Aufregung um Fischler-Aussage

Heftige Reaktionen auf eine Aussage von EU-Kommissar Franz Fischler, wonach die österreichische Bundesregierung bei den Transitverhandlungen mit der EU auf die Mengenbeschränkung, die so genannte 108-Prozent-Klausel, von sich aus verzichtet habe. Die SPÖ warf der Regierung vor, Tirol zu "verkaufen". Die FPÖ verlangt, dass die Bundesregierung die Fischler-Aussagen "unverzüglich widerlegt". Eine offizielle Stellungnahme von Regierungsseite ist noch ausständig.

Aufregung um Fischler-Aussage

In dem in der "Tiroler Tageszeitung" erschienenen Interview verteidigte Fischler den Transitvorschlag der Kommission. Dieser sei zudem auf Vorschlag der Bundesregierung verhandelt worden. Im Dezember habe die EU-Kommission angeboten, dass Österreich für maximal drei Jahre weiterhin die Ökopunkteregelung im Lkw-Transitverkehr anwenden könne. Die im Transitvertrag verankerte 108-Prozent-Klausel (jährliche Mengenbegrenzung mit 1,6 Millionen Lkw) ende aber mit 2003.

Fischler: "Regierung hat Verzicht auf Lkw-Begrenzung geboten"
Fischler erklärte, dass im Zuge der Verhandlungen der Verzicht auf die Lkw-Mengenbegrenzung von der Bundesregierung angeboten worden sei. Es sei zudem der ausdrückliche Wunsch der Bundesregierung gewesen, dass diese Übergangslösung im gesamten Bundesgebiet gelte, und nicht etwa eine Lösung für den ökologisch sensiblen Alpenraum angestrebt werde. Der Wegfall der so genannten 108-Prozent-Klausel war in Tirol und bei den Transitgegnern scharf kritisiert worden. Die Schaffung von ökologisch sensiblen Zonen (mit höheren Mauten für Lkw) war von der EU-Kommission bereits im Weißbuch fixiert worden. Zugleich wies der EU-Kommissar daraufhin, dass dieses Angebot der Kommission noch von den Mitgliedsländern im Rat mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden muss. "Ich wünsche Österreich allen Erfolg, dass es gelingt, dies zu halten, was im Vorschlag verankert wurde", erklärte Fischler.

Scharfe Reaktionen auf Fischler-Interview
SPÖ-Verkehrssprecher, LAbg. Gerhard Mimm meinte, "die Interessen der Tiroler Bevölkerung sind dieser Regierung offensichtlich egal." Die Bundesregierung schere sich nicht um die Entschließungen des Landtages. Minister Monika Forstinger (F) sei überhaupt nicht interessiert, die spezielle Tiroler Transitproblematik zu berücksichtigen. Es sei für Tirol fatal, dass seitens der Bundesregierung nicht versucht worden sei, eine Lösung für den ökologisch sensiblen Alpenraum anzustreben. Höhere Mauten und Querfinanzierung der Schieneninfrastrukturen würden damit auch weiterhin nicht möglich sein, obwohl diese bereits im Weißbuch der EU-Kommission vorgeschlagen würden. Es sei kein Wunder, dass nur ein fauler Kompromiss herausgekommen sei, wenn Österreich schon vor Beginn der Verhandlungen freiwillig und gegen den Willen des Tiroler Landtages auf wichtige Forderungen verzichte.

Der freiheitliche Landesparteiobmann, LAbg. Willi Tilg verlangte "ein unverzügliches Dementi" der Bundesregierung. Im Sinne der Bevölkerung und die eindeutigen Beschlüsse des Landtages forderte Tilg "noch heute eine eindeutige Erklärung". Sollten die Landtagsbeschlüsse einfach ignoriert worden sein, komme dies einem "Verrat an den Interessen der Tiroler Bevölkerung" gleich.

Transit-Forum: "Regierung für Vergiftung und Verlärmung verantwortlich"
Wenn Franz Fischler, "Mitglied der seit Jahren vertragsbrüchigen EU-Kommission und damit voll verantwortlich für die tägliche wissentliche Vergiftung und Verlärmung der Menschen an den österreichischen Transitrouten", nun behaupte, die österreichische Bundesregierung habe von sich aus die Aufgabe der mengenmäßigen Begrenzung angeboten, so sei das ein ungeheuerlicher Vorwurf, der ohne Verzug aufzuklären ist. Dies verlangte das Transitforum Austria-Tirol am Donnerstag.


Eine Bestätigung für diese Behauptung sei bis jetzt nicht zu erhalten - weder aus dem Bundeskanzler- und Außenamt (federführend und damit hauptverantwortlich!) noch aus dem Verkehrsministerium. Das Transitforum Austria-Tirol fordere daher angesichts der Schwere dieser Behauptung die österreichische Bundesregierung auf, entweder die notwendigen Grundlagen - Regierungsbeschluss, Ministerratsvortrag etc. - offen zu legen oder diese Behauptungen zurück zu weisen. Dann sei jedenfalls auch darüber nachzudenken, ob sich die Republik Österreich noch länger einen Kommissar leisten kann, der nicht nur die Unwahrheit spreche, sondern zudem auch noch Jahr für Jahr den bestehenden EU-Beitrittsvertrag breche. Auf Vertragsbrecher müsse jedenfalls bei der Lösung der Transitproblematik verzichtet werden.

"Anarchie auf der Straße"?
Ebenso beharrte das Transitforum Austria-Tirol darauf, dass "dieser sittenwidrige Vorschlag" auf Grund seiner unannehmbaren Konsequenzen strikt zurückgewiesen werde. Wer die mengenmäßige Begrenzung aushebeln wolle, solle lieber gleich die "Anarchie auf der Straße" ausrufen. Sollte die Bundesregierung aber diesen Vorschlag tatsächlich gemacht haben, sei diese Koalition zu beenden. Denn eine Aufgabe der Fahrtenbeschränkung habe derartige nachteilige Folgen, dass weite Teile der Alpentäler in wenigen Jahren (vor allem am Brenner und Tauern) unbewohnbar und unbewirtschaftbar wären.