"Polizei lernt nicht aus Fehlern"

Amnesty-Chef Patzelt über unser Asylrecht, Bin Laden und das Säureopfer Bahrami

von Amnesty International - "Polizei lernt nicht aus Fehlern" © Bild: NEWS.AT

NEWS.AT: Wie groß ist der Einfluss von Amnesty International?
Heinz Patzelt: Die Kommunikationsmacht von Amnesty führt im Einzelfall dazu, dass Politiker das eine oder andere Mal vernünftig handeln, wenn auch nicht oft. Der mediale Druck und der Druck von in Summe 100.000 Amnesty-Mitgliedern in Österreich können sehr viel bewirken, aber am Ende bleibt die Politik verantwortlich. Da gibt es auch Grenzen. Wir würden auch nicht diese umfassende Macht haben wollen, selber Gesetze zu machen. Wir wollen keine politische Partei sein, wir wollen der „Watchdog“ für politische Parteien und Regierung sein.

NEWS.AT: Wie steht es heutzutage um die Menschenrechte in Österreich?
Patzelt: In Summe passieren Menschenrechtsverletzungen leider am laufenden Band. Wenn ich Österreicher, gut ausgebildet, von weißer Hautfarbe bin und hochdeutsch spreche, lebe ich in einem menschenrechtlichen Paradies. Das ist die Sonnenseite. Die Schattenseite ist, dass selbst in einem Land, in dem vieles so gut ist, ganz rasch alles bröckeln kann, wenn man an den Rand der Gesellschaft kommt. Bei Flüchtlingen gibt es vielleicht noch ein Asylverfahren, bei arbeitslosen, unterstandslosen Migranten ohne Papiere ist man in Österreich menschenrechtlich relativ rasch am Ende. Das heißt vielleicht nicht nur, dass man nicht nachhaltig in Österreich bleiben darf man, es heißt auch, dass man in der Zeit, in der man da ist, sehr oft menschenrechtswidrig behandelt, diskriminiert, nicht ernst genommen und ohne Haftgrund in Haft genommen wird. Es passieren lauter Verletzungen der Menschenwürde. Und das beschränkt sich nicht nur auf Ausländer: Es ist ganz klar, dass in Österreich noch immer nicht völlige Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen hergestellt ist. Es gibt in Österreich nach wie vor unterschiedlichste Formen von Diskriminierung und Rassismus. Und wir haben eine Regierung und einen Verwaltungsapparat, der bei weitem nicht so konsequent dagegen vorgeht, wie es möglich wäre.

NEWS.AT: Sie haben im Jahresbericht von Amnesty auch die Arbeit der Polizei kritisiert. Warum und welche Bereiche kritisieren sie speziell?
Patzelt: Die österreichische Polizei hat es in Summe geschafft, keine Prügelpolizei zu sein. Das ist nicht vergleichbar mit vielen anderen Staaten, wo die Polizei als Bedrohung verstanden wird. Schwierig wird es, wenn einmal etwas schiefgeht. Es gibt dazu einen gut dokumentierten Fall: Skinheads prügeln einen Ausländer in der Straßenbahn nieder. Passanten verständigen die Polizei, aber festgenommen wird der Ausländer. Von den Skinheads werden nicht einmal die Personaldaten aufgenommen. Erst zwei bis drei Wochen später stellt die Polizei fest, dass der Ausländer das Opfer ist. Das kann einmal passieren in einem System, kein System ist perfekt. Das Problem ist, dass solche Fälle nicht ordentlich aufgearbeitet werden, man nicht daraus lernt und es keine ernsten strafrechtlichen Konsequenzen gibt.

NEWS.AT: Wer sollte in solchen Fällen zur Verantwortung gezogen werden?
Patzelt: Einerseits die handelnden Beamten, andererseits die Politik. Die Politiker, allen voran eine Innenministerin, müssen in solchen Situationen völlig klar sagen, dass sie so etwas nicht wollen.

NEWS.AT: Haben wir derzeit Gesetze, die nicht menschenrechtskonform sind?
Patzelt: Österreich hat ganz klar ein Asylverhinderungsgesetz. Das ist völlig jenseits von Gut und Böse. Die Problematik ist, dass das Innenministerium einen „Wünsch-dir-was-Vorschlag“ macht und der wird im Nationalrat einfach durchgewunken. Wenn jeder, der ein Problem mit einem Vorschlag hat, dagegen stimmen würde, egal welcher Partei er angehört, dann würde parlamentarische Menschenrechtskontrolle in Österreich funktionieren.

