Donau-Auen: Abenteuer vor der Haustüre

Es muss nicht immer ein Urlaub in der Ferne sein. Eine Entdeckungstour mit Ranger Manfred Rosenberger durch den Nationalpark Donau-Auen lassen einen Spaziergang zum Erlebnis werden.

von Ausflugstipp - Donau-Auen: Abenteuer vor der Haustüre © Bild: Ricardo Herrgott

Es gibt weltweit nicht viele Hauptstädte mit Nationalpark. Doch eine von ihnen ist Wien. Der 9.600 Hektar große Nationalpark Donau-Auen beginnt im Osten Wiens und reicht bis an die slowakische Grenze. Fast täglich führt Manfred Rosenberger Besucher durch die Landschaft, die durch den Wechsel von Hoch-und Niedrigwasser geprägt ist.

© Ricardo Herrgott Der Nationalpark-Ranger Manfred Rosenberger war Teilnehmer und Mitorganisator der Au-Besetzung

Rosenberger ist Ranger, seit es den Nationalpark gibt. Er war unter den Au-Besetzern, die 1984 gegen den Bau des Wasserkraftwerks Hainburg protestierten, und begann anschließend, Besuchergruppen die Faszination, die von diesem Lebensraum ausgeht, zu vermitteln. "Auf meinen Touren versuche ich, die Au mit den Gästen abseits der Forststraße und bekannten Wanderwege zu entdecken", sagt Rosenberger. Eigentlich ist es in einem Nationalpark verboten, gekennzeichnete Wege zu verlassen. Im Rahmen einer Exkursion mit Ranger ist es allerdings erlaubt.

© Ricardo Herrgott Rund ein Dutzend unterschiedliche Fischarten können in der Unterwasserstation auf der Schlossinsel beobachtet werden

Treffpunkt ist das Nationalparkzentrum im Schloss in Orth an der Donau, das zirka auf halber Strecke zwischen Wien und Hainburg liegt. Im Inneren des Gebäudes ist derzeit dem Seeadler eine Ausstellung gewidmet. "Der Seeadler ist von selbst wieder zugewandert. Er hat eine Flügelspannweite von bis zu 2,2 Metern", erklärt Rosenberger. Mittlerweile leben sechs bis sieben Brutpaare in den Auen.

Hausen und Hirschkäfer

© Ricardo Herrgott Auch, wenn ein Vogel bereits den Körper eines Hirschkäfers gefressen hat, kann sich der Kopf noch tagelang weiter bewegen und sogar zwicken

Beeindruckend ist das Modell des Hausens im Schlosshof. Dieser Riesenfisch, der bis zu 1,5 Tonnen schwer werden kann, lebt tatsächlich noch vereinzelt in der Donau. Mittlerweile ist er jedoch ausschließlich unterhalb des Kraftwerks Eisernes Tor an der serbisch-rumänischen Grenze zu finden. Hausen schwimmen vom Schwarzen Meer aus in die Donau. Die Verbauungen des Flusses verhindern, dass der Riesenfisch weiter stromaufwärts noch beheimatet ist.

Über eine Brücke gelangen die Besucher auf die Schlossinsel. Hier grasen Schafe und in einem Teich leben europäische Sumpfschildkröten. Sie sind streng geschützt, und "bis ins Mitte des 19. Jahrhunderts fanden sich in so gut wie allen Kochbüchern Schildkröten-Rezepte", erzählt Rosenberger.

© Ricardo Herrgott Ansammlungen von Schwemmholz sind ein eigener Lebensraum für Tiere. Betreten werden darf er nicht. Die Verletzungsgefahr ist zu groß

Eine weitere Attraktion ist die Unterwasserstation. In dem abgedunkelten Bereich können durch riesige Scheiben ein Dutzend der insgesamt 61 in der Donau vorkommenden Fischarten beobachtet werden.

»Die Au ist so wertvoll, weil sie der genetische Speicher der hier wachsenden Urpflanzen ist«

Danach geht es weiter in die Au. Wie oft Rosenberger schon auf diesen Wegen unterwegs war, weiß er nicht. Es waren wohl Hunderte Male. Er scheint jeden Baum zu kennen und all die Plätze, an denen spezielle Pflanzen wachsen, und kann zu den meisten von ihnen eine Geschichte erzählen. Das Glaskraut etwa benötigt viel Stickstoff und wächst daher am besten an jenen Stellen am Wegrand, wo sich Menschen beim Wandern erleichtern.

© Ricardo Herrgott Die europäische Sumpfschildkröte ist geschützt. Im Nationalpark leben rund 1.200 von ihnen

Die kanadische Goldrute hingegen wurde eingeschleppt und würde über kurz oder lang die heimische Vegetation verdrängen. Daher wird diese Pflanze regelmäßig von Freiwilligen entfernt.

Selbst wer bisher bei seinen Spaziergängen achtlos an Käfern vorbeigegangen ist, entdeckt bei genauerem Hinschauen Faszinierendes wie das Geweih eines Hirschkäfers. Obwohl der Rest des Käfers von einem Vogel gefressen wurde, kann sich der Kopf aufgrund der speziellen Struktur des Nervensystems noch tagelang weiter bewegen. Außerdem, so Rosenberger, sei das Vorkommen von Hirschkäfern ein Indikator für einen guten Totholzbestand.

Anders als in bewirtschafteten Wäldern wird im Nationalpark die Natur so weit wie möglich sich selbst überlassen. Einzig dort, wo etwa morsche Bäume entlang der markierten Wege eine Gefahr für Besucher darstellen, wird eingegriffen. Ansonsten bleibt ein umgefallener Baum dort liegen, wo er hinfällt -und ist damit wiederum Lebensraum für eine Vielzahl an Tieren.

© Ricardo Herrgott Das Wiener Nachtpfauenauge mit einer Flügelspannweite von über zehn Zentimetern zählt zu den größten einheimischen Schmetterlingen

Plötzlich lichtet sich der dichte Auwald, und die Donau wird sichtbar. Sie ist hier rund 350 Meter breit, der Pegel kann um bis zu sieben Meter schwanken. Führt sie Hochwasser, werden Teile der angrenzenden Au überschwemmt. Ein Kreislauf, der die Grundlage für diese Landschaft mit ihren über 800 Pflanzen-, 30 Säugetier- und 100 Brutvogelarten bildet, jenem vielfältiger Lebensraum, der in Wien beginnt.

Anreise und Touren mit Bus und Ranger

Das Nationalparkzentrum in Orth an der Donau ist auch öffentlich von Wien aus erreichbar. Dazu Bus 391 vom Wonkaplatz bei der U2-Station Aspernstraße bis direkt vor das Schloss in Orth nehmen. Da der Bus allerdings in unregelmäßigen Abständen fährt, unbedingt vorher die Abfahrtszeiten in Erfahrung bringen. Das Programm im Nationalpark ist umfangreich: Ranger-Touren zu Fuß oder mit dem Kanu, Workshops und Feriencamps für Kinder und Familien. Infos unter www.donauauen.at Da es in den Auen zeitweise viele Gelsen gibt, ist ein Schutzmittel empfehlenswert.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 27/2020.