Aktueller Verlauf des
Amokfahrer-Prozesses

Mehr als ein Jahr nach der Amokfahrt muss sich der Täter vor Gericht verantworten

Auf den Tag genau ein Jahr und drei Monate nach seiner Amokfahrt durch Graz mit Toten und Verletzten muss sich Alen R. vor dem Straflandesgericht verantworten.

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© Video: APA

Am 20. Juni 2015 war der Beschuldigte in der Grazer Innenstadt mit seinem Geländewagen unter anderem durch die Fußgängerzone in der Herrengasse gerast. Drei Menschen wurden von dem Wagen erfasst und waren sofort tot, darunter ein vierjähriger Bub. Bei den beiden anderen Opfern handelte es sich um eine 53-jährige Frau und einen 28-jährigen Mann.

Unter den über hundert im Einweisungsantrag als Opfer geführten Personen sind einige, die lebensgefährlich verletzt wurden. Viele wurden auch verletzt, als sie vor dem Auto auf die Seite sprangen und sich gerade noch retten konnten. Ein Mann starb Monate später im Spital. Er wurde zwar bei der Amokfahrt verletzt, Todesursache war jedoch ein Herzversagen, das laut Staatsanwaltschaft mit der Tat nicht in kausalem Zusammenhang stand.

Frage nach Zurechnungsfähigkeit

Da er als nicht zurechnungsfähig eingestuft wurde, hat die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingebracht.

Über den Geisteszustand von Alen R. waren sich die Gerichtspsychiater nicht ganz einig gewesen. Der Sachverständige Manfred Walzl befand, R. sei zurechnungsfähig, sein Kollege Peter Hofmann hielt ihn für nicht zurechnungsfähig. Also wurde als dritter Psychiater der Deutsche Jürgen Müller beigezogen, der ebenfalls auf nicht zurechnungsfähig entschied. Also wurde Alen R. nicht wegen dreifachen Mordes angeklagt, sondern es wurde nur seitens der Staatsanwaltschaft ein Antrag auf Einweisung eingebracht.

Für den ersten Verhandlungstag war nach den Eröffnungsplädoyers von Staatsanwalt und Verteidigung auch die Befragung von R. sowie die Einvernahme einiger Zeugen geplant.

Befragung des Angeklagten

Bei seiner Befragung gab Alen R. (27) an, er habe "nicht gewusst, dass ich wen verletzen könnte, weil die Leute ja sowieso ausweichen." Der Richter konfrontierte ihn mit Videos der Amokfahrt auf denen zu sehen ist, dass R. einige Menschen offenbar gezielt anvisiert hat. Er beteuerte immer wieder, er habe nur flüchten wollen.

Der 27-Jährige gab an, er habe bei seiner Fahrt durch die Grazer Innenstadt keine Menschen gesehen: "Ich konnte nichts erkennen, ich wollte nur schnell zur Polizei", gab er an. Er sei in Panik gewesen "wegen der Schüsse". Dann schilderte er wieder, dass ihn seine Ehefrau immer eingesperrt habe. Er bezeichnete sich selbst als "eher sehr ruhigen" Menschen.

»Ich konnte nichts erkennen«

Die Anwälte der Opfer hinterfragten nochmals die Einzelheiten der Amokfahrt. Der 27-Jährige hatte unter anderem bei der Polizei angegeben, er habe seinen Schwiegervater in der Herrengasse gesehen und sei auch deswegen in Panik geraten. Zuvor erklärte er, seine Ehefrau habe ihn immer eingesperrt, er habe alles getan, was sie wollte. Warum sie dann mit den Kindern ins Frauenhaus gegangen war, konnte er nicht beantworten.

"Sind Sie ein gewaltbereiter Mensch?", fragte Richter Andreas Rom und konfrontierte den Betroffenen mit einem Foto, auf dem er mit einer Schusswaffe abgebildet ist. "Nein, ich bin ein friedlicher Mensch, das war nur zur Abschreckung", antwortete der Befragte.

Bei der Hausdurchsuchung wurde festgestellt, dass alle Festplatten bei dem 27-Jährigen leer waren. "Warum haben Sie alles gelöscht?", interessierte den Richter. "Die Festplatten waren alt, ich habe nur neue gekauft", rechtfertigte sich der Mann.