NEWS.AT: Wie beurteilen Sie die Arbeit des Innenministeriums?
Patzelt: Schon über viele Jahre hinweg fällt mir auf, dass Politiker, sobald sie Minister in der Herrengasse geworden sind, völlig andere Signale aussenden. Ein Herr Strasser (ehemaliger Innenminister, Anm. der Red.) hat zuerst gesagt, dass natürlich jeder, der in Österreich ist, auch arbeiten dürfen muss. Später hat das ganz anders ausgeschaut. Für Frau Prokop (ehemalige Innenministerin, Anm. der Red.), die ein enormes Renommee als Soziallandesrätin hatte, war nach ein paar Monaten im Innenministerium eine ausländische Familie plötzlich etwas, das man rasch loswerden muss: Ohne die Rechts- und Sozialsituation der Betroffenen zu berücksichtigen. Das war bei Frau Fekter auch so. Von Frau Mikl-Leitner war ich ebenfalls schockiert, als sie noch vor ihrem Amtsantritt verkündet hat, dass das Parlament übernächste Woche das Asylunrechtsgesetz beschließen wird. Dabei weiß sie genau, dass sie als Innenministerin im Parlament etwas ohne Wenn und Aber beschließen kann. Wo ist dabei das Menschenrechtsverständnis? Dieses Ministerium macht Menschen menschenrechtlich kaputt.

NEWS.AT: In der arabischen Welt wird derzeit revoltiert. Was halten Sie vom Militär-Einsatz der NATO in Libyen?
Patzelt: Ein Machthaber wie Gaddafi, der mit Panzern und Granaten auf die eigene Bevölkerung schießt, handelt im schlimmsten Ausmaß menschenrechtswidrig. Wie die Welt damit umgehen soll, ist eine relativ schwer zu beantwortende Frage. Ansetzen müsste man schon davor: Wie kann es sein, dass unter anderem die europäische Union jemanden wie Gaddafi jahrzehntelang huldigt, unterstützt und ihn die Drecksarbeit machen lässt, um einen äußeren Verteidigungsring gegen die bösen Migranten aus Afrika zu errichten? Wenn er unser böser Junge ist, darf er alles tun. Macht er dasselbe in seinem eigenen Land, herrscht plötzlich Fassungslosigkeit. Ich kann gut verstehen, dass Regierungschefs mit einem menschenrechtlichem Restgewissen nicht mehr länger zuschauen wollen. Ich frage mich nur, ob es den Ländern bei dem NATO-Einsatz in Libyen tatsächlich um die Verwirklichung von Menschenrechten geht. Oder ob man Panik hat, dass die Festung Europa gefährdet ist, wenn Libyen, Tunesien oder Ägypten auseinanderfallen und damit Migrationsströme noch stärker werden. In Summe kann es jedenfalls keine Lösung sein Menschenrechte zu verletzen, um Menschenrechte zu verteidigen. Man sollte aus der Situation in Libyen lernen und nicht bei anderen Ländern wieder so lange warten, bis am Schluss nur mehr das Dilemma bleibt: Entweder zuschauen oder bomben.

NEWS.AT: Was halten Sie von der Tötung Osama bin Ladens durch US-Spezialeinheiten?
Patzelt: Bei einer Person wie Osama bin Laden, der zu schwersten Verbrechen aufruft und über Befehlsgewalt verfügt, ist jeder Versuch, ihn weltweit festzunehmen und vor ein Gericht zu bringen, menschenrechtlich sicher zulässig. Ob diese Aktion der USA eine gezielte Tötung, ein misslungener Polizeieinsatz oder ein Festnahmeversuch war, muss die amerikanische Regierung beantworten. Die Beweise hätte man an der Hand, die ganze Aktion wurde videodokumentiert. War es eine Tötungsmission, ist es eine schwere Menschenrechtsverletzung und in jedem Fall ein Mord.

