Darum sind Antidepressiva bei
jungen Menschen oft gefährlich

Und: Welcher Wirkstoff noch am ehesten bei Kindern und Jugendlichen hilft

Die meisten Antidepressiva sind für die Behandlung von schweren Depressionen bei Kindern und Jugendlichen wirkungslos, teilweise wohl sogar bedenklich bis gefährlich. Zu diesem Schluss kommt eine große Metaanalyse bereits vorhandener Studien, welche Andrea Cipriani (Universität Oxford) und seine Co-Autoren jetzt im "Lancet" veröffentlicht haben.

von Ein Jugendlicher sitzt auf einer Steintreppe © Bild: Shutterstock.com

"Die Balance zwischen Risiken und Vorteilen der Antidepressiva in der Behandlung von schweren Depressionen scheinen bei Kindern und Teenagern keinen klaren Vorteil zu bieten, wahrscheinlich Fluoxetin als einzige Ausnahme. Wir empfehlen, dass Kinder und Jugendliche, die Antidepressiva erhalten, engmaschig beobachtet werden. Das sollte unabhängig von dem verwendeten Medikament und speziell am Beginn der Behandlung so sein", wurde Co-Autor Peng Xie von der Chongqing-Universität (China) in einer Presseaussendung der medizinischen Fachzeitschrift zitiert.

Suzidale Gedanken nach Medikation

Die Verwendung von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen ist seit Jahren in der Psychiatrie sehr umstritten. Es gab Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten von suizidalen Gedanken und Suizidversuchen unter der Therapie. Die Wissenschafter versuchten jetzt, ein breiteres Bild der Situation durch die Re-Analyse von bereits vorhandenen 34 Studien zu diesem Thema mit 5.260 Probanden im Alter zwischen neun und 18 Jahren zu erhalten.

Die Ergebnisse sind eher negativ. Am ehesten wurde noch der selektive Serotonin-Reuptake-Hemmer (SSRI) Fluoxetin mit einem positiven Effekt in Verbindung gebracht. Eine ähnliche Substanz (Venlafaxin) zeigte laut der Analyse ein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken und Suizidversuche bei Kindern und Jugendlichen im vergleich mit Placebo und fünf anderen verglichenen Antidepressiva. Am schlechtesten vertragen wurden die Wirkstoffe Imipramin, Venlafaxin und Duloxetin.

So viele sind betroffen

An schweren Depressionen leiden rund drei Prozent der Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren sowie etwa sechs Prozent der Teenager im Alter zwischen 13 und 18 Jahren. An sich wird primär eine psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Allerdings hat in den vergangenen Jahren der Anteil der Kinder und Jugendlichen, welche Antidepressiva verschrieben bekommen offenbar zugenommen. In den USA stieg der Prozentsatz zwischen 2005 und 2012 zum Beispiel von 1,3 auf 1,6 Prozent, in Großbritannien von 0,7 auf 1,1 Prozent.

Die Wissenschafter kritisieren in ihrer Metaanalyse auch die Qualität der vorhandenen wissenschaftlichen Studien. Fast 30 Prozent der wissenschaftlichen Untersuchungen wurden als mit einem hohen Risiko für Einseitigkeit behaftet klassifiziert. Oft seien Studienergebnisse nur selektiv publiziert worden - und schließlich wären suizidale Handlungen der Probanden oft nicht ausreichend dokumentiert worden.

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