Richter Andreas Rom meinte, er sei "verwundert" über das überaus gepflegte Aussehen des mutmaßlichen Amokfahrers. "Die Zeit in der Unterbringung hat Ihnen offenbar gut getan", befand der Vorsitzende. Ein wichtiges Thema waren die Eheprobleme mit seiner mittlerweile geschiedenen Frau, die er bedroht und zum Tragen der Burka gezwungen haben soll. "Das stimmt nicht, sie war Muslima, ich bin Christ", erklärte er. Die beisitzende Richterin Eva Cesnik hakte nach: "Seit wann sind Sie Christ? Sie haben immer angebenen, dass Sie Muslim sind. Wann wurden Sie getauft?" "Nie", meinte der 27-Jährige. "Dann sind Sie kein Christ", befand die Richterin. "Kein getaufter", räumte der Befragte ein.

Am 20. Juni wollte er sich angeblich mit einer Frau treffen, weil er sich bereits nach einer neuen Partnerin umsah. Doch die Internetbekanntschaft erschien nicht. "Mein Schwiegervater wollte mich dorthin locken", vermutet er heute. Dann hörte er Schüsse und raste los. "Der Tag war für Sie schrecklich, und zwar nicht in Bezug auf die Fahrt. Ihre Frau und ihre Kinder waren im Frauenhaus, beruflich lief nichts und die Frau ist nicht erschienen. Da haben Sie sich ins Auto gesetzt und gedacht, ich habe doch noch die Macht", mutmaßte Richter Andreas Rom. "Nein, ich hatte ein erfülltes Leben", entgegnete der Befragte.

Auf den Videos sah man, dass er immer wieder direkt auf Passanten zugefahren ist. "Sie sagen, Sie sind kein geübter Fahrer. Ich habe eher den gegenteiligen Eindruck, mit so einem schweren Fahrzeug in einem so engen Radius zu wenden ist nicht einfach".

Vorgespielt wurde auch ein Video von der Einvernahme am 21. Juni 2015, einen Tag nach der Tat. Damals war er weit weniger zuvorkommend und höflich als bei der Verhandlung nun ein Jahr später, sondern weigerte sich sogar, den Namen seiner Frau zu nennen. "Weil mir das alles auf die Nerven geht", sagte er damals. Mit den Frauen - er war zwei mal verheiratet - habe es "immer nur Stress gegeben."

Täter erschien von Kopf bis Fuß in Weiß

Zu seinem Prozess ist der mutmaßliche Amokfahrer komplett in Weiß und ohne Bart erschienen. Im Juni vorigen Jahres soll er mit seinem Geländewagen durch die Innenstadt gerast sein und drei Menschen getötet haben. Zwei Staatsanwälte und die Verteidigerin hielten ihre Eröffnungsplädoyers kurz. Alen R. gab an, er habe sich verfolgt gefühlt.

Die Verhandlung begann aufgrund der Verspätung von Anwältin Liane Hirschbrich mit zehnminütiger Verspätung. Alen R. war nicht wiederzuerkennen: Weißer Anzug, weißes Hemd, weiße Schuhe, die Haare kurz geschnitten, der Bart völlig abrasiert, eine Brille. Er sprach ein wenig zögernd, folgte aber den Ausführungen der Redner sehr aufmerksam.

Staatsanwalt Rudolf Fauler schilderte noch einmal die Wahnsinnsfahrt vom 20. Juni, die nur wenige Minuten dauerte, aber "für viele Menschen eine Zäsur darstellte", meinte der Staatsanwalt. R. raste "mit bis zu 80 km/h durch die Herrengasse", wobei sein Geländewagen zahlreiche Personen erfasste. Eine Frau und ein vierjähriger Bub waren sofort tot, ein Fußgänger war bereits zu Beginn der Fahrt niedergemäht und getötet worden. Ein weiteres schwerverletztes Opfer war einige Monate später an Herzversagen gestorben, was aber laut Staatsanwaltschaft nichts mit der Tat zu tun hatte.

Der zweite Staatsanwalt, Hansjörg Bacher, erklärte den Geschworenen in erster Linie das Problem mit den unterschiedlichen psychiatrischen Gutachten, von denen zwei R. als nicht zurechnungsfähig eingestuft hatten, während ihm ein Sachverständiger Zurechnungsfähigkeit bescheinigte. Bacher betonte allerdings, dass letztlich das Gericht und damit die Geschworenen entscheiden würden.