NEWS.AT: Wie sollte man dem Terrorismus künftig entgegentreten und mit Terroristen verfahren?
Patzelt: Wenn in Madrid bei einem Bombenanschlag dutzende Menschen zu Tode kommen, ist das furchtbar. Aber ich verstehe nicht, warum man aufgrund eines solchen Ereignisses in der EU mühsam erworbene Freiheitsrechte sofort in Frage stellt. Zum Beispiel hat man auf die arabische Revolution mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen innerhalb der EU reagiert. Die Regierungen sehen nicht, dass sie mit ihren teilweise weit überzogenen Reaktionen das Handwerk der Terroristen erst vollenden. Leute wie Osama bin Laden wollen erworbene demokratische Freiheit angreifen. Das heißt nicht, dass man Terroristen nicht verfolgen soll. Jedes menschenrechtlich legitime Mittel ist völlig gerechtfertigt, um Terroranschläge zu verhindern und Täter vor Gericht zu bringen. Daraus aber eine Sicherheitsbedrohung für die ganze Welt zu machen und Menschenrechte in demokratischen Staaten außer Kraft zu setzen, halte ich für die völlig falsche Reaktion.

NEWS.AT: Das Säureopfer Ameneh Bahrami (32) darf ihrem Peiniger ebenfalls mit Säure das Augenlicht nehmen. Ist so eine Urteilsvollstreckung gerechtfertigt?
Patzelt: Natürlich sollte sie das Urteil nicht vollstrecken dürfen. Es geht aber dabei nicht um ihre Motivation, vielmehr ist das menschenrechtliche Gegenüber ein Gericht, das spät aber doch nicht Recht, sondern Unrecht spricht. Eine massive Straftat wird mit einer Gegenstraftat gesühnt, anstatt im Iran tatsächlich Menschenrecht und Ordnung herzustellen. Der Täter soll auf jeden Fall zur Verantwortung gezogen werden, aber mit menschenrechtskonformen Strafen. Ich glaube auch nicht, dass es für das Opfer schlussendlich befriedigend sein wird, das Urteil zu vollziehen.

NEWS.AT: Eine Menschenrechtsorganisation bot ihr angeblich 2.000 Euro für die Nichtvollstreckung - eine gute Entscheidung?
Patzelt: Es geht nicht darum, dass man Frau Bahrami davon abhält. Krank ist sicher nicht das Opfer, sondern das iranische Rechtssystem. Das richtige Angebot wäre daher eine Spende von 2.000 Euro an den iranischen Regierungschef, damit er endlich ein funktionierendes Justizsystem einführt. Ich werde die Spende nicht verurteilen, es ist nicht falsch, aber es ist auch nicht die korrekte menschenrechtliche Antwort.

NEWS.AT: Können Sie verstehen, warum Ameneh Bahrami das Urteil vollziehen will?
Patzelt: Ich kann mir ganz gut vorstellen, wenn ich ein ganzes Leben lang in so einem Unrechtssystem sozialisiert werde und dann ein derart grausames Schicksal erleidet, wahrscheinlich jedes Wollen, Denken und Handeln im Menschen möglich ist. Ich kann das Urteil menschenrechtlich gesehen nicht begrüßen, aber ich werde das Opfer niemals für eine Handlung verurteilen, die es in einem zutiefst traumatisierten Zustand begeht.

Zur Person:
Heinz Patzelt (geboren 1957 in Wien) ist seit 1998 Generalsekretär von Amnesty International. Der gelernte Jurist hat davor die unterschiedlichsten Berufe ausgeübt: Er war unter anderem in einer Anwaltskanzlei, einer Werbeagentur und einem Softwareunternehmen tätig. Ehrenamtlich hat er auch bei den Maltesern im Bereich Behindertenbetreuung und Katastrophenschutz gearbeitet.

Kommentare

Hr.Patzelt.. WO WOHEN SIE?Sicher nicht i.nahen Umfeld eines Asylantenlagers (in d.Fall Traiskirchen),wo Schlägereien an d.Tagesordnung sind (u.EINIGE oft nur drauf warten,daß ein Polizist einen Fehlgriff"macht!).Und sie wohnen sicher nicht i.einem ORT mit Türk.-Muslim.ÜBERLASTUNG,wo es nur mehr heißt:Ey Scheißösterreicher,mein Parkplatz, noch hast DU gutes Auto.
So wie SIE,kann nur ein RELAITÄTSFREMDER sich zu Wort melden.Wohlgemerkt Letztere sind KEINE Asylanten, sondern schlicht u.ergreifend oft bildungsferne (Türk.Staatsbürger)WIRTSCHAFTS-
Flüchtlinge, welche den Österr.Staat AUSNUTZEN u.VERARSCHEN und die einheimische Bevölkerung unter Druck setzt und versteckt bedroht..SO sieht die REALITÄT aus und mit diesen polit.hausgemachten Problemen MUSS sich unsere unterbesetzte Polizei auseinandersetzen

