Schlechte vs. gute Ärzte

Gerald Gartlehner über die fehlende Kontrolle unserer praktizierenden Mediziner

Wir leben in einem Land, in dem es für Ärzte keine wirkliche Qualitätskontrolle gibt. Denn: Die Qualitätskontrolle der österreichischen Ärzte wird von der eigenen Interessenvertretung (der Ärztekammer) durchgeführt.

von Arztstandards in Österreich - Schlechte vs. gute Ärzte © Bild: Thinkstock/Hemera

Amerikanische ärztliche Fachgesellschaften haben dagegen bei Choosing Wisely evidenzbasierte Listen an Untersuchungen und Behandlungen erstellt, die NICHT gemacht werden sollten. Wenn man sich diese Liste ansieht, findet man viele in Österreich häufig verordnete Untersuchungen und Behandlungen (z. B. EKG bei Gesunden ohne Herzprobleme, Wirbelsäulenröntgen bei unkomplizierten Rückenschmerzen, Antibiotika bei Sinusitis etc.). Diese Listen wurden 2012 publiziert und haben in den USA für viel Diskussion gesorgt. Bei uns wird das Thema nicht notwendiger Untersuchungen und Behandlungen weitgehend ignoriert.

Das Problem ist, dass Untersuchungen auch zu falsch positiven Ergebnissen führen können und dann völlig gesunde Personen unnotwendigerweise behandelt werden. Ein Problem des österreichischen Systems ist es auch, dass die Tarife, die bezahlt werden, zum Teil so niedrig sind, dass Ärzte ihr Geld nur verdienen können, wenn sie möglichst viel am Patienten tun. Aus diesem Grund haben Leute mit Zusatzversicherung auch ein viel höheres Risiko, unnotwendige Untersuchungen und Operationen aufgedrängt zu bekommen. Eine Alternative ist „Pay for Performance“, wie es etwa in England praktiziert wird. Dabei werden Qualitätsindikatoren erstellt, bei deren Einhaltung Ärzte höhere Tarife erhalten (z. B. sollten Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen Aspirin und Betablocker erhalten, wenn keine Kontraindikationen bestehen). Patientenzufriedenheit und Organisation werden auch einbezogen.

Als jemand, der sowohl in Österreich als auch in den USA tätig ist, habe ich den Eindruck, dass es bei uns großartige und engagierte Mediziner gibt. Aber auch Ärzte, die extrem schlecht sind und in den USA niemals praktizieren könnten (sowohl Allgemeinmediziner als auch Fachärzte). Meiner Ansicht nach muss der Druck von den Patienten kommen, sie müssen kritischer sein und Medizin nach bestem verfügbarem Wissen einfordern. Derzeit ist es noch so, dass die Ärztekammer versucht, in Deutschland bei evidenzbasierten Leitlinien (z. B. Rückenschmerzen) zu intervenieren, aus Angst, dass diese für österreichische Ärzte geschäftsschädigend sein könnten. (Zum Glück nimmt Interventionen der Österreichischen Ärztekammer in Deutschland keiner ernst.) Es gibt in Österreich leider auch keine Institution, die Patienten objektive, interessenkonfliktfreie Information zur Verfügung stellt (so wie IQWIG in Deutschland) – ein enormes Versagen der Gesundheitspolitik! Jährlich werden mehr als drei Millionen medizinische Artikel publiziert. Für den einzelnen Arzt ist es daher unmöglich, ständig am letzten Stand des Wissens zu bleiben. Das heißt, effizientes Wissensmanagement ist die einzige Möglichkeit, hohe Qualitätsstandards einzuhalten. Die Cochrane Collaboration fasst das beste verfügbare Wissen zu medizinischen Fragestellungen für Ärzte und Patienten objektiv zusammen. Derzeit findet diese moderne Art der Wissensvermittlung in Österreich allerdings noch wenig Beachtung.

Gerald Gartlehner ist Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie an der Donau-Universität Krems.

"So gut ist Ihr Arzt": Der Start der neuen NEWS-Serie zur Qualität unserer Mediziner! In NEWS 30/12 im Check: Österreichs Hausärzte.

Weiterführende Links
Choosing Wisely: choosingwisely.org
Cochrane Collaboration: www.thecochrane.at
Cochrane Library: www.cochranelibrary.com