Welche Bakterien gesund machen

Nicht alle Keime machen krank - im Gegenteil

Er ist bis zu acht Meter lang und verarbeitet im Laufe unseres Lebens durchschnittlich 30 Tonnen Nahrung und 50.000 Liter Flüssigkeit: Unser Darm ist ein Hochleistungsorgan. Es ist jedoch nicht unser Körper alleine, der die aufgenommenen Speisen in verwertbare Nährstoffe zerlegt. Eine wesentliche Rolle spielen dabei auch jene 100 Billionen Bakterien, die die Darmflora jedes Menschen bilden. In Summe machen diese Mikroorganismen etwa 1,5 Kilogramm unseres Körpergewichts aus. Eine derart riesige Zahl an Bakterien klingt gefährlich. Ist sie aber zumeist nicht - zumindest nicht, solange die Darmflora im Gleichgewicht ist und krank machende Erreger „gute“ Stämme wie Lactobacillus acidophilus oder Bifidobakterien nicht verdrängen.

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Leben - Welche Bakterien gesund machen

Die Erforschung dieser Darmbakterien ist ein relativ neues Gebiet der Ernährungswissenschaften. „Früher ist es immer nur darum gegangen, welche Nahrung ich aufnehme“, sagt Kurt Widhalm, Präsident des Instituts für Ernährungsmedizin. Mittlerweile steht fest, dass auch ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Bakterienstämme im Darm und Krankheiten besteht. „Man weiß zwar noch nicht viel. Belegt ist, dass diese Bakterien einen entscheidenden Einfluss auf unser Immunsystem und das Wohlbefinden haben“, erklärt Widhalm.

Bei etlichen Krankheiten zeigen erste Forschungsergebnisse einen Zusammenhang zwischen Bakterien und Erkrankung. So haben etwa Menschen mit Adipositas, Diabetes, Alzheimer, Reizdarmsyndrom oder Depressionen eine im Vergleich zu gesunden Menschen veränderte Darmflora. Bei Frühgeborenen konnten polnische Forscher durch die Gabe von Darmbakterien bereits erfreuliche Ergebnisse erzielen: Kinder, die diese Keime erhalten haben, erkranken deutlich seltener an der gefürchteten Darmnekrose, bei der der Darm der zu früh geborenen Babys zerfällt.

© NEWS/Karin Netta

Neugeborene kommen mit einem fast sterilen Darm auf die Welt. Erst durch die Geburt, das Stillen und den Kontakt mit Menschen und Schmutz siedeln sich im Darm der Babys nach und nach 500 bis 1.000 unterschiedliche Bakterienstämme an. „Die Grundbesiedelung ist in den ersten drei Lebensjahren abgeschlossen. Die Anzahl und die Art der Bakterienstämme sind bei jedem Menschen anders. Sie sind sozusagen eine individuelle Signatur, wie ein Fingerabdruck“, erklärt Peter Holzer, Professor für Experimentelle Neurogastroenterologie an der Med-Uni Graz. Die „Bakterienphobie mancher Eltern“ hält Widhalm daher für ein großes Problem. „Es gibt Mütter und Väter, die übertreiben es mit der Hygiene. Da wird auch bei älteren Kindern alles abgekocht und sie dürfen nichts angreifen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kinder später an Allergien und Asthma erkranken, ist deutlich erhöht.“ Mit ausreichend Keimen in Berührung zu kommen, bedeute aber nicht, Salat nicht mehr zu waschen, sondern die Kinder auch im Gatsch spielen zu lassen.

Doch selbst wenn sich in der Kindheit ausreichend Bakterien ansiedeln, ist das noch keine Garantie für ewige Gesundheit. „Durch falsche Ernährung, Stress, Antibiotika oder Schadstoffe aus der Umwelt werden auch gute Bakterien abgetötet“, sagt Holzer. Allerdings kann dieser Effekt rückgängig gemacht werden: „Durch eine Ernährungsumstellung mit vielen frischen Nahrungsmitteln sowie wenig Zucker und Weißmehl kann es gelingen, dass sich wieder neue Darmbakterien ansiedeln.“

Der Darm ist nicht das einzige Organ, bei dem Bakterien eine wichtige Rolle spielen. Auch unsere Haut ist voll davon, und ein Ungleichgewicht kann zum Beispiel Ekzeme zur Folge haben. „Jede Woche gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen guten Bakterien und Krankheiten“, sagt Peter Holzer. „Bisher ist allerdings noch nicht geklärt, ob die Veränderungen der Darmbakterien ein Grund oder die Folge dieser Erkrankungen sind. Das ist aber eine sehr interessante und entscheidende Frage.“ Denn wenn fehlende Bakterien tatsächlich eine Mitursache für diese Krankheiten sind, könnte es hier schon bald ganz neue Therapieansätze geben.

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