Durchgriffsrecht - was bedeutet das?

Wer wo durchgreifen darf, wozu man das braucht und was die Betroffenen dazu sagen

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Fakten - Durchgriffsrecht - was bedeutet das?

Was bedeutet „Durchgriffsrecht“?

Das bedeutet, dass der Bund künftig auch gegen den Willen von Ländern und Gemeinden Unterkünfte für Asylwerber schaffen kann. Das Gesetz gibt dem Bund auch die Befugnis, dafür zur Verfügung stehende bundeseigene oder von privaten zur Verfügung gestellte Grundstücke im Schnellverfahren per Bescheid zur entsprechenden Nutzung freizugeben.

Gelten soll das Durchgriffsrecht nur für Länder, die bei der mit dem Innenministerium vereinbarten Quote säumig sind. Das sind momentan alle außer Wien, Niederösterreich und Vorarlberg, wobei Niederösterreich seine Quote auch nur erreicht, weil die in Traiskirchen in Bundesbetreuung befindlichen Flüchtlinge angerechnet werden.

Als Richtwert pro Gemeinde sind im Entwurf 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung vorgesehen. Stehen Standorte in mehreren Orten zur Wahl, sind die Schutzsuchenden vorrangig Gemeinden mit über 2.000 Einwohnern zuzuweisen. Maximal sollen in einem Quartier 450 Personen untergebracht werden, gemäß dem vorgesehenen Richtwert würde eine solche Groß-Unterkunft eine Gemeinde mit mindestens 30.000 Einwohnern erfordern.

Warum ist das nötig?

An sich ist die Schaffung von Unterkünften für Asylwerber Ländersache, doch wie bereits erwähnt erfüllen zwei Drittel der Länder ihre mit dem Innenministerium vereinbarten Quoten nicht. Um das leidige Hick-Hack zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu beenden, will das Innenministerium künftig durchgreifen können.

"Wir brauchen einen nationalen Schulterschluss", appellierte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka bei der Vorstellung des Entwurfs am Montag an Bund, Länder und Kommunen, denn: "Ein gegenseitiges Ausspielen hilft hier niemandem."

Was spricht dafür?

Seit Wochen dominiert das Trauerspiel um die menschenunwürdigen Zustände im heillos überfüllten Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen die Nachrichten. Laut Innenministerium ist der Grund für die Überfüllung des Bundesquartiers der, dass die Länder keine ausreichenden Kapazitäten für die Weiterversorgung der Asylwerber zur Verfügung stellen. Könnte der Bund selber für diese Kapazitäten sorgen, wie es der nun vorgestellte Entwurf vorsieht, könnte die Situation in Traiskirchen endlich Schritt für Schritt entschärft werden.

Was spricht dagegen?

Kritiker des Durchgriffsrechts monieren, dass Asylwerber deutlich weniger Akzeptanz von der lokalen Bevölkerung erwarten dürften, sollte in ihrer Gemeinde ein Asylquartier vom Bund zwangsweise installiert werden. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezeichnete das Vorhaben in einer ersten Reaktion als „bevölkerungsfeindliche Maßnahme“, Bürgermeister und Bevölkerung würden dadurch „entmündigt“. Sollte es keine Volksabstimmung geben, werde er ein entsprechendes Volksbegehren initiieren, kündigte er im ORF-„Sommergespräch“ an.

Warum die Grünen?

Da es sich um ein Verfassungsgesetz handelt, ist für den Beschluss im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit nötig. Diese wird der Regierung von den Grünen verschafft. Eva Glawischnig zeigte sich zufrieden mit der Einigung. "Es ist ein Gesetz, das sowohl einen Anreiz darstellt, als auch einen gewissen Druck ausübt", fand sie. Das Innenministerium könne dadurch rasch handeln. Erfreut zeigte sich Glawischnig auch über die vorgesehene Steigerung der Tagessätze für Asylwerber auf bis zu 21 Euro.

Was sagen die Betroffenen?

Der österreichische Gemeindebund ist mit der Vorgehensweise der Bundesregierung einverstanden. Dass das Innenministerium künftig Gemeinden, die die freiwillige Quote nicht erfüllen, ohne Einverständnis des Bürgermeisters Flüchtlinge einfach zuteilen kann, ist für die Gemeindevertreter „völlig in Ordnung“. Man sei auch zuversichtlich, dass dadurch künftig Probleme mit Widmungen und ähnlichem leichter lösbar sein werden und auch darum nicht unzufrieden mit dem Entwurf, heißt es aus dem Gemeindebund.

Auch die Länder reagierten durchwegs positiv auf die Ankündigung des Durchgriffsrechts. Manche Landeshauptleute forderten lediglich kleinere Einschränkungen. Kärntens Peter Kaiser will etwa eine Befristung der Maßnahme auf ein Jahr, Vorarlbergs Markus Wallner legt Wert darauf, dass die Gemeinden im Anwendungsfall „gehört und eingebunden“ werden müssen. Einzige Ausnahme: das Burgenland, wo SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl das Durchgriffsrecht komplett ablehnt und ganz auf FPÖ-Linie eine Volksbefragung ankündigte.

Zumindest auf den ersten Blick scheint Niessl auf der Linie der Bevölkerung zu sein. In einer aktuellen „Profil“-Umfrage sagen 45 Prozent, dass die Regierung „sicher nicht“ ohne Einverständnis der Gemeinden Flüchtlinge schicken können soll. Weitere 17 Prozent sagen „eher nein“. Peter Hajek sieht aber auch eine andere Interpretationsmöglichkeit: „55 Prozent lassen sich bei guter Argumentation gewinnen“, so der Meinungsforscher im „Profil“. Wenn die Politik eine Mehrheit zur Mithilfe motivieren könne, würde vielleicht auch der Widerstand der Gegner fallen, so seine Argumentation.