Alen R. betonte, er habe Panik gehabt, weil er sich verfolgt gefühlt habe. Angeblich hätte er Schüsse gehört, dann sei er geflüchtet. "Ich wollte niemanden überfahren, ich wollte nur weg, damit ich nicht erschossen werde", gab er an. Auch technische Defekte seines Wagens führte er ins Treffen, doch das hatte der Gutachter im Vorfeld widerlegt. "Auf mich macht es den Eindruck, als hätten Sie die Menschen gezielt anvisiert", meinte Richter Andreas Rom. "Ich habe mich verfolgt gefühlt", kam es immer wieder vom Betroffenen.

Wenig Besucher

Die Polizei hat Vorkehrungen getroffen, gut 15 Polizisten sichern den Eingang bzw. halten sich bereit. Zu tun gibt es nicht viel: Der Besucherandrang hält sich in Grenzen, auch sind nicht alle akkreditierten Journalisten erschienen.

Ein Zugangsbereich mit Tretgittern für Besucher ist aufgebaut, aber nicht wirklich erforderlich. Unter dem bewölkten und bisweilen regnerischen Himmel stellen sich kaum Menschen, die dem Prozess beiwohnen wollen, an. Nur vereinzelt kommen Leute zur Sicherheitsschleuse. Der junge Mann, der im Auftrag eines Wachdienstes Zählkarten vergibt, hat eine Viertelstunde vor Prozessbeginn noch 14 Stück von 48 in der Hand. Bei Prozessbeginn ist er sie dann fast alle los. Das Schild "Keine Zugangskarten für Verfahren gegen Alen R. mehr verfügbar" muss - noch - nicht vor das Gerichtstor gestellt werden.

Strenge Sicherheitskontrolle

Die Sicherheitsleute sind betont freundlich aber bestimmt: Gefüllte Trinkflaschen und Schirme sowie ein Motorradhelm müssen aber abgegeben werden. Ob es gefährliche Gegenstände gegeben habe, die abgenommen wurden? "Nur ein kleiner Leatherman", sagt ein Securitymann. Die meisten Prozesskiebitze verschwinden schnell im Gebäude. Auf die Frage, was ihn dazu bringe, dem Verfahren beizuwohnen, führt ein Besucher knapp fachliche Motivation an: "Juristisches Interesse". Vor dem Schwurgerichtssaal müssen die Taschen noch einmal geöffnet werden, ein weiteres Mal werden sie mit einem Metallscanner abgesucht.

Als Besucher ist auch der Leiter des Kriseninterventionsteams (KIT), Edwin Benko, erschienen. Nicht nur wegen des Mangels an anderen Gesprächspartnern richten sich alle Kameras auf ihn - Benko und seine Leute hatten unmittelbar nach der Amokfahrt intensiv Opfer und Angehörige in der Innenstadt betreut. "Heute ist der Tag, an dem der Schmerz bei vielen wieder besonders aufkommt. Einige halten es nicht so leicht aus, andere möchten Aggression zeigen. Und viele wollen das Gefühl haben, dass der Täter bestraft wird", sagt Benko. An Ort und Stelle sei das KIT nicht im Einsatz, aber man halte Personal bereit.

»Viele wollen das Gefühl haben, dass der Täter bestraft wird«

Manche Journalisten kommen ohne Akkreditierung, wie ein slowenischer Redakteur aus Maribor. Er darf dennoch hinein, muss aber mit einer Besucherkarte vorliebnehmen. "Hast du eigentlich schon die Anwältin gesehen?", fragt ein Fotograf einen Kollegen knapp vor 9.00 Uhr vor dem Gerichtsgebäude. Die Erklärung kam kurz darauf: Die Juristin hatte sich etwas verspätet eingefunden, der Prozess begann mit einer kleinen Verzögerung.

Kommentare

Für solche Aussagen und Auftreten gehört dieser Massenmörder sofort weg!!!! Ob zurechnungsfähig oder nicht, Mord ist Mord und wie kommen Unschuldige und Kinder dazu für so eine Kreatur ihr Leben lassen zu müssen???? Lebenslang ist viel zu milde!!!!

so einer gehört weg, für immer und nicht nach ein paar Jahren wieder frei durch einen anderen "Sachverständigen" der ihn dann als geheilt ansieht! Einen Hund schläfert man nach einem Biss ein, eine solche Ratte füttert man ein paar Jahre durch und lässt sie dann wieder auf die Menschheit los. Manchmal wünsche ich mir auch die Todesstrafe zurück...

AdLa melden

Wenn dieser Mann unzurechnungsfähig ist, dann sind wir es alle.

Nudlsupp melden

Viele Beiträge auf dieser Seite lesend, möchte ich dem zweiten Teil Ihrer Aussage tatsächlich nur bedingt widersprechen.

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