Rudolf Anschober: Was macht ihn so besonders?

Der Gesundheitsminister überholte teils den Kanzler in Sachen Popularität. Eine Körpersprache-Analyse.

Nach sieben Jahren an der Spitze wurde Bundeskanzler Sebastian Kurz erstmals von Rudolf Anschober als beliebtester Politiker des Landes abgelöst. Anschober steht seit der Corona-Krise als zuständiger Minister an vorderster Front. Doch was macht den grünen Experten so besonders – und was hebt ihn vom Kanzler ab? Körpersprache-Experte Stefan Verra analysiert für News.at.

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Körpersprache-Analyse - Rudolf Anschober: Was macht ihn so besonders?

News.at: Herr Verra, was zeichnet Rudolf Anschober aus? Was macht er – in Sachen Körpersprache – anders als Sebastian Kurz?
Stefan Verra: Anschober hat zum einen etwas „Kurz'sches“: Er bewegt sich sehr ruhig, hält beständigen Augenkontakt. Auch nimmt er beim Reden das Publikum von allen Seiten für sich ein. Da ähnelt er dem Bundeskanzler. Allerdings macht er etwas besser, etwas, das ich seit langem an Sebastian Kurz bemängle. Er ist nicht so perfekt wie Kurz. Beim Reden pendelt sein Körper mal links, mal rechts, dann verspricht er sich mal. Und er scheint außerdem nicht so sehr darauf bedacht zu sein, dass sein Umfeld alles an ihm ausrichtet. Erkennbar ist das daran, dass er schon mal einen Schritt dahinter geht oder dass Fotos veröffentlicht werden, die nicht ganz perfekt sein Image als Top-Politiker pflegen.

»Damit erreicht er auch jene Menschen, denen Kurz zu aalglatt ist«

Was löst Anschober in den Menschen mit seiner Art aus – und wie erklären Sie die große Zustimmung?
Seine ruhige Art vermittelt Souveränität, Abgeklärtheit. Das wird in dieser Krise dringend gebraucht. Alleine das bringt ihm viel Zustimmung. Es würde ihn aber noch nicht von Kurz abheben.
Seine zweite Eigenschaft aber sehr wohl, eben dieses Unperfekte. Damit erreicht er auch jene Menschen, denen Kurz zu aalglatt ist; zu kontrolliert und zu sehr darauf bedacht, sich keine Blöße zu geben. Es ist wie bei einem guten Arzt: Der soll einerseits auch kompetent sein und Sicherheit ausstrahlen, aber wir wollen auch das Gefühl haben: Wenn ich ein Problem habe, der hat immer ein Ohr für mich. Der darf deswegen auch nicht allzu perfekt wirken.

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Wie ist das Verhältnis der beiden – Anschober und Kurz – zueinander? In den ersten gemeinsamen Auftritten fiel auf, dass Anschober, wenn er sprach, ständig den Kanzler anschaute...
Das kann zweierlei bedeuten: Zum einen kann es tatsächlich ein Signal der Unterlegenheit sein. Zum anderen will er damit vielleicht einen Zusammenhalt der Regierung signalisieren. In jedem Fall macht er es eleganter als so manch andere/r aus der Ministerriege. Aus diesen kurzen Szenen grundsätzlich aber auf das Verhältnis von Kanzler und Gesundheitsminister zu schließen, wäre unseriös. Wenn wir das Ehepaar Beckham oder Windsor bei einer Pressekonferenz sehen, können wir auch nicht auf den Zustand ihrer Ehe schließen.

»Ich unterstelle hier auch ein wenig Berechnung. «

Rudolf Anschober hat auch vor kurzem Fehler zugegeben. War er dabei besonders nervös?
In diesen Ausschnitten ist keine erhöhte Nervosität zu sehen. Man darf nicht vergessen, dass Anschober grundsätzlich pendelt, seinen Blick schweifen lässt. Ich unterstelle hier auch ein wenig Berechnung. Wenn man Umfragen glauben schenken darf, erwarten viele Menschen, dass PolitikerInnen zu ihren Fehlern stehen. Vielleicht gesteht er deswegen diesen Fehler so klar und ohne Umschweife ein. Er hätte es leicht gehabt, sich hier raus zu reden. Das Argument „Gefahr im Verzug“ hätte gereicht, um über diese Pressekonferenz zu kommen. Auch das schärft sein Image als jemand, der den Menschen nahe aber trotzdem souverän ist.

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Anschober wurde quasi gerade erst Minister als die Corona-Krise begann. Seither steht er seit über einem halben Jahr ständig im Mittelpunkt. Hat ihn das verändert?
Nach meinen Beobachtungen hat er sich nicht in relevantem Ausmaß verändert. Ich gebe aber zu bedenken, dass der Erfolg seiner Wirkung eine Tochter der Zeit ist. Sobald die Menschen unzufriedener, aufgebrachter werden, wird ein Mensch, der diese Aufregung widerspiegelt, deutlich mehr Zuspruch finden. Denn eines fehlt Anschobers Körpersprache: Theatralik und Aggressivität.

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Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Europa. Der in München lebende Österreicher beschäftigt sich seit 20 Jahren intensiv mit der menschlichen Körpersprache. Er hält heute weltweit Vorträge, ist Gastdozent an mehreren Universitäten und tourt immer wieder mit seiner humorvollen Körpersprache-Show. Stefan Verra arbeitet auch mit Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Autismus zusammen sowie mit Hospizen und in der Kinderkrebshilfe.
In seinem Buch "Leithammel sind auch nur Menschen: Die Körpersprache der Mächtigen" analysiert er die Körpersprache von Politikern wie Donald Trump, Angela Merkel und widmet auch Sebastian Kurz ein ganzes Kapitel.