Wann soll das Durchgriffsrecht in Kraft treten?

Für das „Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden“ ist ein Eilverfahren vorgesehen. Am 1. September soll das Gesetz in einer Sondersitzung des Nationalrats eingebracht werden, für den 24. September ist der Beschluss vorgesehen. In Kraft treten soll das Gesetz dann mit Datum der Kundmachung am 1. Oktober. Übrigens ist die Gültigkeit beschränkt: Mit 31. Dezember 2018 wird die Regelung wieder außer Kraft gesetzt.

Kommentare

giuseppeverdi melden

Nur zur Info: In Ossiach (im Ort) leben 750 Menschen. Dort will man 120 Asylanten unterbringen. Wo sind da die 1,5 Prozent, die man immer so strapaziert? Ach ich weiß - in diesem Falle zählen sie nicht, weil die ja nicht ständig dort bleiben sondern wieder weitergereicht werden. Dass aber trotzdem immer 120 anwesend sind, weil ja immer wieder aufgefüllt wird, interessiert die Mikl-Leitner nicht!

Oberon
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Lt. der Ktn.-eigenen Seite und Wikipedia (Stand: 1.1.2015) sind es sogar nur 719 Einwohner. Quellenangabe für ALLE, die ständig Belege brauchen!
120 Asylwerber in so einem kleinen Ort, da hat der Amtsschimmel wieder einmal kräftig gewiehert. Die genauen Zahlen, was Asylwerber angeht, wird das gemeine Fußvolk sowieso nie erfahren, denn die fallen unter "top secret". Schließlich will man uns......

Oberon
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.... doch nicht überfordern.
Die Statistik. Auch diese Zahlen möchte ich bezweifeln.
Fazit: Man kann unserer Regierung nur mehr misstrauen!!

Oberon
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Nachtrag: Ich möchte Frau Mikl-Leitner sicher nicht in Schutz nehmen - mir sind alle Politiker gleich sympathisch/unsympathisch - aber auch als Innenministerin ist sie nicht allmächtig. Hätte NUR sie allein zu entscheiden, müsste man sie als Diktatorin bezeichnen.

giuseppeverdi melden

Oberon auch in Ossiach werden Kinder geboren und gibt es Zuzug. Es sind jetzt bereits 750 und Sie haben den Stand vom 01.01.2015 und es ist fast ein dreiviertel Jahr vergangen. Das zur Info! Und dann noch ein Rat. Wikipedia bitte immer kritisch betrachten weil das von Leuten wie Sie und ich, die da schreiben können was sie wollen, gespeichert wird!

Oberon
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Die Sbg. Nachrichten - also eine seriöse Zeitung - schreibt dies am 23.7.2015: "...dass schon 2.400 Unterschriften gegen das Verteilerzentrum in Ossiach zusammengekommen seien - und das, obwohl Ossiach nur 700(!) Einwohner hat... " viele österreichische Urlauber hätten sich "solidarisch" erklärt - mit den Gegnern des Asylheims in Ossiach." Darum die Zahl 2.400.
Auch zur Info: Es gibt....

Oberon
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... Geburten in Ossiach, aber auch Sterbefälle.

Warum nur beim Asyl? Mit diesem Durchgriffsrecht kann man doch sofort die überflüssigen Bundesländer einsparen! (Durchgriffsrecht in allen Bereichen)

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Österreich und ganz Europa wird sich jetzt endlich besser durchmischen.
Jeder Kosmopolit kann so viel Internationalität nur begrüssen. Auch muss man keine Angst haben durch viel Einwanderung die Arbeitsstelle zu verlieren. Denn wenn man hier nichts findet, wandert man aus, und bereichert andere Länder.
Wieso dürfen Menschen nicht auf der ganzen Welt zuhause sein? Niemand ist illegal.

galina melden

Du kannst überall auf dieser Welt zuhause sein, vorausgesetzt du hast genug Geld. Ohne Geld wird das sehr schwierig werden, und an diesem Umstand wird sich auch in Zukunft nicht viel ändern.

giuseppeverdi melden

Doch, einer ist illegal: Ein Zombie69. Übrigens warum sind Sie nicht in Nigeria zu Hause? Ach ich weiß, weil sie dort Illegal sind!

parteilos melden

zombi69
wäre sicher machbar, aber es kann nur funktionieren, wenn es weltweit die gleich Politik und auch Religion gibt. Wer von 100 Menschen möchte in Somalia leben? Da erübrigt sich jede andere Diskussion. Auch die EU ist das Gleiche Ungeheuer, Rumänien oder Österreich?

anstatt an der URSACHE dieser modernen völkerwanderung zu arbeiten, die schlepper rigoros zu bestrafen und auszuliefern (mit verbot zur widereinreise, versteht sich und möglichst haftstrafen im HEIMATLAND!!!!), wird hin und her gewurschtelt dass es unfassbarer nicht mehr sein kann... diese regierung ist ein blanker hohn für ALLE österreicher. ich geniere mich für diese politkasperl, eine schande

Nochmal, die beschönigenden "offiziellen" Zahlen aus Traiskirchen sind lachhaft!! Die aktuelle Zahl liegt doch weit, weit höher!!!

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