AI Patzelt Im warmen Nest sitzen und mit Schmutz um sich werfen. Schlage vor er verlegt sein Büro in eines der Länder die nicht ein derartig hohes Niveau wie Österreich hat. Und dort soll er mal derartige Kommentare and die dortige Presse abgeben - wenn er sich traut.

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Amnesty International Eine der wenigen NGo die vollkommen unnötig sind. Erstens total links ausgerichtet. Zweistens immer wieder auf den relativ positiven Zustand in Österreich hinhacken. Einfach richtige Nestbeschmutzer. Warum wird nicht über Russland, die neuen ,ehem. Russ. Republiken geschrieben und angeklagt? Weil hr. Patzelt genau weiß dass er eventuell Probleme mit manchen Leuten bekommen würde. Auf Österreich ist ja leicht zu schimpfen. Da passiert einem ja sowieso nichts und man kann jede Menge an Subventionen kassieren.Das nicht alles runfd läuft wissen die meisten Bewohner in Österreich, dazu brauche ich keinen Hr. Patzelt mit seinem unnötigen verein Amnesty International. Die machen diesen Verein ja nur um selbst ganz gut davon leben zu können.

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Re: Amnesty International So Vereine gibt es viele in denen manche gut leben, außerdem Amerkika ist auch kein Musterland was die Menschenrechte betrifft........Guantamo etc

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Re: Amnesty International RE. mmeinung! Ich habe nie behauptet dass die USA ein Musterland in Menschenrechten sind. Im Gegenteil ich habe noch die Rassentrennung erlebt, speziell im Süden ist es noch heute teilweise so. Aber bitte das ist Amerika und nicht Österreich! Hr. Partzelt nimmt Geld vom Staat um ihn dann zu beschimpfen. Wo bleibt da der Charakter. Zwar hat diesen die Regierung auch nicht, aber als Österreicher sind wir ja einiges gewohnt.

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Re: Amnesty International Nestbeschmutzer? Herr Patzelt schimpft sicher nicht auf Österreich oder die Österreicher (weil sich hier offensichtlich viele angesprochen fühlen), er zeigt nur auf, wo auch bei uns noch Fehler passieren. Und diese Fehler gehören behoben, gerade, wenn es um Menschenrechte geht.

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Re: Amnesty International Bitte Viennese, behaupte nicht Dinge, die einfach nicht wahr sind.
AI ist eine NGO und als solche nicht staatlich subventioniert. Außerdem legt gerade diese Vereinigung größten Wert darauf, keine öffentlichen Gelder oder finanzielle Unterstützung von multinationalen Unternehmen zu erhalten, um ihre Objektivität zu gewährleisten.

Und nur weil du noch nie einen Amnesty-Bericht über Russland gelesen hast, oder die Arbeit von AI dort nicht kennst, heißt das nicht, dass derartiges nicht existiert...

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Re: Amnesty International RE: Marge100 und 1110 Wien: Sie beide sind wahrscheinlich glühende Verehrer und Mitglieder von Amnesty International. Doch sollte man auch bei der Wahrheit bleiben. Denn als NGO nehmen diese Institutionen sehr wohl vom Staat. Vielleicht unter einem anderen Titel. Denn NGO heißt ja nichts anderes als : Non Govermental Organisation= keine staatliche Vereinigung. Das heißt aber nicht dass es kein Geld von einem Ministerium gibt. Die Artikel die AI über Russland geschrieben hat, ist Kindergartenlektüre. Wo bitte ist über Chodorowsky wirklich berichtet worden? Man kann alles von der anderen Warte sehen. Aber immer nur auf Österreich, die USA und den Westen allgemein schimpfen ist ein bisschen einfältig.

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Re: Amnesty International Hi Vienesse: Ganz genau, Aber warum regt sich ein Patzelt nicht auf, wenn diverse Einsatzkräfte von sogenannten Asylanten "angegangen2 WERDEN:

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