‘ habe ich bei einer Autofahrt im Radio gehört, bin rechts ran gefahren, habe mir den Namen aufgeschrieben, bin zum Konzert, hab die Platte gekauft, die E-Mail-Adresse vom Bassisten geholt und so weiter. 2010 haben wir angefangen, diese Idee zu entwickeln. Allerdings mit vielen Unterbrechungen, weil ich viel mit den Ärzten zu tun hatte und mit anderen Sachen, ich bin ein vielbeschäftigter Mensch. Was ich aber gut finde, sonst hätte ich die Platte vielleicht rausgebracht, bevor ich Peta Devlin kennengelernt habe und die hat dem Ganzen nochmal die Krone aufgesetzt.

NEWS.AT: Wie denkst du, funktioniert diese Art von Musik in Deutschland, auf Deutsch?
Bela B: Naja, es sind keine Coverversionen, es ist auf Deutsch, da wird nicht viel zum Festhalten sein. Ich habe nur eine einzige Coverversion aufgenommen, einen großen Hit, wie das in Rockabilly/Country in Deutschland schon erfolgreich exorziert wurde. Ich habe aber einen Hit genommen von einem Komponisten, den ich ganz gut kenne, den ich manchmal rasiere… ein Lied von mir (lacht).
Es ist natürlich ein Wagnis und es ist mir schon klar, dass ich bei bestimmten Leuten die Erwartungshaltung nicht unbedingt erfülle, aber bisher sind die Resonanzen super. Ich habe noch nie so gute Kritiken bekommen für eine Soloplatte, wie für diese, von Fans wie von Kritikern.

NEWS.AT: Auf was dürfen sich die Fans bei den Konzerten (Bela ist am 16. Mai im Posthof Linz und am 18. Mai in der Wiener Arena zu sehen) freuen?
Bela B: Es ist ein bisschen wie eine Roadshow. Smokestack Lightnin‘ bekommen Raum, selber zu spielen. Linda Kay habe ich überreden können, zum ersten Mal nach Europa zu kommen und die bringt ihre ganzen Perücken mit. Da wird ein Hauch Las Vegas da sein. Natürlich spielen wir das Album und ältere Lieder von mir. Also es wird eine total musikalische Sache, es wird toll. Aber wenig Pogo wahrscheinlich, mal schauen…

NEWS.AT: Da du dich ja einer ur-amerikanischen Musik widmest, hast du auch überlegt, auf Englisch zu singen?
Bela B: Bei den Coverversionen singe ich Englisch. Wir werden von der Platte auch eine englischsprachige Version machen. Mit Peta habe ich eine Muttersprachlerin in der Band, die mir dann hilft, das möglichst unpeinlich über die Bühne zu bringen.

»...aber ich sehe noch gut aus, nicht?«

NEWS.AT: Du machst ja schon sehr lange Musik…
Bela B: … aber ich sehe noch gut aus, nicht? (lacht)

Bela B - Bye
© Konstanze Habermann

NEWS.AT: Ja… Woher nimmst du immer noch deine Inspirationen nach so vielen Jahren?
Bela B: Enthusiasmus! Enthusiasmus ist das Wort! Ich bin Musikfan, ich liebe es, Musik zu entdecken, Musik zu hören. Ein gutes Lied am Morgen kann dir den ganzen Tag versüßen und ich empfinde es fast als Auftrag, es immer wieder nach draußen zu geben, zu sagen: „Leute, Musik ist wirklich extrem wichtig.“ Es ist egal, ob du Timo Maas magst oder Rammstein, aber dich einfach bewusst für Musik zu entscheiden und Lieder zu hören und sich Lieder auszusuchen, die einen begleiten. Lasst Musik nicht sterben! Musik ist mehr als eine Begleitung, Musik ist auch mehr als eine Castingshow. Musik ist wahnsinnig wichtig, wahnsinnig schön und befreiend. Eine neue Platte, von jemandem, den man toll findet, und der über Situationen singt, mit denen man sich identifizieren kann, das ist wie ein guter Freund.

NEWS.AT: Die Musik ist dir wichtig, aber du bist auch sonst sehr engagiert…
Bela B: Ich bin ein politisch denkender Mensch und da mache ich auch nicht zu sehr einen Hehl daraus. Ich gehe mit sozialem Engagement nicht so an die Öffentlichkeit, das ist Privatsache, es sei denn, meine Bekanntheit kann helfen.

NEWS.AT: ...verspürst du da nicht mal Lust oder den Drang, Dinge die dich dabei beschäftigen, in deiner Musik zu verarbeiten?
Bela B: Das Problem ist, dass Zeigefinger-Songs echt ein Problem von mir sind. Mit den Ärzten ist mit „Schrei nach Liebe“ der unverkrampfteste Anti-Nazi-Song gelungen, der je geschrieben wurde - und da sind wir sehr stolz darauf. Aber wir sind trotzdem keine Parolen-Polit-Band geworden, weil das die Leichtigkeit von der Musik nimmt. Ich brauche Musik auch, um Kraft zu tanken und nicht jemanden, der mich mit runter gezogenen Augenbrauen ansieht und sagt: „Die Welt ist so schlecht. Mach jetzt endlich was gegen den Klimawandel.“ Selbstredend sollte natürlich jeder darüber nachdenken, was er tun kann. Das kann auch immer wieder in Songs auftauchen, aber ich denke, meine Botschaft über die Musik ist, dass ich die Leute zur Selbstbestimmung auffordere.

Hier geht es weiter: Im zweiten Teil des Interviews spricht Bela über Selbstdarstellung, seine Socken-Kollektion auf Facebook und den Handy-Wahnsinn auf Konzerten.

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