Forschung am eisigen Ende der Welt

Drei Wissenschaftler der Uni Innsbruck verbrachten als Teil einer internationalen Expedition gerade zweieinhalb Monate in der Antarktis. Sie wollen herausfinden, in welchem Ausmaß Mikroplastik und Antibiotikaresistenzen den entlegenen Kontinent bereits erreicht haben.

von Wissenschaft - Forschung am eisigen Ende der Welt © Bild: Birgit Sattler

Schnee und Eis begeistern Birgit Sattler seit jeher. "Ich bin fasziniert von den alpinen Gletschern, der Arktis und der Antarktis", sagt die Mikrobiologin an der Universität Innsbruck: "Die Eisgebiete sind ein spannender Ort, um sich aufzuhalten. Mich beeindruckt die Extremität und die Tatsache, dass im Eis Leben vorhanden sein kann."

Es war bereits die achte Expedition, die die 54-Jährige in die Antarktis führte. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Klemens Weisleitner und Feldassistent Robert Leimser brach sie im Oktober auf, um Proben von Luft, Eis, Schnee, Wasser und Böden zu sammeln. Das Ziel der Tiroler Forscher: "Wir suchen nach Spuren, die wir Menschen in der scheinbar unberührten Natur bereits hinterlassen haben", erklärt Sattler. Selbst in der entlegenen, lebensfeindlichen Antarktis sind mittlerweile deutliche Anzeichen der menschengemachten Umweltprobleme zu finden.

»Ich werde nicht müde, die faszinierende Eisstrukturen anschauen«

Birgit Sattler

Die Wissenschaftler analysieren die Proben auf Mikroplastik und Antibiotikaresistenzen sowie deren Auswirkungen auf Mikroorganismen. Zudem wird das Schmelzwasser untersucht, um festzustellen, "was aufgrund der Klimaerwärmungen noch auf uns zukommen wird". Konkret forscht Sattlers Team nach bisher im Eis eingeschlossenen Pathogenen, die durch die Klimaerwärmung nun ins Schmelzwasser gelangen und in weiterer Folge zu uns kommen werden.

"Es ist wichtig, sich den alpinen und polaren Gebieten zu widmen", betont die Biologin. "Sie sind extrem sensibel, aber nicht so weit weg, dass sie vom Menschen unbeeinflusst wären. Wir sehen es als unsere Aufgabe, eine bessere Datengrundlage dafür zu schaffen und an die jüngeren Generationen weiterzugeben."

Unberechenbare Anreise

Zu den Voraussetzungen, um an einer derartigen Expedition teilzunehmen, zählen Flexibilität und Stressresistenz. Bereits die Anreise verläuft meist anders als geplant. Das Wetter in der Antarktis ist unberechenbar und macht es oft tagelang unmöglich, zu landen. So auch dieses Mal. Eine Woche lang mussten die Wissenschaftler in Kapstadt auf ihren Weiterflug warten. Erst dann war das Wetter gut genug für eine sichere Landung der Frachtmaschine auf der Eispiste.

© Birgit Sattler Damit keine Plastikverunreinigungen von außen in die Proben gelangen, werden diese im Freien in Metallflaschen gefüllt

Die Piste, die sich in Küstennähe befindet, ist eine Art Hub. Hier kommen hauptsächlich Forscher und einige Alpinisten an. Am "Flughafen" gibt es große Container, in denen die Wissenschaftler ihre Ausrüstung lagern können.

Es dauerte eine weitere Woche, um diese zu überprüfen und zu reparieren sowie die Schneemobile zu warten. Eine wichtige Aufgabe, wie Sattler betont -im Gelände sei das nicht mehr möglich.

Wochen im Zeltlager

Nach Abschluss der Wartungsarbeiten ging es weiter. Sechs bis acht Stunden dauerte es, um mit dem Schneemobil zum Zielort, Lake Untersee, zu gelangen. Der ganzjährig mit Eis bedeckte See wurde von den Nazis 1939 entdeckt und zählt mit seinen sechs Kilometern Länge zu den größten der Antarktis.

Bei der Ankunft der Forscher lag die Temperatur bei minus 25 Grad. Am See selbst gibt es keine fixe Forschungsstation. Sie errichteten daher ein Zeltlager. "Man kommt hin, stellt die Zelte auf, packt am Ende wieder zusammen und nimmt alles mit -einschließlich aller menschlichen Exkremente", so Sattler.

In der Zeit vor Ort wurde Trockennahrung, die mit heißem Wasser zubereitet wurde, aus Beuteln gegessen. Dazu brachten die Forscher Trockenbrot, Speck und viel Schokolade mit.

Stürme und Hitzewellen

Anders als in den Jahren zuvor gab es während des Aufenthalts heuer besonders viele Stürme. Diese erreichten bis zu 169 km/h - eine Geschwindigkeit, die die meisten Zelte nicht gut überstehen. "Wenn man das Dach über dem Kopf verliert, wird es in der Antarktis bedrohlich", weiß Sattler. Am ersten Tag des Sturms stand das Team daher "unter Schock". Danach versuchten sie, unter den widrigen Bedingungen ihre Forschungsarbeiten so gut wie möglich zu erledigen.

Gleichzeitig war es die wärmste Antarktis-Expedition Sattlers: "Wir hatten Hitzewellen von plus zehn Grad. Das war fast unheimlich." Da sich durch das warme Wetter Pfützen bildeten, mussten die Forscher sogar ihre Zelte versetzen.

Extremwetter und Stationen für Forscher

© Birgit Sattler Die Stürme in der Antarktis kommen aus dem Nichts und können mehrere Tage andauern

Die Antarktis ist rund 13,5 Millionen km2 groß. 98 %der Fläche sind mit Eis bedeckt.

Die Eisschicht weist durchschnittlich eine Dicke von 2,3 km auf. Der höchste Berg der Antarktis ist mit 4.892 Metern der Mount Vinson.

Die tiefste Temperatur, die bisher in der Antarktis gemessen wurde, waren minus 98,6 Grad. Im Sommer steigen die Temperaturen im Schnitt auf minus 40 Grad.

Die McMurdo Station ist die größte Forschungsstation in der Antarktis. Im Sommer arbeiten hier bis zu 1.200 Menschen, im Winter 200. Insgesamt gibt es rund 80 Forschungsstationen in der Antarktis.

Heikle Fracht

Langeweile verspürt Sattler in all den Wochen nie. "Ich finde es einen spannenden Ort, um sich aufzuhalten, und werde nicht müde, die faszinierenden Eisstrukturen anzuschauen." In der Zeit lerne man außerdem sehr viel über sich selbst und die Mitglieder des Teams.

Einzig die Rückkehr nach Österreich überfordert die Forscher stets: "In der Antarktis kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Hier gibt es hingegen so viele Farben, so viele Geräusche, so viele Leute und so viele Nebensächlichkeiten."

Bis die konkreten Ergebnisse der Expedition vorliegen, dauert es allerdings noch. Die Proben müssen ununterbrochen auf Trockeneis gekühlt werden und sind eine dementsprechend heikle Fracht. Sie sind in einem Lagerhaus in Kapstadt zwischengelagert und werden erst in diesen Tagen nach Innsbruck geschickt, wo sie Sattler mit ihrem Team auswerten wird.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 6/2024.